Energiekrise im Anmarsch – Deutschland droht Abhängigkeit von teurem Importstrom

Die Sorge vor einer neuen Dunkelflaute im Winter nimmt zu. Schon 2024 musste Deutschland enorme Stromimporte tätigen, um Engpässe zu vermeiden. Diese Entwicklung zeigt die wachsende Abhängigkeit vom Ausland. Teure Energieimporte, steigende Strompreise, schwindende Versorgungssicherheit und die Gefahr eines neuen Energieengpasses verschärfen die Lage. Die Energieabhängigkeit hat sich zu einem zentralen Risiko für Industrie und Verbraucher entwickelt (merkur: 24.10.25).


Steigende Abhängigkeit durch schwache Eigenproduktion

Laut Energieökonom Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut produziert Deutschland deutlich weniger Strom, als es verbraucht. Die inländische Erzeugung kann den Bedarf kaum decken. Das Land importierte 2024 rund 11,7 Terawattstunden Strom – doppelt so viel wie im Vorjahr. Hauptlieferant blieb Frankreich, dessen Atomkraftwerke die Lücke füllen. Ohne diese Energieimporte wäre die Energieversorgung bereits ins Wanken geraten.

Deutschlands Abhängigkeit bei der Stromversorgung wächst - mehr Stromimporte, steigende Strompreise und sinkende Versorgungssicherheit
Deutschlands Abhängigkeit bei der Stromversorgung wächst – mehr Stromimporte, steigende Strompreise und sinkende Versorgungssicherheit drohen

Diese Abhängigkeit treibt die Energiekosten in die Höhe. In Spitzenzeiten müssen Versorger Strom zu Höchstpreisen einkaufen, während günstig erzeugter Strom ins Ausland fließt. Damit zahlt Deutschland oft drauf – ein Ungleichgewicht, das die Versorgungssicherheit gefährdet und den Binnenmarkt an seine Grenzen bringt.

Importkosten explodieren – Bundesnetzagentur warnt

Offiziell existierte 2024 keine Versorgungslücke, doch die Bilanz zeigt ein anderes Bild. Deutschland bezog teuren Strom aus dem Ausland und exportierte gleichzeitig billigere Energie. Dieses Missverhältnis verursachte Milliardenverluste. Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erklärte das mit dem europäischen Binnenmarkt, der Energie dort kauft, wo sie billiger produziert wird. Doch in der Praxis funktioniert das Prinzip nur eingeschränkt.

In Zeiten hoher Nachfrage steigen die Strompreise drastisch, während überschüssige Energie zu Niedrigpreisen exportiert wird. Selbst die Bundesnetzagentur beurteilt diese Sichtweise kritisch: Der Binnenmarkt ermögliche zwar Handel, sichere aber weder stabile Preise noch eine verlässliche Energieversorgung. Die wachsende Abhängigkeit von Importstrom schwächt die Position Deutschlands im europäischen Energiesystem.

Dunkelflaute bleibt Dauergefahr

Dunkelflauten – oder Energieengpässe – treten im Winter regelmäßig auf. Zwei bis zehnmal im Jahr sinkt die Stromproduktion aus Wind und Sonne deutlich. In solchen Phasen fehlen Alternativen, weil Speichertechnologien und flexible Kraftwerke fehlen. Das Gegenteil ist die sogenannte Hellbrise, wenn übermäßige Produktion den Markt kurzfristig entspannt. Doch die Balance bleibt fragil.

Ohne stabile Reservekapazitäten droht das Netz instabil zu werden. Die Bundesnetzagentur fordert daher zusätzliche Kraftwerke mit 12,5 bis 25,6 Gigawatt Leistung. Diese Anlagen sollen die Versorgungssicherheit in Krisenzeiten stützen und die Energieabhängigkeit verringern.

Neue Gaskraftwerke als Rettungsanker?

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf Gaskraftwerke, um die Lücke zu schließen. Bis 2030 sollen 20 Gigawatt an neuer Kapazität entstehen. Doch Brüssel könnte den Ausbau auf 12 Gigawatt begrenzen. Damit bliebe Deutschland weiterhin stark von Importen abhängig. Vertreter der Union warnen, dass ohne ausreichende Backup-Systeme selbst kurzfristige Energieengpässe zum Risiko für die Energieversorgung werden könnten.

Als Alternative rückt die Kohlekraft wieder in den Fokus. Energiepolitiker Andreas Lenz hält sie vorübergehend für unverzichtbar, bis ausreichend neue Anlagen existieren. Er verweist darauf, dass Erneuerbare zwar oft mehr Strom liefern, in windarmen Phasen aber zu wenig.


Energiewende mit hohem Preis

Die Energiewende zeigt Fortschritte, doch die Realität bleibt widersprüchlich. 2010 stammten noch 60 Prozent des Stroms aus Gas- und Kohlekraftwerken, rund 20 Prozent aus Kernenergie. Heute dominieren erneuerbare Quellen, aber sie liefern nicht konstant. Ohne ausreichende Speicher wächst die Abhängigkeit von teuren Energieimporten.

Die Folge: höhere Energiekosten, geringere Versorgungssicherheit und ein wachsender Druck auf die Wirtschaft. Nur ein stabiler Energiemix mit verlässlichen Back-up-Systemen kann verhindern, dass Deutschland dauerhaft von ausländischem Strom abhängig bleibt – eine Spirale, die die nationale Energieversorgung zunehmend belastet.

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