Mit Hilfe von verflüssigtem Erdgas (LNG) will Deutschland unabhängig von russischen Gasimporten werden. Das erste von fünf vom Staat gecharterten Spezialschiffen, die als Importterminal dienen und LNG wieder gasförmig machen, hat im Dezember in Wilhelmshaven den Betrieb aufgenommen. In Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern wird zurzeit ein zweites, privatwirtschaftlich betriebenes Terminal feierlich eingeweiht.
Welche Vorteile hat LNG?
Das Volumen von Erdgas verringert sich in flüssiger Form um das rund Sechshundertfache. So kann Flüssiggas ohne Pipeline in weit entfernten Ländern gekauft und per Schiff transportiert werden. Allerdings wird Erdgas erst bei etwa minus 162 Grad Celsius flüssig. Transport und Wiederaufbereitung sind also energieintensiv und technisch anspruchsvoll.
Welche Infrastruktur wird benötigt?
In LNG-Terminals wird das Flüssiggas erwärmt und verdichtet, so dass es wieder gasförmig wird. Anschließend kann es in Hochdrucknetze für den Handel oder den Weitertransport eingespeist werden. LNG kann an entsprechenden Terminals auch auf kleinere Schiffe, Lastwagen oder Güterwaggons verladen werden.
Deutschland setzt auf Spezialschiffe, sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU), die LNG von Tankern aufnehmen und es noch an Bord in Gas umwandeln können. Diese schwimmenden Terminals sollen nach Angaben des Branchenverbands Zukunft Gas als Übergangslösung dienen, bis feste Industrieanlagen errichtet sind, sogenannte landbasierte LNG-Terminals.
Wie weit ist Deutschland?
Die Bundesregierung hat fünf schwimmende Flüssiggasterminals an den Küsten von Nord- und Ostsee angemietet – zwei für Wilhelmshaven, eins für Brunsbüttel, eins für Stade und eins für Lubmin. Eines davon ist in Betrieb, das FSRU in Brunsbüttel soll noch in diesem Winter folgen. Das zweite Terminal in Wilhelmshaven sowie die FRSU in Stade und Lubmin sollen im kommenden Winter an den Start gehen. Vier große deutsche Gasimporteure haben zugesichert, die Terminals bei Inbetriebnahme sofort maximal zu beliefern.
Das privatwirtschaftliche Projekt in Lubmin wird von dem örtlichen Unternehmen Regas gemeinsam mit dem französischen Energieriesen Totalenergies betrieben. Total übernimmt auch die Belieferung. Der Betrieb eines weiteren FSRU auf diese Weise ist dort in Planung.
Wie viel Gas bringen die neuen Terminals?
Laut Bundesregierung lässt sich über die schwimmenden Terminals der bisherige Gasbedarf Deutschlands zu rund einem Drittel decken. Die beiden ersten Spezialschiffe in Wilhelmshaven und Lubmin haben gemeinsam eine Anlandekapazität von zunächst rund zehn Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Zum Vergleich: Die Pipeline Nord Stream 1 brachte 2021 gut 59 Milliarden Kubikmeter russisches Gas nach Deutschland. Für 2022 wurde ursprünglich mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit nahezu einer Verdopplung der russischen Gasimporte gerechnet.
Woher kommt das Flüssiggas?
Im Jahr 2021 kamen 28 Prozent der EU-LNG-Importe aus den USA, jeweils 20 Prozent kamen aus Katar und Russland. 2022 haben nach Angaben von Experten insbesondere die USA ihre Lieferungen stark gesteigert – um 143 Prozent. Katar lieferte demnach 23 Prozent mehr und auch die russischen LNG-Lieferungen erhöhten sich um zwölf Prozent. In Deutschland soll aber kein LNG aus Russland angelandet werden.
Das erste in Wilhelmshaven eingespeiste Gas kam aus den USA, die erste Lieferung für das Terminal in Lubmin aus Ägypten. Weitere wichtige Lieferländer sind etwa Nigeria, Algerien und Australien. Katar ist bislang mit Abstand der größte LNG-Produzent weltweit.
Welche Kritik gibt es?
Kritik an den LNG-Ausbauplänen kommt insbesondere von Umweltverbänden. Sie bemängeln zum einen, dass der Bau neuer Infrastruktur für einen fossilen Brennstoff dem Klimaneutralitätsziel der Bundesregierung widerspreche. Der BUND etwa fordert deshalb eine strenge Befristung des Betriebs der schwimmenden Terminals und keine landbasierten Anlagen. Die Organisation führt dabei auch an, dass die Anlagen nicht ohne Weiteres für den künftigen Import von Wasserstoff geeignet sind.
Kritisiert werden auch die stark beschleunigten Genehmigungsverfahren für die neuen Projekte. Zudem gibt es unmittelbare Einwände: So sollte die FSRU in Wilhelmshaven eigentlich an der Südküste Australiens in Betrieb genommen werden, die örtlichen Behörden untersagten dies jedoch wegen Umweltbedenken. Die niedersächsischen Behörden hingegen gaben grünes Licht mit Auflagen.
pe/ilo © Agence France-Presse