Dow Chemical setzt seine Umstrukturierung in Deutschland fort. Besonders betroffen könnte das Chemiezentrum in Ostdeutschland sein, wo der größte US-Chemiekonzern die Zukunft seiner zentralen Großanlage in Böhlen neu bewertet. Bereits im Herbst hatte Dow mehrere Kunststoffanlagen zur Disposition gestellt. Nun betrifft es den Cracker in Sachsen, den das Unternehmen als „Herzstück“ seines Verbunds bezeichnet. Offizielle Gründe: Überkapazitäten und hohe Energiepreise belasten die Rentabilität massiv (handelsblatt: 25.04.25).
Energiepreise und Überkapazitäten zwingen zum Handeln
In Böhlen, südlich von Leipzig, betreibt Dow eine der wichtigsten Anlagen zur Herstellung chemischer Grundstoffe. Dort spaltet der Cracker unter erheblichem Energieeinsatz Rohbenzin in Vorprodukte für Kunststoffe und weitere Chemikalien. Auch Konkurrenten wie BASF betreiben vergleichbare Anlagen an Standorten wie Ludwigshafen.

Die dort produzierten Vorstoffe gelangen hauptsächlich an die nahen Dow-Standorte Schkopau und Leuna, die eng mit Böhlen verflochten sind. Zusammen bilden sie das Zentrum der Dow-Produktion in Ostdeutschland, wo rund 3600 Mitarbeiter beschäftigt sind. Nach der Übernahme ehemaliger DDR-Chemiekombinate im Jahr 1995 hatte Dow viel investiert und die Werke auf modernen Stand gebracht. Dennoch steht jetzt nicht nur der Cracker, sondern auch die Zukunft wichtiger Chloralkali- und Vinylanlagen in Schkopau zur Debatte.
Schlechte Marktbedingungen verschärfen die Lage
Die gesamte Chemiebranche in Deutschland leidet unter ungünstigen Marktbedingungen. Hohe Energiepreise, speziell beim Erdgas, erschweren den Betrieb energieintensiver Anlagen. Ein profitabler Betrieb erscheint kaum noch möglich, selbst wenn sich Energiepreise stabilisieren sollten. Hinzu kommt die schwache Konjunktur, die die Nachfrage nach chemischen Grundstoffen massiv einbrechen ließ.
Billige Importe aus China verschärfen den Druck auf europäische Hersteller zusätzlich. Auch andere Konzerne ziehen Konsequenzen: Total kündigte vor zwei Tagen an, einen seiner beiden Cracker in Antwerpen zu schließen. Offenbar rechnet Dow Chemical ebenfalls nicht mit einer raschen Erholung und intensiviert deshalb sein Sparprogramm.
Regulierung belastet zusätzlich
Dow verweist neben wirtschaftlichen Faktoren auch auf „mangelnde Vorhersehbarkeit durch zunehmende regulatorische Belastungen“. Besonders kritisiert der Konzern die Chemikalienpolitik der EU-Kommission. Neue Regulierungen treiben die Unsicherheit, was Investitionen hemmt und Planungen erschwert.
Eine Entscheidung über die Zukunft der deutschen Standorte soll spätestens Mitte 2025 fallen. Noch steht offen, wie viele Arbeitsplätze am Ende verloren gehen könnten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Schließung wären jedoch enorm für die gesamte Region zwischen Halle und Leipzig.
Alternative Versorgungslösungen in Prüfung
Eine Stilllegung des Crackers in Böhlen müsste nicht zwangsläufig alle Standorte in Ostdeutschland treffen. Dow prüft derzeit, ob eine Versorgung der Produktionsanlagen in Schkopau und Leuna durch Basischemie von anderen Dow-Standorten möglich erscheint.
Ob diese Umstrukturierung den Erhalt wesentlicher Produktionen sichert, bleibt allerdings unklar. Sicher ist nur: Das ostdeutsche Chemiedreieck steht vor tiefgreifenden Veränderungen.
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