Der US-Konzern Dow Chemical beendet die Produktion an zwei wichtigen Standorten im Mitteldeutschen Chemiedreieck. Schkopau und Böhlen verlieren zentrale Anlagen – darunter den Cracker, der viele Betriebe in der Region versorgt. 550 Arbeitsplätze fallen dem Rückzug zum Opfer. Die Industrie in Sachsen und Sachsen-Anhalt steht vor einem tiefen Einschnitt, da wichtige Grundstoffe künftig fehlen (handelsblatt: 08.07.25).
Dow Chemical verlässt das Herz des Chemiedreiecks
Die Dow Chemical-Werke in Schkopau und Böhlen galten als Versorgungszentrum für Ethylen und Propylen. Mit der Abschaltung dieser Anlagen bricht eine tragende Säule für zahlreiche Chemieunternehmen weg. Christof Günther, Geschäftsführer des Chemieparks Infra-Leuna, verweist auf neue Logistikkosten und warnt vor einer Schwächung des mitteldeutschen Verbunds.

Seit April war die Schließung absehbar, doch erst jetzt fiel die endgültige Entscheidung. Der Rückzug folgt auf sinkende Margen, hohe Energiekosten und schwindende Nachfrage aus Schlüsselbranchen. Auch die Konkurrenz durch Importe wächst, während Investitionen ausbleiben.
Arbeitsplätze in Gefahr – Industrie unter Druck
Ein Drittel der 1.500 Beschäftigten von Dow in Mitteldeutschland verliert den Job. Betriebsratschef Andreas Zielke spricht von einem dramatischen Schritt in Böhlen. Wie sich die Zahl der Betroffenen auf die einzelnen Standorte verteilt, bleibt offen. Klar ist jedoch: Ohne Cracker wird der Standort geschwächt. Alternativen fehlen, neue Investoren sind bislang nicht in Sicht.
Ministerpräsident Reiner Haseloff reagierte früh auf die Entwicklungen. Er fordert neue Produktionslinien in Schkopau, um die entstehenden Lücken zu schließen. Importabhängigkeit soll vermieden, Stoffströme erhalten bleiben. Die Gespräche mit der deutschen Dow-Führung laufen weiter.
Folgen für Kunden, Lieferketten und Energiepreise
Auch der Verband der Chemischen Industrie äußert sich besorgt. Nora Schmidt-Kesseler erklärt: „Stoppt das Cracker-Herz, geraten alle anderen angeschlossenen Unternehmen in Gefahr.“ Besonders betroffen sind Betriebe in Leuna, die bislang Ethylen über kurze Wege aus Böhlen bezogen. Nun drohen längere Transportwege, etwa über eine Pipeline aus Stade.
Dow Chemical versichert, die Auswirkungen für Kunden so gering wie möglich zu halten. Doch Ersatzlösungen verteuern die Produktion und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der Region. Der Standortvorteil durch Nähe und integrierte Stoffflüsse geht verloren.
Versprochene Projekte bleiben unvollendet
Nach der Wende galt Dow Chemical als Vorzeigeinvestor. 1995 übernahm der Konzern den Olefinverbund und modernisierte die Werke in Leuna, Schkopau und Böhlen. Geplante Projekte, wie eine Kunststoffrecyclinganlage, kamen jedoch nie über die Ankündigungsphase hinaus. Auch Dow-Deutschlandchefin Ute Spring konnte den Abwärtstrend nicht stoppen – trotz klarer Versprechen in der Vergangenheit.
Der Rückzug offenbart tiefere Probleme: Fehlende Standortvorteile, ungenutzte Potenziale und politische Unsicherheit. Für Mitteldeutschland beginnt damit ein neuer Abschnitt – mit weniger Industrie, aber vielen offenen Fragen.
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