Seit geraumer Zeit werden Stimmen laut, die von einer politischen Disharmonie zwischen der Ukraine und Russland berichten. Wenn diese Stimmen recht haben, steht der Ukraine ein Einmarsch der russischen Truppen bevor. Als Folge kann der Westen Russland mit einer Reihe von Sanktionen belegen, darauf würde Russland wiederum reagieren. Womit könnte Russland Druck ausüben? Richtig Russland könnte, die Gaslieferungen nach Europa, die über die berühmten Pipelines laufen, stoppen. Was wäre die Konsequenz daraus? Kann Flüssiggas aus USA das Erdgas aus Russland ersetzen?
Man könnte Flüssiggas mit riesigen Tankern aus Übersee importieren. Aber könnte man die in Europa benötigte Menge wirklich damit decken? Diese Fragen stellten sich bisher nur theoretisch, in der Praxis hat man dies jedoch noch nicht durchexerziert.
Warum ist Flüssiggas aus Russland wichtig?
Experten für die Energiewirtschaft im Bankensektor (Commerzbank) haben sich eingehend mit Analysen damit beschäftigt und diese Ergebnisse veröffentlicht. Im Zuge dieser Arbeit ist man zu dem Schluss gekommen, dass man russisches Flüssiggas nicht dauerhaft durch Importe aus Übersee ersetzen kann. Die Erklärung dafür liefern nachfolgende Details, die aus dem Jahre 2020 stammen. Im EU-Raum fördern Energieunternehmen 5 Milliarden m³ Erdgas. Dazu kamen Importe im Ausmaß von 326 Milliarden m³, wobei der Prozentsatz der Lieferungen aus Russland bei 48 % lag. Hier kann man bereits sehen, dass eine Abhängigkeit vom russischen Gasmarkt besteht.
Sind Importe aus Übersee wirklich die Lösung? Und was passiert an den Terminals der EU?
In der ersten Hälfte des Jahres 2021 konnte man lediglich ein Viertel des importieren Erdgases in Europa, auf einen Import per Tanker aus Übersee zurückführen. Es gibt in Europa 25 Terminals für den Import von Flüssiggas, wobei sich keiner davon in Deutschland befindet. Das Bauvorhaben eines geplanten Terminals in Brunsbüttel, wurde von den Verantwortlichen wieder zurückgezogen. Dies bedeutet, es wird auch weiterhin keinen Standort in Deutschland geben.
An den 25 Terminals wird das importierte verflüssigte Gas wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückgeführt und in die dafür vorgesehenen Gas-Rohrleitungssysteme eingespeist. Alle europäischen Terminals zusammengerechnet, haben ein Fassungsvermögen von insgesamt 215 Milliarden m³ pro Jahr. Damit könnte die Hälfte des Bedarfes an Erdgas in Europa gedeckt werden, was jedoch nicht geschieht, da diese im Jahresdurchschnitt nicht mal zur Hälfte ausgelastet sind. Auch wenn künftig mehr Importe getätigt werden würde, so könnte ein Ausfall von russischen Lieferungen trotzdem nicht wettgemacht werden, da Russland ebenso ein Fünftel der EU-Importe an Erdgas abdeckt.
Flüssiggas aus USA reicht nicht aus
Würde die USA als Ersatzlieferant in Frage kommen, so würde deren Exportvolumen lediglich 120 Milliarden m³ pro Jahr betragen. Bis zum Ende des Jahres 2022 ist jedoch eine Erweiterung der Kapazitäten bis zu 145 Milliarden m³ pro Jahr geplant. Dadurch müsste die USA Abstriche bei der Lieferung an andere Abnehmer machen. Jedoch würde auch diese Lösung nicht ausreichen, um Lieferungen aus Russland zu ersetzen. Dazu müssten noch Zukäufe aus Katar – der Ministaat ist ein Gigant am Gasmarkt – erfolgen.
Wird doch nicht so heiß gegessen, wie gekocht?
Auch wenn die russischen Gaslieferungen nicht durch Flüssiggas aus den USA dauerhaft kompensierbar sind, braucht man nicht in „Panikstarre“ zu verfallen. Denn so notwendig wie die EU die Lieferungen aus Russland hat, so ist im Gegenzug auch Russland auf die Einnahmen der Lieferungen an die EU angewiesen und wird diese nicht so rasch durch Exporte nach China ausgleichen können. Wobei China hierbei sicherlich die missliche Lage der Russen für sich nutzen und auf Preisnachlässe bestehen würde. Aufgrund der letzten Preissteigerungen am Gasmarkt, haben einige amerikanische Produzenten die Gunst der Stunde ergriffen und ihre Lieferungen nach Asien rasch nach Europa umgeleitet, wo der Preis deutlich höher liegt. Hier ist die Flexibilität der raschen „Lieferumleitungen“ deutlich zu sehen, was wiederum eine Angst vor leeren Gasspeichern ad absurdum führt.