Das Ergebnis der Wahl in Norwegen bestimmt nicht nur die nächste Regierung in Oslo. Es beeinflusst direkt Europas Energiezukunft. Norwegen liefert enorme Mengen an Gas, Öl und Strom an die EU. Doch politische Konflikte über Stromexporte gefährden diesen Fluss. Damit rückt die Gefahr einer Energiekrise näher, während die Bildung einer stabilen Koalition schwieriger erscheint (energyvoice: 05.09.25).
Machtbalance nach der Wahl
Im Storting, dem norwegischen Parlament, sitzen 169 Abgeordnete. Die Arbeiderpartiet hält 48 Sitze und führt seit 2021 die Regierung unter Premierminister Jonas Gahr Støre. Umfragen deuten ein knappes Rennen an. Da bis zu neun Parteien den Einzug schaffen, braucht jede Koalition mehrere Partner. Linksgerichtete Kräfte wie Zentrum, Sozialisten, Grüne und Rote müssten sich zusammenschließen. Doch ihre Vorstellungen über Stromexporte und Klimapolitik unterscheiden sich stark.

Die konservativen Parteien Høyre und Fortschrittspartei setzen dagegen auf fossile Expansion. Linke Parteien wollen Begrenzungen bei Öl- und Gasprojekten. Eine tragfähige Koalition gelingt daher nur mit Zugeständnissen – und das Ergebnis der Wahl entscheidet, wie weit diese reichen.
Streitpunkt Stromexporte
Norwegen erzeugt fast seinen gesamten Strom aus Wasserkraft. Diese saubere Energie ist für viele EU-Staaten unverzichtbar. Gleichzeitig belasten Preisschwankungen die norwegischen Haushalte. Experten verknüpfen die Stromexporte nach Europa direkt mit steigender Volatilität im Inland.
Trygve Slagsvold Vedum von der Zentrumspartei erklärte: „Norwegen muss nationale Kontrolle über die Stromexporte behalten. Die EU darf nicht immer größere Teile unserer Energiepolitik bestimmen.“ Schon Anfang des Jahres zerbrach eine Koalition an diesem Konflikt. Die Wahl verstärkt diesen Druck zusätzlich.
EU-Vorgaben und nationale Politik
Das Parlament hat Teile des vierten EU-Energiepakets in nationales Recht aufgenommen. Doch viele Parteien fordern strengere Beschränkungen für Stromexporte. Damit droht ein Konflikt mit dem europäischen Binnenmarkt.
Die Arbeiderpartiet versucht, Verbraucher zu entlasten. Mit dem „Norgespris“ existiert ein Modell für feste Tarife. Zudem kündigte die Partei an, bis 2029 keine neuen Kabelprojekte vorzulegen. Diese Linie beeinflusst die Wahl und verschärft die politische Unsicherheit in Norwegen.
Öl, Gas und die Energiekrise
Neben Stromexporten prägen Öl- und Gaserlöse die Politik. Allein Gasexporte nach Großbritannien bringen mehr als zwölf Milliarden Pfund. Ohne diese Einnahmen wäre das norwegische Sozialsystem gefährdet.
Doch Klimaziele erzeugen wachsenden Druck. Grüne und Sozialistische Linke lehnen neue Förderlizenzen ab. Die Fortschrittspartei kritisiert sogar die Elektrifizierung von Offshore-Anlagen als „Greenwashing“. Eine konservative Koalition stärkt fossile Projekte, während eine linke Regierung sie eher bremst. Das Ergebnis der Wahl entscheidet damit über den Kurs im gesamten Energiesektor.
Produktionsrückgang bedroht Norwegen
Ein weiteres Problem betrifft die Fördermengen. Ohne neue Felder sinkt die Produktion ab 2030 stark. Die Offshore-Behörde ruft deshalb zu mehr Investitionen auf. Direktorin Kjersti Dahle warnte: „Wir müssen die Anstrengungen steigern, sonst droht ein rapider Rückgang.“
Funde wie Omega Alfa im Yggdrasil-Gebiet zeigen zwar Potenzial, doch Experten betonen, dass Projekte dieser Größenordnung Standard werden müssten. Deshalb eröffnete die Regierung eine neue Lizenzrunde. Ohne zusätzliche Quellen könnte eine Energiekrise für Norwegen und Europa gleichermaßen Realität werden.
Europäische Abhängigkeit und Koalition
Europa setzt seit Russlands Angriff auf die Ukraine stark auf Norwegen. Die EU plant, russische Gasimporte bis 2027 vollständig zu beenden. Ohne stabile norwegische Stromexporte und Gaslieferungen geraten viele Energiestrategien ins Wanken.
Innenpolitische Konflikte und schwierige Koalitionsverhandlungen verstärken die Unsicherheit. Einerseits gilt Norwegen als „sicherer Hafen in stürmischen Zeiten“. Andererseits zwingt das Ergebnis der Wahl das Land, zwischen nationalen Interessen und europäischen Verpflichtungen zu balancieren.
Ein Land am Scheideweg
Die Wahl am 8. September entscheidet über Mehrheiten und damit über die Richtung der Energiepolitik. Stromexporte, Öl- und Gasförderung und Klimaziele hängen direkt von der neuen Koalition ab. Norwegen muss seine Interessen mit denen Europas in Einklang bringen. Jede Entscheidung in Oslo beeinflusst die Versorgungssicherheit des Kontinents – und könnte im schlimmsten Fall eine Energiekrise auslösen.
Lesen Sie auch:
- Schwimmende Atomkraftwerke: Norwegen startet maritimes Energieprojekt
- Windkraft reißt norwegischen Energiekonzern Statkraft tief in die roten Zahlen
- Norwegens Staatsfonds greift nach Deutschlands größtem Stromnetz
- Equinor setzt in Norwegen wieder mehr auf Öl und Gas und weniger in erneuerbare Energien