Hohe Energiepreise: Bund verweigert Unterstützung von Stadtwerken in Not

Abgesehen vom drohenden russischen Gasstopp nach der Pipelinewartung von Nord Stream 1 bringen die hohen Gaspreise schon jetzt etliche kommunale Versorger in Schieflage. Sie kaufen das Gas immer teurer ein, können es aber aufgrund früher abgeschlossener Verträge nicht genauso teuer an ihre Endkunden verkaufen. Damit entsteht inzwischen Monat für Monat ein Defizit, das sich schon im April 2022 mit emporschnellendem Gaspreis aufzubauen begann. In dieser Situation werden Rufe nach einem Schutzschirm durch den Bund laut. Doch die Bundesregierung verweigert bislang diese Maßnahme (tagesschau, 10.07.2022)


Zunehmende Probleme durch Gaspreise

In Deutschlands Kommunen spüren immer mehr Betroffene die Folgen des stark steigenden Gaspreises. Schwimmbäder reduzieren die Warmwassertemperaturen, Vermieter schränken die Warmwasserversorgung ein. Im kommenden Winter dürften die Raumtemperaturen abgesenkt werden. Bei einer echten Gasmangellage könnten ganze Industrien ausfallen, die jetzt schon unter den Preisen ächzen. Der Deutsche Städtetag ruft unisono mit dem Wirtschaftsminister und dem Chef der Bundesnetzagentur zum Energiesparen auf. Noch sind die Einschränkungen vergleichsweise marginal, doch in den kommenden Monaten werden sie deutlich spürbar zunehmen.

Hohe Energiepreise: Bund verweigert Unterstützung von Stadtwerken in Not
Bild: Recherche, Scans, Arbeitsleistung gestiftet von: Bernd Schwabe in Hannover, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Der Geschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy erklärte letzte Woche, dass die Menschen hierzulande ihre „Komfortzone verlassen müssen“ (Berliner Zeitung, 6.7.2022). Aufgrund seiner Empfehlung stellen inzwischen manche Städte und Gemeinden nachts die Ampeln und die Straßenbeleuchtung ab. In öffentlichen Gebäuden gibt es vielerorts kein warmes Wasser mehr. Die Schüler dürften ab Herbst wohl in recht kühlen Klassenzimmern sitzen, die möglicherweise zusätzlich wegen der anstehenden Coronaherbstwelle kräftig gelüftet werden. Auch das Warmwasser soll in den Schulen abgestellt werden. Das geht aus einem Vorschlag des Deutschen Städtetages hervor, den das Fachportal Telepolis evaluierte.


Energiesparen gegen den Bankrott

Alle anstehenden Energiesparmaßnahmen sollen flächendeckene Bankrotts von kommunalen Versorgern verhindern. Das Ziel der gegenwärtigen Einsparungen besteht vorläufig darin, bis zum Winter die Gasspeicher so weit wie möglich zu füllen. Darüber hinaus sollen sie den Gasbezug der kommunalen Versorger reduzieren, die damit ihr Defizit verringern könnten. Dedy sagte nun gegenüber der Passauer Neuen Presse, dass die Stadtwerke in einem echten Dilemma stecken. Wenn sie überhaupt noch ihre Aufgaben erfüllen wollen, müssen sie das Erdgas zu den geforderten hohen Preisen einkaufen.

Sollten sie diese komplett an die privaten, gewerblichen und industriellen Verbraucher weitergeben, wie es per Gesetz ermöglicht werden könnte, dürfte das viele Privathaushalte und Unternehmen überfordern. Wenn die Stadtwerke diesen Schritt nicht gehen (so er juristisch möglich wird), droht ihnen der Bankrott.

Was passiert bei der dritten Notfallstufe Gas?

Es gibt in Deutschland drei Gasnotfallstufen, die zweite ist inzwischen in Kraft. In der dritten Notfallstufe stellt die Bundesnetzagentur formal fest, dass die Gesamtgasimportmenge erheblich reduziert wurde und damit eine Störung der Gasversorgung eingetreten ist. In diesem Fall sind mehrere Maßnahmen möglich, die unter anderem die Nichtversorgung industrieller, gewerblicher, öffentlicher und ganz zuletzt auch privater Kunden einschließen.

Eine weitere Maßnahme ist die per Verordnung dann zulässige Preisweitergabe an die Kunden. Das ist gegenwärtig noch nicht möglich. Sollte es eintreten, was schon nach dem 21. Juli geschehen könnte (wenn Nord Stream 1 nicht wieder in Betrieb geht), werden Millionen von Kunden plötzlich mit explodierenden Gaspreisen konfrontiert. Die Strompreise dürften ebenfalls steigen, weil ~16 % des deutschen Stroms aus Gaskraftwerken stammen. Einige Kunden werden die Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Darauf verwies vor wenigen Tagen gegenüber dpa Jan Arning als Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages.


Schutzschirm für Stadtwerke wäre ein Ausweg

Die Bundesländer fordern nun vom Bund einen Schutzschirm für ihre Stadtwerke. Er würde diese und auch einige ihrer Kunden vor dem Ruin bewahren. Einen entsprechenden Entschließungsantrag hatten Niedersachsen und Schleswig-Holstein Ende letzter Woche dem Bundesrat vorgelegt, er wurde auch angenommen. Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) wiegelt jedoch bislang ab. Aus seiner Sicht sind die Gesellschafter der kommunalen Versorger in der Pflicht. Wenn diesen das Geld ausgeht, müssen also nach Habecks Auffassung die Kommunen und Gemeinden einspringen.

Es gibt zwar einen Schutzschirm für gefährdete Energieversorger, jedoch gelte dieser nicht für Stadtwerke, so Habeck. Zwar will sich das Bundeswirtschaftsministerium keinen schwarzen Peter zuschieben lassen und bestätigte daher auf Anfrage von Journalisten, dass prinzipiell der § 29 des Energiesicherheitsgesetzes auch einen Rettungsschirm für Stadtwerke ermögliche. Jedoch müsse dafür die Kondition erfüllt sein, dass der Bund ein wichtiges Interesse durchsetzen müsse. Dies sehe man bei den Stadtwerken aufgrund der Verantwortung der Kommunen nicht, so der Sprecher.

Die Stadtwerke könnten dennoch formale Anträge auf Hilfen stellen. Es bliebe dann bei Einzelfallentscheidungen des Bundes, die wohl mehrheitlich negativ ausfallen dürften. Das bestätigte Habeck auch in einem Brief an die Wirtschaftsminister der Länder. Darin hieß es lapidar, dass der Bund diese Aufgabe nicht übernehmen könne. Der Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums wollte auf Journalistenanfrage diesen Wortlaut weder bestätigen noch dementieren.

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