Im badischen Murgtal gibt es eine von drei Teststrecken für Oberleitungslastwagen, die rund 200 Millionen Euro gekostet haben. Sie sollten die Zukunft des Güterverkehrs mit Elektromobilität repräsentieren, doch das Projekt endet in Kürze. Kabel verhinderten die Landung von Rettungshubschraubern, aufgewirbeltes Streusalz unterbrach die Stromversorgung. Nur noch bis Jahresende verkehren elektrische Lkw auf dieser Strecke im Landkreis Rastatt. Danach ist Schluss mit dem Testbetrieb. Die finanzielle Unterstützung durch das Bundeswirtschaftsministerium endet ebenfalls. Im kommenden Jahr erfolgt die wissenschaftliche Auswertung der gewonnenen Daten. Gleichzeitig wird die Teststrecke abgebaut (bnn: 03.10.24).
Ein missglücktes Projekt
Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen zeigt sich enttäuscht über das Aus der Oberleitungslastwagen im Murgtal. Laut seiner Aussage wäre es ein starkes Zeichen gewesen, wenn der Bund die vielversprechende Technologie weiter unterstützt hätte. Es wäre eine Chance gewesen, auf einer längeren Strecke mehr Praxiserfahrung zu sammeln. Auf den elektrifizierten Abschnitten erkennen Sensoren die Oberleitungen, Stromabnehmer verbinden den Lkw mit der Leitung und versorgen den Elektromotor. Gleichzeitig wird die Batterie aufgeladen. Verlässt der Lkw die Strecke, schaltet er auf Batteriebetrieb oder Diesel um.
Das Projekt im Murgtal war eines von drei Versuchen. Weitere Strecken befinden sich in Schleswig-Holstein und Hessen. Für die Teststrecken wurde entlang der Straßen ein Netz aus Masten errichtet, das zwei Oberleitungen mit 750 Volt Gleichstrom trägt. Diese komplexe Infrastruktur sorgt für reichlich Diskussionen.
Klimaschutz als Ziel
Der Hintergrund für diese Projekte liegt im „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ der Bundesregierung. In diesem Rahmen wurde unter anderem beschlossen, elektrische Antriebe bei schweren Nutzfahrzeugen zu testen. Ziel des Projektes „LiVePLuS“ ist es, die Emissionen und Lebenszykluskosten im Schwerlastverkehr zu reduzieren. Die Entwickler konzipierten einen modularen Baukasten, der einen batterieelektrischen Antrieb mit einem Pantographen-Oberleitungssystem kombiniert. Sie bauten hierfür zwei Prototypenfahrzeuge mit vollelektrischem Antriebssystem und Pantographen.
Allerdings erwies sich die Umsetzung als sehr aufwendig. Ein dichtes Netz aus Kabeln und Masten prägt nun das Bild entlang der Autobahn. Rettungshubschrauberpiloten betrachten das als Sicherheitsrisiko. Oberleitungen über tausende Kilometer hinweg zu installieren, erscheint vielen Experten von Anfang an als undurchführbar. Daimler-Truck-Chef Martin Daum merkte schon früh an, dass die Planungsverfahren dafür hochkomplex und langwierig seien. Zudem würde eine solche Lösung den Speditionen die benötigte Flexibilität im Güterverkehr nehmen.
Kritik von allen Seiten
Die FDP-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg kritisierte das Projekt von Beginn an. Der verkehrspolitische Sprecher, Dr. Christian Jung, hob hervor, dass die Bevölkerung im Murgtal die Teststrecke mehrheitlich ablehnt. Er fordert, die Teststrecke aus Sicherheitsgründen so schnell wie möglich abzubauen. Besonders betonte er das Risiko, das von den Oberleitungen ausgeht. So konnte nach einem Unfall auf der eWayBW-Teststrecke ein Rettungshubschrauber nicht landen, was die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigte.
Forschung profitiert
Trotz des Scheiterns des Projekts profitieren einige Institutionen finanziell davon. Das millionenschwere Begleitforschungsprojekt „BOLD“ fördert mehrere grüne Institute. Das Fraunhofer ISI, das ifeu-Institut und das Öko-Institut werden für ihre Forschung großzügig unterstützt und liefern die wissenschaftlichen Berichte, die das Projekt als Erfolg darstellen sollen. Professor Arnd Stephan von der TU Dresden bezeichnete die Oberleitungen sogar als „High Tech“. Doch auch diese Technologie scheiterte letztlich am Streusalz.
Das Projekt, einst als Zukunftsvision gefeiert, endet mit viel Kritik und offenen Fragen zur Machbarkeit und Sicherheit solcher Systeme.
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