Die deutsche Industrie befindet sich in einer Phase tiefgreifender Veränderungen, die von massiven Entlassungen und Stellenabbau geprägt ist. Nicht nur bei Volkswagen, dem größten deutschen Automobilhersteller, zeichnet sich dieser Trend ab – auch große Konzerne wie ZF, Bosch und Bayer sind betroffen. Werksschließungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland und die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen bestimmen die Nachrichten. Während VW im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, sind die Entlassungen in anderen Unternehmen längst Alltag. Die strukturellen Probleme der Industrie, kombiniert mit geopolitischen und ökonomischen Herausforderungen, führen dazu, dass immer mehr Arbeitsplätze auf der Kippe stehen (focus: 09.09.24).
Deutsche Autoindustrie vor radikalem Umbruch: Tausende Jobs bei VW und ZF gefährdet
Volkswagen ist eines der prominentesten Beispiele für den Stellenabbau in der deutschen Industrie. Der Autobauer kämpft mit sinkenden Verkaufszahlen, was zu einem deutlichen Rückgang der operativen Marge geführt hat. Diese liegt bei gerade einmal 2,3 Prozent, was weit hinter den Erwartungen von Unternehmenschef Oliver Blume zurückbleibt. Blume hat sich zum Ziel gesetzt, eine Marge von acht bis zehn Prozent zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sind Entlassungen und Werksschließungen nahezu unvermeidlich geworden. Trotz eines Gewinns von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 reichen die Einnahmen nicht aus, um die geplanten Investitionen in die Elektromobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren zu finanzieren. Die kommenden Jahre erfordern Investitionen in Milliardenhöhe, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei ZF Friedrichshafen, einem der führenden Automobilzulieferer. Bis 2028 plant das Unternehmen, rund 14.000 Stellen abzubauen. Auch hier spielen Kostendruck und die Verlagerung der Produktion ins Ausland eine zentrale Rolle. ZF steht vor der Herausforderung, sich auf die veränderten Anforderungen der Automobilbranche einzustellen, insbesondere auf den Übergang zur Elektromobilität. Die Herstellung von Produkten wie Antriebssystemen und Stoßdämpfern wird in Ländern mit niedrigeren Produktionskosten zunehmend attraktiver. Gleichzeitig belasten hohe Lohnnebenkosten, Bürokratie und Regulierungen in Deutschland das Unternehmen.
Bosch und BASF im Krisenmodus: Tausende Jobs bedroht, Produktion wandert ins Ausland
Neben VW und ZF ist auch Bosch, der weltgrößte Autozulieferer, von Entlassungen betroffen. Bosch muss sich angesichts des nahenden Auslaufens des Verbrennungsmotors strategisch neu aufstellen. Viele der bisherigen Produkte, die für den Betrieb von Verbrennungsmotoren essenziell waren, werden in der Elektromobilität nicht mehr benötigt. Obwohl Bosch in die Elektrosparte investiert, kann das Wachstum dieser neuen Technologien den Rückgang der traditionellen Geschäftsfelder nicht schnell genug ausgleichen. Weltweit sind mehr als 3.000 Arbeitsplätze bedroht, während das Unternehmen gleichzeitig massiv in Asien investiert, um dort neue Arbeitsplätze zu schaffen. Bosch passt sich somit den globalen Marktveränderungen an und konzentriert sich auf die Regionen, in denen die Nachfrage nach ihren Produkten wächst.
Auch bei BASF, dem größten Chemieunternehmen der Welt, führen hohe Energiekosten, bürokratische Hürden und Steuerlasten zu tiefgreifenden Veränderungen. In Ludwigshafen, dem Stammsitz des Unternehmens, werden ganze Produktionsanlagen geschlossen. Betroffen sind unter anderem die Herstellung von Ammoniak, Schaumstoffen und Kunststoffvorprodukten. Entlassungen sind unvermeidlich, da das Unternehmen die Produktion ins Ausland verlagert – vor allem nach China, wo BASF an einem gigantischen neuen Verbundstandort arbeitet.
Schwerindustrie ebenfalls von Entlassungen betroffen
Auch die deutsche Schwerindustrie bleibt von Entlassungen nicht verschont. Thyssenkrupp, einer der größten Stahlproduzenten des Landes, kämpft seit Jahren mit wirtschaftlichen Problemen. Besonders die Tochtergesellschaft Thyssenkrupp Stahl ist in einer tiefen Krise, die bereits Tausende Arbeitsplätze gekostet hat. Der autoritäre Führungsstil des Konzernchefs Miguel Lopez verschärft die Situation weiter, indem er Führungskräfte vergrault oder entlässt. Die Hoffnungen des Unternehmens ruhen auf EU-Geldern für eine „grüne“ Stahlproduktion, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden soll. Doch ob dieses Modell langfristig tragfähig ist, bleibt ungewiss. Aktuell stehen rund 27.000 Arbeitsplätze in der Stahlsparte auf dem Spiel.
Der Stellenabbau in der Schwerindustrie geht jedoch noch weiter. Thyssenkrupp versucht, sein Kerngeschäft durch den Verkauf von anderen Unternehmensbereichen zu retten. Das Stahlgeschäft soll dadurch auf eigene Beine gestellt werden. Nach der Entlassung des Top-Managements in der Stahlsparte ist die Zukunft des Unternehmens jedoch ungewiss. Der Aufsichtsrat äußerte scharfe Kritik am bisherigen Management und sprach von „Unfähigkeit“. In einer Branche, die ohnehin im Krisenmodus arbeitet, könnte diese Instabilität zu weiteren Entlassungen führen.
Entlassungen und Werkschließungen prägen die Zukunft der deutschen Industrie
Die Beispiele von Volkswagen, ZF, Bosch, BASF und Thyssenkrupp verdeutlichen, dass die deutsche Industrie vor enormen Herausforderungen steht. Entlassungen, Stellenabbau und Werksschließungen sind nicht nur das Ergebnis von wirtschaftlichen Zwängen, sondern auch von geopolitischen Umbrüchen und regulatorischen Entscheidungen. Insbesondere das „Verbrenner-Aus“ und andere EU-Regulierungen setzen Unternehmen massiv unter Druck, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Dabei treffen die Veränderungen nicht nur große Konzerne, sondern auch viele kleine und mittelständische Zulieferer, die oft noch stärker von den Folgen betroffen sind.
Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, ob die deutsche Industrie diesen Wandel bewältigen kann. Die Entlassungen, die derzeit Schlagzeilen machen, sind nur der Anfang eines tiefgreifenden strukturellen Wandels. Viele Unternehmen müssen ihre globalen Strategien überdenken und ihre Produktionsstandorte neu ausrichten. Dabei steht nicht nur die Zukunft einzelner Unternehmen, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität ganzer Regionen auf dem Spiel. Deutschland, das lange Zeit als industrielle Hochburg galt, sieht sich mit der größten Herausforderung seit Jahrzehnten konfrontiert: den Spagat zwischen Innovation, Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Effizienz zu meistern – ohne dabei noch mehr Arbeitsplätze zu verlieren.
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