Kurz nach Baubeginn laufen die Planungen für den nächsten Windpark im Reinhardswald

Im Reinhardswald rollen aktuell die Bagger für 18 Windkraftanlagen. Noch bevor auch nur eine davon Strom liefert, beginnt bereits die Planung für das nächste Großprojekt. Abo Energy und die GGEW AG wollen auf der Vorrangfläche KS 26 am Gahrenberg weitere Flächen des jahrhundertealten Waldgebiets roden – mitten in einem der ältesten und ursprünglichsten Wälder Deutschlands (hna: 07.07.25).


Zweiter Windpark trotz laufender Rodungen

Die Fläche KS 26 liegt am Rand des Gahrenbergs, unweit der bereits im Bau befindlichen Windkraftanlagen. Obwohl der Wald als ökologisch besonders wertvoll gilt, knüpfen die Unternehmen an alte Pläne von 2015 an. Damals verhinderte die Deutsche Flugsicherung das Vorhaben mit Verweis auf die Nähe zum Kassel Airport. Inzwischen sind die Flugrouten verlegt – der Weg für neue Eingriffe in das Waldgebiet ist nun frei.

 Nächster Windpark im Reinhardswald geplant. Einem der ältesten Wälder Deutschlands drohen weitere großflächige Rodungen
Nächster Windpark im Reinhardswald geplant. Einem der ältesten Wälder Deutschlands drohen weitere großflächige Rodungen

Das Regierungspräsidium Kassel bestätigte die Änderung der Anflugverfahren. Sie basiert auf internationalen Vorgaben, ignoriert jedoch die lokale Bedeutung des Reinhardswalds als artenreicher Lebensraum. Statt den Schutz des Naturraums zu priorisieren, öffnet sich nun die Tür für ein weiteres industrielles Großprojekt – in einem Gebiet, das jahrhundertelang vom Menschen weitgehend unberührt blieb.

Windkraft verdrängt alte Waldbestände

Laut Abo Energy lassen sich die alten Entwürfe nicht übernehmen. Neue Anlagentypen und gesetzliche Vorgaben erzwingen eine komplette Neupositionierung. Technische Machbarkeit und wirtschaftlicher Nutzen stehen im Mittelpunkt – der ökologische Preis rückt dabei in den Hintergrund. Denn mit jeder neuen Anlage verschwinden weitere Hektar Mischwald, verlieren Wildtiere ihren Lebensraum, schrumpfen intakte Waldböden mit ihrer CO₂-Bindekraft.

Die Feinplanung soll Ende 2025 beginnen, die Antragstellung ist für 2026 vorgesehen. Bis dahin droht die Fläche durch Vorbereitungsmaßnahmen bereits weitgehend gerodet zu sein – obwohl der tatsächliche Nutzen einzelner Standorte bislang weder öffentlich noch unabhängig bewertet wurde.

Der Gahrenberg als nächster Industrieort

Mit dem Gahrenberg rückt nun ein weiteres Teilstück des Reinhardswalds in den Fokus. Obwohl das Gebiet als eines der größten Windvorranggebiete Hessens gilt, lässt sich darüber streiten, ob solche Vorrangflächen automatisch zur Bebauung freigegeben werden sollten. Das Projekt profitiert vor allem von der technischen Entwicklung: Moderne Windräder liefern mehr Strom und benötigen weniger Fläche – zumindest theoretisch.

Doch auch mit weniger als den ursprünglich geplanten 20 Anlagen bleibt der Flächenbedarf groß. Breite Zufahrten, Kranstellflächen, Fundamente und Netzanbindung verschlingen Waldboden – dauerhaft. Eine vollständige Renaturierung ist faktisch ausgeschlossen.


Reinhardswald wird zur Energiezone

Der Reinhardswald droht, schrittweise zur Energie-Industriezone zu verkommen. Die Nähe zur bestehenden Baustelle der 18 Windkraftanlagen macht die Anbindung des neuen Projekts logistisch attraktiv. Aus Sicht der Projektentwickler ergibt das Sinn – aus Sicht des Naturschutzes entsteht ein Flickenteppich aus Schneisen, Betonfundamenten und Technikbauten in einem vormals zusammenhängenden Wald.

Abo Energy kündigt zwar eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung an, doch Kritiker beklagen mangelnde Transparenz bei den bisherigen Entscheidungen. Der Schutz eines Naturerbes von nationaler Bedeutung wird gegen kurzfristige energiepolitische Ziele eingetauscht – ohne ehrliche Debatte über Alternativen.

Energiepolitik auf Kosten des Waldes

Die Energiewende braucht neue Lösungen – doch die Zerstörung ökologisch sensibler Waldflächen in einem Urwaldgebiet wie dem Reinhardswald ist ein schwerwiegender Eingriff. Der Verlust an Biodiversität, Wasserhaushalt und klimatischer Wirkung lässt sich nicht durch ein paar Megawatt grünen Stroms aufwiegen.

Statt nachhaltiger Planung dominiert erneut die Logik des schnellen Ausbaus. Der Reinhardswald steht erneut unter Druck – diesmal durch ein zweites Projekt, noch bevor das erste überhaupt Strom produziert.

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