Der Ausbau der Windkraft kommt nicht voran. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) hat nun einen Plan vorgelegt, der den Ausbau der Windkraft beschleunigen soll. Dabei sollen unter anderem die Abstandsregeln zu Wohngebieten nötigenfalls entfallen. Will Habeck jetzt Windräder vor jeder Haustür? Naturschützer fürchten eine große Rechtsunsicherheit.
Chefsache im Wirtschaftsministerium
Habeck hat den Ausbau der landgestützten Windenergie nun zur Chefsache gemacht. Er geht dabei konsequent vor und plant Gesetzesänderungen, welche die Kompetenzen der Bundesländer und die Rechte der Bürger fallweise beschneiden dürften, wovon auch der Naturschutz betroffen wäre. Der Bundeswirtschaftsminister ist aber der Auffassung, dass die langen Genehmigungsverfahren und die Widerstände von Naturschützern und Anwohnern den Ausbau der Windkraft unnötig bremsen. Die inzwischen vorgelegten Pläne seines Ministeriums halten fest, dass es vor allem an verfügbarer Fläche mangelt. Mit Stand Juni 2022 sind ~0,8 % der Bundesfläche für den Bau von Windkraftanlagen ausgewiesen. Tatsächlich werden nur 0,5 % dafür genutzt. Die Pläne von Habeck sehen daher vor:
- Bis 2026 werden 1,4 % der Bundesfläche für Windkraft ausgewiesen.
- Bis 2032 sollen es 2,0 % werden.
- Für einzelne Bundesländer gelten unterschiedliche Ziele wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen für Windenergie. Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und NRW müssen bis 2026 1,1 %, bis 2032 1,8 % ausweisen. In Mecklenburg-Vorpommern sollen es bis 2026 1,4 % und bis 2032 2,1 % sein. Für Niedersachsen sieht der Gesetzesentwurf bis 2026 1,7 % und bis 2032 2,2 % vor.
- Wenn diese Ziele nicht erreicht werden, will Habeck Landesgesetze kippen, so vorrangig die Abstandsregeln zwischen Windrädern und der nächsten Wohnbebauung.
Der letzte Punkt dürfte für Streit mit den Ministerpräsidenten der Länder sorgen. Vor allem aus Bayern ist starker Widerstand zu erwarten. Im Allgemeinen gilt in den meisten Ländern eine Abstandsregel von 1.000 m, doch in Bayern gilt die sogenannte 10-H-Regel: Der Abstand zwischen einem Windrad und einem Wohnhaus muss mindestens die zehnfache Höhe der Windkraftanlage betragen, deren Rotorblätter in die Rechnung mit einfließen. Moderne Anlagen erreichen Höhen bis zu 250 m, weshalb in Bayern häufig 2,5 km Abstand vorgeschrieben sind. Habeck will die bayerische Regel nicht sofort außer Kraft setzen, doch für ihren Bestand müssen die Bayern die vorgeschriebenen Flächenziele erreichen. Habeck sprach in diesem Kontext von einer „Verhinderungsplanung“ in manchen Bundesländern, die er nicht akzeptieren werde. Dann müssten die betreffenden Länder eben ihre Windräder auch in Landschaftsgebieten und Nutzwäldern errichten. Wenn das nicht genüge, müssten sie näher ran an die Wohngebiete.
Handel mit Windflächen
Wie beim CO₂-Emissionshandel soll es in Deutschland künftig auch einen Handel mit Flächen für Windräder geben. Wenn ein Bundesland seine Flächenziele übertrifft, kann es gegen einen finanziellen Ausgleich sein Flächenkontingent auf ein anderes Land übertragen. Hierfür soll aber ein Limit von 25 % der Fläche gelten. Dies ist vorläufig ein Gedanke der Vorschläge aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Festgeschrieben werden diese in einem Staatsvertrag, der spätestens 2024 geschlossen werden soll.
Kritik von der Deutschen Umwelthilfe
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält die Pläne für immer noch ungenügend. Ihr Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner ist grundsätzlich gegen die Mindestabstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern. Es überzeuge ihn nicht, so Müller-Kraenner, dass man abwarten müsse, inwieweit einzelne Bundesländer ihre Flächenziele erreichen oder nicht. Dies sei eine Politik, die dem „Prinzip Hoffnung“ folge. Wenn sich die DUH mit ihrer Radikalforderung durchsetzen sollte, könnte künftig ein Windrad auch direkt vor der Haustür stehen.
Ziele des Windkraftausbaus
Die Zielstellung lautet: Bis 2030 sollen auf dem deutschen Landgebiet Windräder mit 115 GW installiert sein, was die gegenwärtig installierte Leistung verdoppeln würde. Experten halten auch 165 GW für möglich, wenn wirklich auf 2,0 % der Landesfläche Windräder stehen. Dabei fallen gewohnte Rücksichten, denn unter anderem muss der Artenschutz herbe Einschnitte hinnehmen. So dürfen Vogelschützer in 1,5 km Umkreis um eine Windkraftfläche keine Nisthilfen mehr bauen, um Greifvögel nicht zum Ansiedeln zu motivieren. Kritik kommt daher erwartungsgemäß auch vom NaBu (Naturschutzbund Deutschland). Doch Habeck hält sein Vorgehen für alternativlos. Viele Experten sehen das ebenso.