In Deutschland können Unternehmen bei der Deutsche-Bahn-Tochter DB-Cargo einzelne Güterwaggons zum Transport ihrer Waren mieten. Noch, den DB Cargo überdenkt jetzt dieses defizitäre Angebot und will die Vermietung einzelner Waggons komplett einstellen (Handelsblatt: 14.07.23). Das widerspricht dem Plan der Ampelregierung, die mit der Erhöhung der LKW-Maut eigentlich mehr Güter von der Straße auf die Schiene bringen will.
Deutsche Bahn prüft Kürzungen bei DB Cargo – tausende Arbeitsplätze in Gefahr
Die Güterbahnchefin der Deutschen Bahn, Sigrid Nikutta, denkt darüber nach, das Angebot von Einzelwagenbuchungen fast komplett zu beenden. Diese Information stammt aus dem Aufsichtsrat des Staatsunternehmens.
DB Cargo hat finanzielle Probleme. Im Jahr 2022 gab es einen Verlust von 655 Millionen Euro. In diesem Jahr soll der Verlust auf 225 Millionen Euro sinken. Für 2024 plant die Firma, wieder Gewinn zu machen, indem sie spart, die Auslastung verbessert und weitere Unterstützung vom Staat bekommt.
Doch es ist nicht sicher, ob das genug ist. Europa-Betriebsratschef Jörg Hensel spricht von einem Plan B. Laut diesem könnten bis zu 8400 von 30.000 Angestellten ihren Arbeitsplatz verlieren, sollte die Bahn den Einzelwagenverkehr stark einschränken oder beenden.
„Der Plan B hat folgenden Inhalt: Von aktuell etwa 1000 Güterverkehrsstellen sollen nur 100 bestehen bleiben“, so Hensel. Bei den Einrichtungen, die Einzelwagen zu Zügen verbinden, könnte es starke Kürzungen geben. Von 144 dieser Stationen könnten nur zehn erhalten bleiben. Laut dem Dokument sollen nur noch Aufträge von Kunden aus den Bereichen Stahl, Auto und Chemie angenommen werden. Alle anderen bekommen keinen Service mehr, so Hensels Beschreibung des Nikutta-Plans.
Krisengespräche bei DB Cargo: Bedroht „Plan B“ den essenziellen Einzelwagenverkehr?
Ein DB-Sprecher wollte zu diesem Thema nicht Stellung nehmen. Insider des Konzerns erwähnen jedoch, dass ein „Plan B“ besprochen wird. Eine endgültige Entscheidung steht aus und könnte im Herbst fallen.
Einzelwagenverkehr ist für Container und Gefahrgut essenziell. Wenn das Angebot reduziert wird, wären viele deutsche Unternehmen verärgert. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stellt der Einzelwagenverkehr auf der Schiene eine zentrale Säule vieler deutscher Hauptindustrien dar und ist ein Unikat des deutschen Industriestandortes.
Der Transport mit Einzelwagen ist besonders für Container und Gefahrgut wichtig. Er hilft, mehr CO₂ einzusparen als der Lkw-Transport.
Allerdings ist dieser Service aufwendig und kostspielig. Deshalb bieten viele DB-Konkurrenten nur Ganzzüge an. Obwohl diese Konkurrenten insgesamt 54 % des gesamten Schienengütertransports abwickeln, haben sie nur 10 % Marktanteil im Einzelwagenverkehr. Im Gegensatz dazu macht DB Cargo 40 % ihrer Transporte mit Einzelwagen.
DB Cargo in der Zwickmühle: EU-Druck, Riesenverluste und die umstrittene Zukunft des Einzelwagenverkehrs
Die Bahn sammelt Waggons von den Absendern ein und koppelt sie in Rangierbahnhöfen. Da automatische Verbindungen noch nicht üblich sind, müssen Rangierer zwischen den Waggons klettern und diese mit schweren Bügeln und Schrauben manuell verbinden.
Bevor ein Zug losfährt, müssen seine Bremsen und die Waggons überprüft werden. Der Einzelwagenverkehr hat die Verluste von DB Cargo vergrößert. Konzernbetriebsratschef Jens Schwarz bezeichnet es als „Ein Himmelfahrtskommando“, dass DB Cargo plant, im nächsten Jahr keinen Verlust zu machen. Er glaubt, dass es in so kurzer Zeit nicht machbar ist.
Für 2023 scheint dieses Ziel schwierig. Im ersten Halbjahr verzeichnete DB Cargo einen Verlust von 188 Millionen Euro, so Informationen des Handelsblatts. Verschiedene Probleme, wie Baustellen während der Osterzeit, Streiks, weniger Aufträge wegen Wirtschaftsflaute und sinkende Dieselpreise, die Lkws begünstigen, belasten den Schienengüterverkehr. Die Bahn möchte zu diesen Zahlen keine Stellung nehmen.
Der DB-Vorstand spürt enormen Druck aus Brüssel. Die EU-Kommission hat ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland gestartet. Margrethe Vestager, die Wettbewerbskommissarin, ist nicht zufrieden, weil Deutschland seit einem Jahrzehnt die hohen Verluste im DB-Güterverkehr mit Subventionen deckt. Die EU-Kommission untersucht auch, ob die Cargo-Tochter der DB von Vergünstigungen und internen Krediten des Konzerns profitiert.
Subventionen unter Beschuss: Lineas vs. Deutsche Bahn
Der Auslöser für das EU-Verfahren war eine Beschwerde des belgischen Bahnbetreibers Lineas. Dieser Gütertransporteur, früher bekannt als „B-Cargo“, wurde 2015 von den belgischen Eisenbahnen getrennt und gehört nun hauptsächlich einer Private-Equity-Firma aus Paris.
Lineas, jetzt der größte private Schienengütertransporteur in Europa, kritisiert Subventionen für staatliche Konkurrenten. In Frankreich führte Lineas‘ Beschwerde dazu, dass die staatliche Güterbahn Fret SNCF sich möglicherweise auflösen muss.
Die Deutsche Bahn verteidigt sich gegen Vorwürfe aus Brüssel und betont den Beitrag von Einzelwagen-Güterzügen zur Verkehrswende. Ein Güterzug kann 52 Lkw ersetzen. Laut Handelsblatt-Berechnungen wäre der CO₂-Ausstoß in Deutschland ohne den Einsatz des Einzelwagenverkehrs der DB um 2,5 Millionen Tonnen höher.
Die Deutsche Bahn hofft auf Unterstützung aus Berlin. Der kürzlich vom Bundeskabinett genehmigte Haushaltsplan enthält 300 Millionen Euro für den Einzelwagenverkehr im nächsten Jahr. Das sind 50 Millionen weniger als gewünscht, aber 220 Millionen mehr als 2023.
Zukunft des Einzelwagenverkehrs: Technologie, Finanzierungsherausforderungen und Hoffnung auf EU-Unterstützung
Joachim Berends, Vizepräsident des Branchenverbands VDV, lobt die Finanzierung. Ein Sprecher der Deutschen Bahn zeigt sich ebenfalls optimistisch: „Die Politik erkennt die Bedeutung des Einzelwagenverkehrs, wie der Haushaltsplan zeigt.“
Ein Manager der Deutschen Bahn äußert, dass sie nicht dauerhaft Unterstützung für den Einzelwagenverkehr aus Berlin erwarten. Die Unterstützung sollte aber andauern, bis alle Güterwaggons in Europa mit der „Digitalen Automatischen Kupplung“ (DAK) ausgestattet sind. Diese Technik macht das Rangieren einfacher. Obwohl die Technik bereit ist, bremsen hohe Kosten das Projekt. Es wäre nötig, 400.000 Güterwagen umzurüsten, was Experten zufolge über 12 Milliarden Euro kosten könnte. Die DB sieht einen Beginn vor 2032 als unwahrscheinlich.
Die geplante Finanzierung muss noch von Bundestag, Bundesrat und EU-Wettbewerbsbehörden genehmigt werden. Sie wird nicht direkt an DB Cargo gezahlt, sondern ist an die Zugleistung gebunden, was auch andere Anbieter interessieren könnte.
Einzelwagenverkehr: Deutsche Bahn mit Gegenwind – nicht alle Anbieter schreiben rote Zahlen
Trotz der Behauptungen der Deutschen Bahn machen nicht alle Schienengüter-Verkehrsanbieter mit Einzelwagen Verluste. Laut Bundesnetzagentur erzielen 37 % der Anbieter in Deutschland, einschließlich DB Cargo, Captrain, Lineas und SBB Deutschland, Gewinne. Selbst 2020 hatten einige eine Gewinnmarge von 22 %, während die Deutsche Bahn pro Euro Umsatz fast 19 Cent verlor.
Peter Westenberger vom Netzwerk europäischer Eisenbahnen (NEE) zeigt wenig Verständnis für die DB-Subventionen. Er kritisiert, dass DB Cargo nach mehr staatlicher Unterstützung sucht, statt Produktivität oder Kundenzufriedenheit zu verbessern. Das Unternehmen unterbietet oft Preise, was faire Wettbewerber benachteiligt.
Brüssels Wettbewerbshüter werden Berlins Unterstützung für die Deutsche Bahn weiterhin genau beobachten.
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