EU will Airlines zu Umwegen zur Vermeidung von Kondensstreifen zwingen

Die EU plant neue Vorschriften zur Vermeidung von Kondensstreifen. Flugzeuge sollen künftig gezielt Routenänderungen vornehmen, um die Bildung dieser künstlichen Eiswolken zu verhindern. Doch Experten zweifeln am Nutzen – und warnen vor massiven Nebenwirkungen. Der Luftfahrt drohen höhere Emissionen, operative Probleme und milliardenschwere Zusatzkosten auf Grundlage unsicherer Klimamodelle (welt: 16.07.25).


Kondensstreifen im Visier der Brüsseler Klimapolitik

Die EU sieht in Kondensstreifen einen unterschätzten Klimafaktor. Diese durch Abgase entstehenden Eiskristallwolken reflektieren Wärmestrahlung zurück zur Erde und tragen laut Studien erheblich zur Erderwärmung bei. Brüssel will Airlines deshalb zwingen, potenzielle Entstehungsgebiete zu umfliegen. Doch das System basiert auf meteorologischen Wahrscheinlichkeiten, nicht auf verlässlicher Vorhersagetechnik.

EU plant Änderung von Flugrouten zur Vermeidung von Kondensstreifen – Airlines kritisieren wissenschaftliche Unsicherheit
EU plant Änderung von Flugrouten zur Vermeidung von Kondensstreifen – Airlines kritisieren wissenschaftliche Unsicherheit

Zentrales Instrument der geplanten Regelung ist ein System mit dem Namen NEATS. Es soll sogenannte Nicht-CO₂-Effekte – wie Stickoxide, Schwefeldioxid und eben Kondensstreifen – in CO₂-Äquivalente umrechnen. Nach welchen Daten oder Modellen dies geschehen soll, ist unklar. Der Luftfahrtverband BDL warnt vor intransparenten Berechnungen und einer politischen Regulierung auf Schätzbasis. „Es wird mit konservativen Schätzwerten gearbeitet. Dadurch werden die Nicht-CO₂-Effekte künstlich schlechtgerechnet“, kritisiert BDL-Geschäftsführer Joachim Lang.

Milliardenkosten auf Verdacht

Bereits heute zahlt die Branche jährlich rund 2,9 Milliarden Euro für CO₂-Zertifikate. Durch die geplante Einbeziehung der Nicht-CO₂-Effekte könnten sich diese Kosten verdoppeln. Im Extremfall drohen Preisexplosionen auf das 40-Fache – selbst dann, wenn der tatsächliche Klimaschaden gar nicht nachweisbar ist.

Um der Regulierung vorzugreifen, testeten Lufthansa, Condor, Tuifly und DHL bereits freiwillige Umroutungen. Über 100 Flüge wurden dafür gezielt von den direkten Routen abgelenkt. Ziel war es, bekannte Kondensstreifenzonen zu meiden. Der Aufwand sei enorm gewesen, berichtet Lufthansa-Experte Michael Hopp. „Ob wir tatsächlich einen wärmenden Kondensstreifen vermieden haben, lässt sich heute noch gar nicht wissenschaftlich fundiert sagen.“

Klimapolitik mit Rechenlücken

Die geplanten Umwege führen nachweislich zu mehr CO₂-Ausstoß und längeren Flugzeiten. Im dichten europäischen Luftraum verschärfen sie bestehende Kapazitätsprobleme. Die Kontrolle über die tatsächliche Klimawirkung bleibt dabei lückenhaft. Denn selbst kleine Verzögerungen oder geänderte Wetterlagen können dazu führen, dass ein vermeintlich umweltfreundlicher Flug mitten durch ein Kondensstreifenfeld führt – so geschehen bei einem Condor-Flug mit nur 45 Minuten Verspätung.

DHL-Manager Ekkehard Gutt präsentierte bei einem Fachgespräch Karten, die ein riesiges Gebiet mit hoher Kondensstreifen-Wahrscheinlichkeit über Westeuropa zeigten. Eine Umfahrung solcher Zonen sei hochkomplex und kaum verlässlich planbar. „Wir haben eine Menge herausgefunden. Auch eine Menge Dinge, die wir noch nicht wissen.“


Politik gegen Praxis

Selbst Klimaforscher bestätigen die Unsicherheiten. Zwar zeigen Studien, dass ein Großteil der negativen Wirkung von wenigen Flügen stammt – doch deren präzise Identifikation ist technisch kaum möglich. Währenddessen verlangt die EU von Airlines ein Verhalten, das auf Vorhersagen basiert, die selbst für Supercomputer eine Herausforderung darstellen.

Sigrun Matthes vom DLR erkennt zwar ein großes Potenzial zur Reduktion der Klimawirkung durch gezielte Umfliegung. Laut ihren Analysen verursachen fünf bis zehn Prozent der Flüge rund 80 Prozent der wärmenden Kondensstreifen. Doch auch sie wurde nicht in die Gespräche mit der EU-Kommission einbezogen – obwohl sie zu den führenden Wissenschaftlerinnen auf diesem Gebiet zählt.

Blindflug mit Preisschild

Die Kritik wächst: Statt faktenbasierter Umweltpolitik droht ein Regulierungsexperiment mit enormen finanziellen Risiken. Die EU will Airlines für theoretische Klimaeffekte zur Kasse bitten – ohne belastbare Daten, ohne ein funktionsfähiges System und ohne operative Umsetzbarkeit. Klimaschutz verliert so an Glaubwürdigkeit und wird zur wirtschaftlichen Bedrohung für eine ganze Branche.

Lesen Sie auch:

Nach oben scrollen