EU-Recht droht staatliche Beihilfe für Gaskraftwerke zu kippen

Deutschlands Stromsystem steht vor einer entscheidenden Weichenstellung. Ein Gutachten der Kanzlei K&L Gates erklärt die geplante Beihilfe für neue Gaskraftwerke als möglicherweise unvereinbar mit EU-Recht – und damit gerät die Versorgungssicherheit des Landes in ernste Gefahr. Ohne staatliche Unterstützung finden sich keine Investoren, die in flexible Reservekraftwerke investieren. Doch ohne diese Anlagen droht die Energiewende aus dem Gleichgewicht zu geraten (handelsblatt: 09.10.25).


Ohne Beihilfe keine Investoren – ohne Gaskraftwerke kein Strompuffer

Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche hatte den Bau sogenannter Back-up-Kraftwerke zu einem Kernprojekt ihrer Amtszeit gemacht. Bis zu 20 Gigawatt Leistung sollen entstehen, um die Stromversorgung zu stabilisieren, wenn Wind und Sonne schwächeln. Das juristische Gutachten hält jedoch fest, dass die geplante Beihilfe mit EU-Recht kollidieren könnte. Die Autoren bemängeln, dass der tatsächliche Bedarf an neuen Gaskraftwerken nicht ausreichend nachgewiesen sei und Alternativen wie Großspeicher oder grenzüberschreitende Stromflüsse stärker berücksichtigt werden müssten.

Beihilfe für Gaskraftwerke droht am EU-Recht zu scheitern. Ohne Förderung steht Deutschlands Versorgungssicherheit auf dem Spiel
Beihilfe für Gaskraftwerke droht am EU-Recht zu scheitern. Ohne Förderung steht Deutschlands Versorgungssicherheit auf dem Spiel

In der Energiewirtschaft gilt jedoch als sicher: Ohne Beihilfe kein wirtschaftlicher Betrieb. Moderne Gaskraftwerke verursachen hohe Fixkosten, werden aber nur selten gebraucht. Für private Investoren ist das Risiko zu hoch, ohne staatliche Förderung Kapital zu binden. Bleibt die Beihilfe aus, entsteht kein Anreiz, neue Anlagen zu errichten – mit potenziell gravierenden Folgen für die Versorgungssicherheit.

Deutschlands Stromnetz droht instabil zu werden

Reiche betont seit Amtsantritt, dass die geplanten Kraftwerke entscheidend für den Erfolg der Energiewende sind. Sie sollen einspringen, wenn erneuerbare Energiequellen nicht genug liefern, und so die Lücke nach dem Kohleausstieg schließen. Ohne sie drohen Netzüberlastungen, Stromknappheit und Abhängigkeit von Importen. Die Versorgungssicherheit hängt damit direkt an der Umsetzung dieser Projekte.

Auch innerhalb der Union wächst die Sorge. Vertreter der Klimaunion kritisieren, die europäische Haltung gefährde Deutschlands Energiesicherheit. Sie fordern ein realistisches Konzept, das Marktmechanismen und Klimaziele miteinander verbindet, anstatt sie gegeneinander auszuspielen.

EU-Vorgaben gegen nationale Energieinteressen

Bereits die Vorgängerregierung hatte mit Brüssel über staatliche Beihilfe für Kraftwerkskapazitäten verhandelt. Damals ging es um rund 12,5 Gigawatt. Heute sind die Anforderungen an Stabilität und Klimaschutz deutlich höher. Laut Gutachtern verlangen die veränderten Marktbedingungen eine Neubewertung. Ohne gezielte Förderung droht der Markt zu versagen, weil sich flexible Reservekapazitäten nicht eigenständig finanzieren.

Ein Sprecher des Ministeriums betonte, man stehe „in engem Austausch mit der EU-Kommission“, um Rechtssicherheit zu schaffen. Doch je länger die Entscheidung dauert, desto größer wird die Unsicherheit der Investoren. Das Risiko besteht, dass Projekte verzögert oder ganz gestrichen werden – ein Szenario, das die Versorgungssicherheit akut gefährden könnte.


Umwelthilfe fordert Kurswechsel

DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner plädiert für mehr Fokus auf Speichertechnologien und erneuerbare Energien. Eine einseitige Ausrichtung auf fossile Gaskraftwerke passe nicht mehr in die Zeit. Doch Energieexperten widersprechen: Speicher allein reichen kurzfristig nicht aus, um Lastspitzen abzufedern. Ohne Gaskraftwerke entsteht eine gefährliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage – und damit eine Bedrohung für die Energiewende.

Für Reiche bleibt das Projekt ein Balanceakt. Sie braucht die Beihilfe, um Investoren zu gewinnen, darf dabei aber die europäischen Wettbewerbsregeln nicht verletzen.

Politische Brisanz nimmt zu

Das Gutachten entfacht eine Debatte, die weit über juristische Fragen hinausgeht. Es betrifft die Stabilität der gesamten deutschen Energiewende. Ohne neue Gaskraftwerke droht eine gefährliche Stromlücke – und ohne Beihilfe kein Investor, der bereitsteht, sie zu schließen. Damit hängt die Versorgungssicherheit Deutschlands an einer rechtlichen Entscheidung in Brüssel.

Für Reiche steht mehr auf dem Spiel als ein einzelnes Förderprogramm: Sollte die EU-Kommission die Beihilfe untersagen, verliert Deutschland nicht nur wichtige Reservekapazitäten, sondern auch das Vertrauen der Energiebranche. Dann könnten selbst ambitionierte Klimaziele an einem simplen, aber zentralen Faktor scheitern – der Sicherheit der Stromversorgung.

Lesen Sie auch:

Nach oben scrollen