Ein stiller Abschied vom Hochofen 9 markiert in Duisburg den Beginn eines neuen Kapitels der Stahlproduktion. Der traditionsreiche Stahlofen von Thyssenkrupp erlosch ohne großen Lärm – doch die Folgen reichen weit über das Ruhrgebiet hinaus. Der Stahlkonzern kämpft mit sinkender Nachfrage und verändertem Marktumfeld, während sich die Branche neu erfinden muss. Grünstahl und klimafreundlicher Stahl stehen als Hoffnungsträger bereit, aber der Wandel bleibt riskant (waz: 23.10.25).
Wandel am Hochofen-Standort
Am Abend des 22. Oktober floss zum letzten Mal Roheisen durch den Hochofen. Kurz darauf herrschte Stille. Nur eine kleine Gruppe von Beschäftigten war vor Ort, als ein Stück Industriegeschichte endete. Am nächsten Morgen zeigte die IG Metall ein Bild der erloschenen Anlage – Symbol für einen Wandel, der die Zukunft der Stahlproduktion in ganz Europa betrifft.

Thyssenkrupp hatte schon im September auf die schwierige Lage hingewiesen. Der Stahlkonzern muss Kapazitäten anpassen, weil Aufträge aus der Automobilindustrie ausbleiben. Wenn bei Volkswagen weniger Fahrzeuge entstehen, spürt Duisburg das unmittelbar. Der einstige Motor des Ruhrgebiets steht vor der Herausforderung, sich neu zu definieren.
Strukturwandel im Ruhrgebiet
Ali Güzel, langjähriger Betriebsrat, blickt besorgt auf die Entwicklung. Er sieht leere Auftragsbücher und ungenutzte Hochöfen. Hoffnung auf eine rasche Erholung der Eisenerzeugung existiert kaum. Bereits vor einem Jahr kündigte das Management an, zwei der vier Anlagen im Duisburger Norden stillzulegen – darunter den bunten Hochofen 8. In Sichtweite der Konzernzentrale endet damit ein prägendes Kapitel industrieller Stärke.
Der Hochofen 9 stammt ursprünglich aus dem Jahr 1962, seine aktuelle Form existiert seit 1987. Jahrzehntelang galt der Stahlofen als Herzstück des Werks. Nun verliert Duisburg, einst das Zentrum deutscher Stahlproduktion, ein weiteres Wahrzeichen. Rund 1600 Arbeitsplätze sollen bis 2029 entfallen, wie der Stahlkonzern angekündigt hat.
Zukunft mit Grünstahl
Parallel zum Rückbau alter Anlagen wächst die Hoffnung auf klimafreundlicher Stahl. Die neue DRI-Anlage soll das Herzstück der nachhaltigen Stahlproduktion werden. Doch die Fertigstellung verzögert sich. „Ein festes Datum existiert noch nicht“, erläuterte Projektleiter Ulrich Greiner Pachter. Nach grober Schätzung dauern die Arbeiten noch zwei Jahre. Erst danach kann auch Hochofen 8 endgültig abgeschaltet werden.
Während die Planungen laufen, bleibt unklar, ob Duisburg dauerhaft seine führende Rolle im europäischen Stahlmarkt behält. Viele hoffen auf einen Neuanfang mit Grünstahl, andere fürchten, dass der Strukturwandel Arbeitsplätze und Identität kostet.
Abschied von der glühenden Vergangenheit
Mit dem Erlöschen des Hochofens endet auch ein Symbol des Ruhrgebiets. Wo früher Feuer loderten, herrscht heute Stille. Der Übergang von der traditionellen Eisenerzeugung hin zu moderner Technologie verdeutlicht, wie stark sich die Industrie verändert. Am Morgen nach dem letzten Abstich stieg noch etwas Dampf auf, wenige Stunden später war der Hochofen völlig abgekühlt.
So bleibt Duisburg ein Sinnbild für den Wandel im deutschen Stahlsektor: zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Tradition und Innovation. Der Hochofen 9 mag schweigen, doch sein Erbe prägt die Geschichte des Ruhrgebiets weiter.
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