Firmenpleiten nehmen rasant zu und bedrohen Wirtschaft und Arbeitsplätze

Unternehmen wie Galeria Kaufhof, Peek&Cloppenburg, Gerry Weber und Reno haben massive Probleme. Laut Creditreform gibt es einen Zuwachs bei den Firmenpleiten von mehr als 16 Prozent. Das ist der höchste Anstieg in etwa zwei Jahrzehnten (Welt: 03.07.23). Ein Faktor dafür sind staatliche Corona-Hilfen, aber auch die hohen Energiepreise und die damit schwindende Kaufkraft der Kunden.


Firmenpleiten in Deutschland steigen rasant – droht eine neue Wirtschaftskrise?

Die Firmenpleiten in Deutschland nehmen deutlich zu. Im ersten Halbjahr gab es ungefähr 8400 Pleiten, so Creditreform. Das sind 16,2 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Eine solche Zunahme gab es zuletzt vor fast zwei Jahrzehnten. Patrik-Ludwig-Hantzsch, der Wirtschaftsforschungschef bei Creditreform, meint: „Die enormen Kostenbelastungen durch zu hohe Energie- und Materialpreise zeigen Wirkung.“ Er fügt hinzu: „Nach Jahren sinkender Pleitezahlen, geht es jetzt wieder nach oben.“

Firmenpleiten in Deutschland steigen rasant. Große Namen fallen. 125000 Jobs in Gefahr. Droht eine neue Wirtschaftskrise?
Firmenpleiten in Deutschland steigen rasant. Große Namen fallen. 125000 Jobs in Gefahr. Droht eine neue Wirtschaftskrise?
Bild: Till Krech from Berlin, Germany, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Experten glauben, dass die schlechte Situation in den nächsten Monaten so bleiben oder sogar schlimmer werden könnte. Laut dem Halbjahresbericht von Creditreform könnte es noch mehr Firmenpleiten geben. Grund dafür sind düstere Wirtschaftsaussichten für das aktuelle Jahr.

Ein Problem ist das schlechte Konsumklima aufgrund der hohen Inflation. Das führt dazu, dass Firmen weniger verkaufen und verdienen. Aber die Zinsen gehen hoch. Patrik-Ludwig-Hantzsch sagt: „Für eine zunehmende Anzahl an Unternehmen ist die Schuldentragfähigkeit schon unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr gegeben. Jede weitere Erhöhung des Zinsniveaus ist für die Unternehmensstabilität in Deutschland problematisch.“


Corona-Hilfen werden zum Bumerang: Große und mittlere Firmen sind am stärksten betroffen

Ein weiteres Problem ist, dass viele Firmen Schwierigkeiten haben, die Corona-Hilfen zurückzuzahlen. Patrik-Ludwig-Hantzsch sagt: „Die großzügig verteilten Staatsgelder der Vergangenheit werden zum Bumerang. Die Rückzahlung der Hilfen und teils verschleppten Anpassungen des Geschäftsmodells führen bei dauerhaft steigenden Zinsen in die finanzielle und wirtschaftliche Sackgasse.“

Diese Situation trifft das verarbeitende Gewerbe und den Handel besonders hart. Doch die meisten Pleiten passieren im Dienstleistungssektor, laut Creditreform.

Auffallend ist, dass besonders mittlere und große Firmen Pleite gehen. Von Januar bis Juni gab es etwa zwei Drittel mehr Pleiten bei Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Bei Firmen mit 51 bis 250 Mitarbeitern hat sich die Anzahl der Pleiten sogar um über 133 Prozent erhöht.

Große Namen fallen: Welle von Firmenpleiten bedroht 125.000 Jobs und kostet Milliarden

Mit mehr Firmenpleiten steigt auch der Schaden. Im ersten Halbjahr könnten Gläubiger wie Lieferanten oder Geldgeber etwa 13 Milliarden Euro verlieren. Das ist eine Erhöhung von etwa drei Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Jede Pleite könnte etwa 1,6 Millionen Euro kosten. Fast doppelt so viele Jobs sind in Gefahr. Bis jetzt sind 125.000 Arbeitnehmer im Jahr 2023 von der Pleite ihrer Firma betroffen.

Bekannte Beispiele sind Galeria Karstadt Kaufhof, Peek&Cloppenburg, Gerry Weber und Hallhuber sowie Reno. Auch die Bioladenkette Basic, der Herrenmodehersteller Ahlers und der Personaldienstleister Argo aus Hamburg haben Pleite angemeldet. Besonders im Handel und der Modebranche gibt es viele Änderungen.

Galeria Karstadt Kaufhof macht viele Filialen zu. Auch Gerry Weber macht dicht. Die Firma aus Halle in Westfalen hat gerade bekannt gegeben, dass sie 122 ihrer 171 Läden in Deutschland nicht mehr öffnen wird. Der Schuhhändler Reno macht auch fast alle Filialen zu, 150 von 180 müssen schließen.


Experten warnen: Pleiten-Anstieg ist nur die Spitze des Eisbergs – noch mehr Insolvenzen in Sicht

Obwohl die Zahl der Firmenpleiten stark ansteigt, sieht Creditreform darin keine Eskalation. Patrik-Ludwig-Hantzsch, der Experte von Creditreform, sagt: „Es handelt sich eher um eine Normalisierung.“ Er verweist dabei auf die Zeit der Corona-Pandemie, in der es trotz der schwierigen Wirtschaftslage auffällig wenige Pleiten gab.

Vor Corona gab es oft sogar mehr Pleiten im Halbjahr und auch die Anzahl der verlorenen Jobs war ähnlich.

Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) stimmt Hantzsch zu. Sie sprechen auch von einer „langsamen Normalisierung des Insolvenzgeschehens“ und dass die Zahlen wahrscheinlich weiter ansteigen werden.

„Wir beraten zurzeit mehr Firmen als sonst“, sagt Christoph Niering, der Chef vom VID. Die Baubranche, Automobilzulieferer und Einzelhändler haben besonders viele Probleme.

Krankenhäuser und Pflegeheime in der Krise: Die wachsende Schuldenlast bedroht die Gesundheitsbranche

Eine Studie der TU Dresden und der Beratungsgesellschaft Roland Berger bestätigt das. Sie sagt auch, dass diese drei Branchen gefährdet sind. „Firmen mit vielen Schulden haben es besonders schwer, weil die Zinskosten hoch sind. Außerdem sind Kredite teurer und es ist schwerer, sie zu bekommen. So können die Firmen ihre Kosten nicht mehr decken.“

Niering denkt auch, dass es mehr Pleiten bei Krankenhäusern und Pflegeheimen geben wird. Creditreform hat in der ersten Hälfte des Jahres schon mehrere Pleiten in dieser Branche verzeichnet, darunter die Krankenhausbetreiber Imland und Diako und den Pflegeheimbetreiber Convivo. „Nachdem die Corona-Hilfen für Krankenhäuser aufgehört haben, gibt die Bundesregierung weniger Geld“, erklärt der Insolvenzverwalter aus Köln. „Die Bundesregierung will die Krankenhauslandschaft verändern und nimmt dabei Pleiten in Kauf. Sie scheint Pleiten als Werkzeug zur Veränderung des Marktes zu sehen“, sagt Niering.

Zuletzt aktualisiert am Dezember 20, 2023 um 0:32 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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