Digitale Zahlungen in Europa basieren zunehmend auf ausländischer Infrastruktur. Mastercard, Visa und Paypal dominieren den Zahlungsverkehr – sowohl im Einzelhandel als auch im Onlinehandel. EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnt eindringlich vor dieser Abhängigkeit. Digitale Zahlungen müssten unter europäischer Kontrolle bleiben. „Wir müssen diese Verwundbarkeit mindern und sicherstellen, dass es ein europäisches Angebot gibt – für alle Fälle“, betont Lagarde.
US-Konzerne dominieren den europäischen Zahlungsverkehr
Die Europäische Zentralbank arbeitet an einem digitalen Euro als strategischer Antwort auf diese Abhängigkeit. Das Projekt soll Bürgern Zugang zu digitalem Zentralbankgeld verschaffen. Doch bis zur möglichen Einführung dürften noch mehrere Jahre vergehen. Gleichzeitig versuchen Banken aus Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden mit dem System „Wero“ eine europäische Alternative zu schaffen. Erste Handy-zu-Handy-Zahlungen funktionieren bereits. In der zweiten Jahreshälfte soll der Start im Onlinehandel erfolgen.

Dennoch bleibt Europa technologisch im Rückstand. Nur neun EU-Länder betreiben eigene Kartensysteme. In 13 weiteren Staaten laufen alle Kartenzahlungen ausschließlich über Visa oder Mastercard. Laut EZB-Daten entfielen im Jahr 2022 rund 60 Prozent der Kartenzahlungen in der Euro-Zone auf diese beiden US-Dienstleister. Besonders im Ausland benötigen Kunden diese Karten, da sie Zusatzfunktionen bieten, die nationale Systeme nicht leisten können. Damit bleibt der europäische Zahlungsverkehr abhängig von ausländischer Technik.
Deutschland zwischen Tradition und digitaler Abhängigkeit
In Deutschland ist die Girocard weiterhin weit verbreitet. Rund 100 Millionen Karten befinden sich im Umlauf. Dennoch greifen viele Banken, darunter ING, N26 und DKB, lieber auf Visa- oder Mastercard-Debitkarten zurück. Parallel zahlen viele Menschen noch immer gerne bar. Laut EHI-Studie lag der Baranteil bei rund 60 Prozent aller Transaktionen, jedoch nur bei 36 Prozent des Gesamtumsatzes.
Auch im digitalen Bereich beherrschen US-Konzerne das Geschehen. Paypal erzielt im deutschen Onlinehandel einen Marktanteil von knapp 28 Prozent. Mastercard und Visa liegen bei etwa elf Prozent. Zusätzlich spielt Apple Pay eine wachsende Rolle. Die Bezahldienste binden gängige Kreditkarten in ihre Plattform ein – gegen Gebühr. Auch das stärkt die Dominanz amerikanischer Anbieter im Zahlungsverkehr.
Geschäftskunden profitieren von europäischer Infrastruktur
Im Unternehmenssektor zeigt sich ein anderes Bild. Hier erfolgen Zahlungen meist über das europäische Sepa-System. Dieses Netzwerk umfasst 38 Länder und funktioniert unabhängig von US-Konzernen. „Der Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen innerhalb Europas läuft im Wesentlichen über Sepa-Überweisungen“, erklärt Sebastian Maus von der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman. Die Abhängigkeit besteht somit vor allem im privaten Konsumbereich.
Gleichzeitig wächst die Sorge vor politischen Eingriffen. Sollte sich der transatlantische Handelskonflikt verschärfen, könnten US-Behörden Einfluss auf die Zahlungsdienste ihrer Konzerne nehmen. Gregor Roth von der DZ Bank sieht durchaus die Möglichkeit, dass Washington Transaktionen über Mastercard oder Visa reguliert. Russland zeigt, was im Extremfall passiert: Kurz nach dem Einmarsch in die Ukraine stellten beide Anbieter dort ihren Dienst ein – auf politischen Druck.
Europas Antwort bleibt zögerlich
Visa und Mastercard erzielen den Großteil ihrer Erlöse außerhalb der USA – Europa zählt zu den wichtigsten Märkten. Visa erwirtschaftete zwei Drittel seines Nettoertrags im Ausland. Mastercard bezeichnet sich sogar als „Eckpfeiler der digitalen Wirtschaft Europas“. Dennoch entziehen diese Konzerne dem Kontinent erhebliche Gebühren. „Ein Teil davon wird zwar in Europa erwirtschaftet, aber letztlich aus Europa herausgezogen“, so EPI-Chefin Martina Weimert.
Ein verpflichtender Annahmezwang für europäische Bezahlverfahren könnte eine Wende einleiten. Weimert hält es für denkbar, Händlern vorzuschreiben, mindestens ein europäisches System zu akzeptieren – sowohl an der Ladenkasse als auch online. Erste Banken aus weiteren EU-Staaten zeigen bereits Interesse an Wero. Auch aus dem Handel kommen positive Signale. Doch solange sich nur wenige Länder beteiligen, bleibt Europas Zahlungsverkehr anfällig – politisch, technisch und wirtschaftlich.
Lesen Sie auch:
- Bundesbank warnt vor Problemen bei der Versorgung mit Bargeld
- CDU und SPD will Pflicht zur Kartenzahlung in bargeldintensiven Branchen einführen
- EU-Führerschein soll nur noch 15 Jahre gültig sein – neue Regeln für Gesundheit
- Kritische Sicherheitslücken bei elektronischen Patientenakten




