Koalition baut Haushaltspläne auf völlig unrealistischem Wirtschaftswachstum auf

Die Bundesregierung setzt bei der Haushaltsplanung auf ein Wirtschaftswachstum von sieben bis neun Prozent – ein Wert, der mit den realen Rahmenbedingungen kaum vereinbar ist. Anstatt Ausgaben zu kürzen oder Prioritäten zu setzen, sollen gigantische Haushaltslöcher allein durch steigende Steuereinnahmen verschwinden. Doch führende Ökonomen halten diese Erwartung für wirtschaftlich unhaltbar (welt: 30.07.25).


Hoffnung auf Wirtschaftswachstum statt realistischer Planung

Die Finanzlücke wächst rasant: Für die Jahre 2027 bis 2029 fehlen inzwischen 172 Milliarden Euro. Besonders dramatisch sieht es im Jahr 2027 aus, wo 34,3 Milliarden Euro im Etat klaffen. Trotzdem finanziert die Koalition weiter teure Projekte wie die Mütterrente oder die abgesenkte Gastro-Steuer. CDU, CSU und SPD bauen auf die Annahme, dass ein starkes Wirtschaftswachstum die Einnahmeseite von allein stabilisiert.

Koalition plant Haushalt auf Basis eines Wirtschaftswachstums von 7 bis 9 %. Experten warnen vor Illusionen und fordern Einsparungen
Koalition plant Haushalt auf Basis eines Wirtschaftswachstums von 7 bis 9 %. Experten warnen vor Illusionen und fordern Einsparungen

Der Glaube an diese Entwicklung stößt bei Experten auf Unverständnis. Finanzwissenschaftler Jens Boysen-Hogrefe vom IfW beziffert das notwendige Wachstum auf „mindestens sieben bis neun Prozent“, um allein die Lücke im Haushalt 2027 zu decken. Das sei völlig utopisch. Auch Friedrich Heinemann vom ZEW hält die Projektionen für eine Illusion. Er geht davon aus, dass sich die Lücke „über Wachstum allein nicht schließen lässt“.

Experten warnen vor Fehlkalkulation beim Wirtschaftswachstum

Die Grundannahme bleibt fragwürdig: Ein Prozent mehr Wirtschaftsleistung führt in der Regel zu einem Prozent höheren Steuereinnahmen. Laut Regierung sollen dem Bund im Jahr 2027 rund 400 Milliarden Euro zufließen. Für den Haushaltsausgleich wären jedoch 430 Milliarden notwendig. Die aktuelle Frühjahrsprojektion rechnet jedoch nur mit einem jährlichen Wachstum von rund einem Prozent.

Trotz dieser Warnzeichen plant das Finanzministerium weiter auf Basis optimistischer Prognosen. Es beruft sich auf Maßnahmen wie Investitionsanreize, Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur, die angeblich das Wachstum ankurbeln sollen. Der Haushaltsentwurf 2026 verweist sogar auf „erste Auswirkungen“ dieser Programme in den aktuellen Wirtschaftsprognosen.

Wachstum bleibt Wunschdenken – strukturelle Probleme überwiegen

Eine Prognose des DIW vom Juni nennt immerhin ein Wachstum von 1,7 Prozent. Doch selbst dieser Wert liegt weit unter dem, was nötig wäre. Der Internationale Währungsfonds erwartet sogar nur 0,9 Prozent für 2025. Heinemann sieht das Problem in strukturellen Engpässen. „Wir bräuchten einen derartigen Boom, den es aber gar nicht geben kann.“ Fachkräftemangel, Kapazitätsgrenzen und geringe Bereitschaft zur Mehrarbeit dämpfen jede Dynamik.

Beide Ökonomen halten es für denkbar, dass durch Wirtschaftswachstum bestenfalls die Hälfte der Haushaltslücke gedeckt werden kann. Ohne drastische Einsparungen bleibt die Finanzierungslücke bestehen.


Klingbeil fordert Einschnitte – konkrete Maßnahmen fehlen

Finanzminister Lars Klingbeil spricht offen von einer „enormen Herausforderung“. Jeder Minister müsse jetzt prüfen, wo Einsparpotenziale liegen. Die Vorbereitungen für den Haushalt 2027 laufen bereits, doch konkrete Kürzungsvorschläge fehlen bisher. Statt entschlossener Konsolidierung dominiert weiter die Hoffnung auf ein Wunder durch Wirtschaftswachstum.

Die Zeit drängt. Bereits im Frühjahr müssen die Eckdaten für den Haushalt 2027 stehen. Ohne Kurswechsel droht der Finanzpolitik der Absturz – gespeist durch Wunschdenken statt Realitätssinn.

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