Hundert Olivenbauern sollen in Spanien für gigantische Solarfarm enteignet werden

Im Süden Spaniens droht ein massiver Eingriff in eine jahrhundertealte Kulturlandschaft: Etwa 100.000 Olivenbäume sollen entfernt werden, um Platz für eine riesige Solarfarm und Windkraftanlagen zu schaffen. Betroffen ist die Provinz Jaén – das weltweite Zentrum der Olivenölproduktion. Auf rund 900 Hektar fruchtbarem Boden verlieren etwa hundert Olivenbauern ihre Lebensgrundlage. Die Regionalregierung Andalusiens greift dabei auf ein Enteignungsgesetz aus der Franco-Ära zurück, das zwangsweise Grundstücksübertragungen erlaubt (telegraph: 23.03.25).


Konflikt zwischen Energiewende und Existenz der Olivenbauern

In Lopera, Arjona und Marmolejo drohen besonders drastische Verluste. Die Bürgerinitiative North Campiña spricht von der Vernichtung ganzer Landstriche und klagt gegen das verantwortliche Unternehmen Greenalia wegen Umweltvergehen. Bereits 5.000 Olivenbäume sind verschwunden. Juan Campos, Olivenbauer aus Jaén, klagt über mangelnde Unterstützung: „Wo sind die Umweltverbände?“

Etwa hundert Olivenbauern in Andalusien stehen vor der Enteignung: Ihre jahrhundertealten Haine sollen riesigen Solarfarmen weichen
Etwa hundert Olivenbauern in Andalusien stehen vor der Enteignung: Ihre jahrhundertealten Haine sollen riesigen Solarfarmen weichen

Die zentrale Kritik der Betroffenen: Der erzeugte Strom bleibt nicht in der Region. Stattdessen fließt er nach Nordeuropa. Die uralten Olivenbäume leisten gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung des Ökosystems. Sie speichern Feuchtigkeit, verhindern Bodenerosion und schützen vor Wüstenbildung. Die Justiz prüft das Vorhaben – erste Ermittlungen laufen am Gericht in Andújar.

Dörfer verlieren Einkommen und Perspektiven

Am 7. November begann die offizielle Enteignung. Rafael Alcalá, selbst betroffen, spricht von Erpressung: „Entweder man verkauft freiwillig oder verliert den Hof zu schlechteren Bedingungen.“ Der wirtschaftliche Schaden trifft nicht nur die Olivenbauern, sondern auch die regionale Infrastruktur. „Heute kaufen wir fünf Brote, morgen nur noch zwei.“

Greenalia betont, 96,3 Prozent der Eigentümer hätten einer Verpachtung zugestimmt. Doch laut Betroffenen geschah dies unter massivem Druck. Die Angst vor unzureichender Entschädigung dominiert. Ein vorgelegter Vertrag sieht jährlich 6.000 Euro über 30 Jahre vor – rund 180.000 Euro. Fällt die Unternehmensrendite, könnte auch diese Zahlung sinken.

Olivenbauern verlieren Generationenbetriebe

Juan Campos bewirtschaftet eine fünf Hektar große Olivenplantage, die er von seinem Vater übernahm. Jährlich erntet er mit seinem Team rund 40.000 Kilogramm Oliven – daraus entstehen 12.000 Liter Öl. Bei einem Verkaufspreis von 9 Euro pro Liter beläuft sich der Jahresumsatz auf über 100.000 Euro. Für Campos steht fest: „Sie nehmen uns die Existenz.“

Stadtrat Francisco Jesús Sevilla Duque aus Lopera warnt vor einem Einkommensverlust von bis zu 950.000 Euro jährlich – allein für die Gemeinde. Trotz gegenteiliger Angaben von Greenalia sollen vier weitere Projekte über 470.000 Bäume betreffen. Das Unternehmen selbst spricht von 402,29 Hektar Entwicklungsfläche.


Kritik an Gesetzeslücken und politischem Versagen

Ein Gesetz von 2021 ermöglicht beschleunigte Genehmigungen für Solarprojekte unter 50 Megawatt. Diese unterliegen keiner nationalen Kontrolle, sondern der autonomen Region. Um diese Schwelle zu umgehen, sollen größere Anlagen gezielt aufgeteilt worden sein.

Stadtplaner Lawrence Susskind vom MIT fordert die Beteiligung der betroffenen Gemeinden: „Nichts darf auf Kosten weniger geschehen, nur damit viele profitieren.“ Ein Bericht von MIT und dem Weltwirtschaftsforum sieht lokale Widerstände als größte Hürde für globale Klimaziele. Weltweit seien bereits über 60 Projekte am Widerstand der Bevölkerung gescheitert.

Land, Arbeit, Zukunft – alles steht auf dem Spiel

Für viele Olivenbauern geht es um mehr als den Verlust ihres Einkommens. Campos betont: „Es ist auch eine Frage des Herzens. Meine Eltern haben mir das übergeben. Es gehört nicht in Konzernhände.“ Ohne Olivenanbau fehlt die Perspektive. In Andalusien besitzen viele Landwirte keine akademische Ausbildung. Die Abwanderung ganzer Familien droht.

Laut der Zeitung Sur sind 90 Prozent der andalusischen Gemeinden von Entvölkerung bedroht. Zudem bringt das Projekt kaum neue Arbeitsplätze. „Diese Unternehmen bringen keine Jobs, sondern Armut“, sagt Campos. Die betroffenen Böden sind besonders fruchtbar, speichern Wasser und sichern den Anbau auch in trockenen Jahren. Weniger fruchtbare Alternativflächen wären vorhanden, doch sie liegen zu weit vom Guadalquivir entfernt, dessen Wasser für das Solarkraftwerk nötig sei.

Die spanische Zentralregierung und die Junta de Andalucía haben auf Anfragen bisher nicht reagiert. Die Olivenbauern bewirtschaften ihre Felder weiter – in der Hoffnung, das Unrecht doch noch abwenden zu können.

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Zuletzt aktualisiert am Januar 14, 2025 um 21:39 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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