Atomkraft gilt in Japan als umstritten. Dennoch strebt die Stadt Genkai danach, ein nukleares Endlager unter der Stadt zu errichten. Shintaro Wakiyama, Bürgermeister von Genkai, steht unter immensem Druck. Die Stadt im Südwesten Japans mit rund 6000 Einwohnern soll zum Endlager für Atommüll werden. Vertreter des nationalen Industrieministeriums aus Tokio haben in den letzten Tagen wiederholt Gespräche mit Wakiyama geführt, um diesen Plan zu verwirklichen. Die Sache wird durch die Forderungen der Einwohner und lokalen Institutionen kompliziert. Drei Gruppen, darunter der Gastronomie- und Restaurantverband sowie der Katastrophenschutzrat aus mehreren Bauunternehmen, haben zwischen Januar und März Petitionen eingereicht, die fordern, dass Genkai als Standort für ein Endlager geprüft wird. Ende April nahm die Stadtversammlung die Petition an, und die Prüfung läuft (morgenpost: 19.05.24).
Erste Stadt in Japan will Atommüll-Endlager: Genkai vor historischem Schritt
Es ist das erste Mal, dass eine Stadt in Japan diesen Schritt wagt. Bürgermeister Wakiyama unterstützt die Petition jedoch nicht. Der Atommüll müsste mehr als 300 Meter tief unter der Erde gelagert werden, da die Strahlung tausende Jahre gefährlich bleibt. Drei Prüfungen müssen stattfinden, um einen geeigneten Ort zu finden und sicherzustellen, dass das Leben in der Stadt weiterhin möglich bleibt. Wakiyama befürchtet, dass ein Endlager die Attraktivität von Genkai mindert. Die Stadt beherbergt bereits ein Atomkraftwerk, was auf einen Mangel an Industrie und Arbeitskräften hindeutet. Ökonomisch abgehängte Städte werden oft durch Subventionen und Arbeitsplatzzusagen dazu gebracht, ein Atomkraftwerk zu akzeptieren, so auch in Genkai.
Die Befürworter des Endlagers argumentieren, dass das bestehende Atomkraftwerk bereits ein akutes Problem mit Atommüll darstellt, das gelöst werden muss. Zudem würde die Entscheidung, die erste Endlager-Prüfung zuzulassen, der Stadt Subventionen von bis zu zwei Milliarden Yen (etwa 11,97 Millionen Euro) einbringen. Bis jetzt hat sich jedoch keine andere Stadt bereit erklärt, Standort für ein Endlager zu werden. Atomkraft bleibt in Japan kontrovers.
Atomkraft in Japan: Fukushima-Folgen und der kontroverse Wiedereinstieg
Die Debatte um Atomkraft in Japan wurde nach der Katastrophe von Fukushima 2011 besonders brisant. Vor dem Tsunami und Erdbeben im März 2011 hatte Atomkraft rund 30 Prozent des Strombedarfs in Japan gedeckt. Doch nach der Havarie von drei Reaktoren im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi verloren Hunderttausende durch die ausgetretene Strahlung ihr Zuhause. In der Folge wurden alle gut 50 Reaktoren im Land vom Netz genommen, und ein Atomausstieg wurde erwogen.
Mit dem Regierungswechsel 2012 zur konservativen Liberaldemokratischen Partei unter Premierminister Shinzo Abe erfolgte der Wiedereinstieg in die Atomkraft. 2014 erklärte Abe die Atomkraft zur unverzichtbaren Grundenergiequelle. Trotz strengerer Regulierungen blieb die Mehrheit der Japaner skeptisch. Die Atomkraft gilt als Risikofaktor, besonders in einem von Naturkatastrophen betroffenen Land. Doch durch gestiegene Gaspreise, infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, wird Atomkraft als kostengünstige Stromquelle wieder attraktiver.
Zukunft von Genkai noch ungewiss
Ein Endlager in Genkai wäre ein großer Erfolg für die Nationalregierung in Tokio. Es wäre eine Antwort auf die weltweit ungelöste Frage des Umgangs mit Strahlungsabfall aus Atomkraftwerken. Die Errichtung eines Endlagers in Genkai könnte anderen Ländern als Beispiel dienen, wie nationale und lokale Politik im Umgang mit Atommüll kooperieren können.
Noch gibt es jedoch keine Einigung. Der Bürgermeister von Genkai will nicht als derjenige in die Geschichte eingehen, der seiner Heimatstadt eine Jahrtausende strahlende Müllhalde beschert hat. Auch der Gouverneur der Präfektur Saga müsste dem Vorhaben zustimmen, um die zweite Prüfungsebene zu erreichen. Bisher hat er sich dagegen positioniert. Ob er dem Druck der Bevölkerung nachgibt, ist ungewiss.
Bürgermeister Wakiyama hat um weitere Bedenkzeit bis Ende des Monats gebeten. Bei einem so existenziellen Thema könne er die Initiative nicht übernehmen. Dennoch ist die Petition durch die Annahme der Stadtversammlung bereits auf den Weg gebracht worden.
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