Deutschland hatte große Pläne. Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie und Milliarden an Fördermitteln wollte die Bundesregierung die industrielle und energetische Transformation einleiten. Doch innerhalb der letzten zwölf Monate zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Zahlreiche Wasserstoffprojekte – in Industrie, Verkehr und Infrastruktur – sind gescheitert, verzögert oder wurden aus wirtschaftlichen Gründen gestoppt. Die Hoffnung auf eine wasserstoffbasierte Zukunft droht in einer Kette technischer und politischer Fehlentscheidungen zu scheitern (reuters: 20.06.25).
Großprojekte brechen unter wirtschaftlichem Druck zusammen
Im Juni 2025 kündigte der Stahlkonzern ArcelorMittal an, die geplante Umstellung seiner Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf grünen Wasserstoff nicht weiter zu verfolgen. Trotz bereits zugesagter staatlicher Fördermittel in Höhe von 1,3 Milliarden Euro fehlten tragfähige wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Steigende Energiekosten, unsichere H₂-Verfügbarkeit und fehlende Offtake-Verträge ließen das Vorhaben wirtschaftlich untragbar erscheinen.

Ebenfalls im Sommer 2025 stoppte LEAG ihr geplantes Wasserstoffprojekt im sächsischen Boxberg. Die Ankündigung, das gesamte H2UB‑Vorhaben auf unbestimmte Zeit auszusetzen, fiel mitten in eine Phase politischer Unsicherheit. LEAG begründete die Entscheidung mit mangelnder Wirtschaftlichkeit und fehlender regulatorischer Klarheit.
Erzeugung im Rückwärtsgang
Ein besonders öffentlichkeitswirksames Beispiel ist das Projekt von HH2E in Lubmin. Dort plante das Unternehmen eine große Elektrolyseanlage, die jährlich bis zu 80.000 Tonnen grünen Wasserstoff liefern sollte. Im November 2024 meldete die Projektgesellschaft Insolvenz an. Der Rückzug eines Investors, gestiegene Kosten und politische Unwägbarkeiten führten zum vollständigen Stopp; das Schwesterprojekt in Borna wurde daraufhin ebenfalls stillgelegt.
Die H₂-Produktion in Hannover scheiterte trotz hoher Förderung. Die am Klärwerk geplante Elektrolyseanlage war ursprünglich mit 25 Millionen Euro veranschlagt – am Ende standen 136 Millionen Euro auf dem Papier. Im Frühjahr 2024 wurde das Projekt offiziell abgebrochen.
Tankstellen-Infrastruktur: Ein System unter Druck
Eine der schwerwiegendsten Entwicklungen war die Explosion im Linde-Werk in Leuna im August 2024. Infolge dieses Vorfalls kam es zu bundesweiten Versorgungsengpässen, zahlreiche Tankstellen mussten über Wochen schließen oder den Betrieb stark einschränken – u. a. wurden Wasserstofftaxis in Berlin vorübergehend abgestellt.
Zudem lohnte sich der Betrieb vieler H₂‑Tankstellen nicht mehr: In Rheinland‑Pfalz wurde die einzige öffentliche Wasserstofftankstelle dauerhaft geschlossen, und auch in Wuppertal und Augsburg fielen Standorte der wirtschaftlichen Ineffizienz zum Opfer. Betreiber nannten geringe Auslastung und hohe Wartungskosten als Gründe.
Wasserstoffzüge: Fördermittel treffen auf Systemversagen
Auf der Schiene sorgte der Rhein‑Main‑Verkehrsverbund für Negativschlagzeilen. Die beschafften 27 Wasserstoffzüge vom Typ Alstom iLint wiesen gravierende technische Mängel auf: Täglich waren zwischen sieben und dreizehn Züge außer Betrieb. Ersatzteilengpässe und systembedingte Störungen der Brennstoffzellen zwangen den Verkehrsbetrieb, teilweise auf Dieselzüge auszuweichen – trotz bereits erfolgter Millionenförderung durch das Land Hessen.
Ähnlich kritisch verlief der Start der Heidekrautbahn in Brandenburg. Schon kurz nach Inbetriebnahme im Dezember 2024 führte eine unzureichende Wasserstoffversorgung zu Betriebsausfällen, weil vertraglich vereinbarte Liefermengen nicht bereitgestellt wurden.
Fördergelder ohne nachhaltige Wirkung
Ein Musterschüler des Scheiterns ist das Projekt in Schwäbisch Gmünd: Mit 20 Millionen Euro Gesamtinvestition und 6 Millionen aus EU-Mitteln sollte regionale Wasserstoffproduktion etabliert werden. Doch Windstrom fehlte, Nutzer blieben aus, der Tankstellenbetreiber kam nicht zustande – der Betrieb droht noch vor dem Start zu scheitern.
Ein weiteres Beispiel ist SmartQuart in Kaisersesch: Trotz fünf Millionen Euro Förderung scheiterte das Projekt an jahrelangen Technikproblemen, fehlenden Ersatzteilen und einem Rückzug von E.ON. Der benötigte Wasserstoff wurde später per Lkw geliefert – aus grün mach grau.
Zwischen Anspruch und Realität
Deutschland investiert Milliarden in eine Wasserstoffinfrastruktur, die bisher nicht trägt. Technische Defekte, wirtschaftliche Unwägbarkeiten, fehlende Versorgungssicherheit und politische Unsicherheit haben dazu geführt, dass viele Projekte vollständig gestoppt oder nur noch symbolisch betrieben werden. Der groß angekündigte Markthochlauf bleibt aus – trotz massiver Subventionen. Fördermittel verpuffen in symbolträchtigen Projekten, die keine stabile Betriebsrealität schaffen. Deutschlands Wasserstoffstrategie droht zu scheitern – nicht an der Idee, sondern an ihrer Umsetzung.
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