In einem abgelegenen Winkel der Inneren Mongolei liegt ein giftiger, alptraumhafter See, entstanden durch die unersättliche Lust auf Smartphones, Konsumgüter und grüne Technologie. Der stadtgroße Baogang Stahl- und Seltene Erden-Komplex dominiert den Horizont. Ein künstlicher See, gefüllt mit schwarzem, zähflüssigem Giftschlamm und hoher radioaktiver Belastung, erstreckt sich zwischen dem Komplex und dem Beobachter. Unzählige Rohre spucken dicken, schwarzen Chemieabfall aus den umliegenden Raffinerien in den See. Der Schwefelgeruch und das Dröhnen der Rohre dringen in die Sinne. Es fühlt sich an wie die Hölle auf Erden (bbc: 02.04.2015)
Die verborgene Last der modernen Technologie
Willkommen in Baotou, der größten Industriestadt der Inneren Mongolei. Diese Stadt ist einer der größten Lieferanten für Seltene Erden weltweit, unverzichtbar für Magnete in Windturbinen, Elektromotoren, Smartphones und Flachbildschirmen. Im Jahr 2021 produzierte China etwa 60 % der weltweiten Versorgung, und es wird geschätzt, dass die Minen in Bayan Obo, nördlich von Baotou, etwa 35 % der weltweiten Reserven enthalten. Doch dies hat seinen Preis.
Seltene Erden haben Chinas Wirtschaft transformiert und Baotou in eine Boomtown verwandelt. Die Stadt, die vor 1950 nur 97.000 Einwohner hatte, zählt heute über zweieinhalb Millionen. Werbetafeln amerikanischer Marken stehen neben Propagandamurals der Revolutionszeit.
Seltene Erden und ihre dunkle Seite: Gesundheitsrisiken durch Neodym in Windkraft und E-Autos
Die Umweltbelastung ist offensichtlich. Es ist oft schwer zu sagen, wo der riesige Baogang-Raffineriekomplex endet und die Stadt beginnt. Breite Straßen müssen riesige Lastwagen aufnehmen. Nach Regenfahrten pflügen sie durch mit Kohlestaub geschwärztes Wasser. Diese Lkw reihen sich vor Kohlekraftwerken auf, die erschreckend nahe an neu gebauten Wohnanlagen liegen.
Neodym, ein entscheidender Bestandteil für die Energiewende, wird für leistungsstarke Elektromotoren benötigt. Diese kommen in E-Autos und getriebelosen Generatoren von Windanlagen zum Einsatz. In Deutschland erzeugen Windkraftanlagen bereits über 30 Prozent des grünen Stroms. Eine Drei-Megawatt-Windanlage enthält etwa 560 Kilogramm Neodym, von dem 90 Prozent aus China stammen. Doch der Abbau und die Aufbereitung dieser Erze sind mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden. Thorium, Uran und radioaktive Zerfallsprodukte werden freigesetzt und gelangen über die Atemluft in die Lungen der Menschen.
Forscher der Leibniz Universität Hannover haben die radioaktive Belastung in der Nähe eines wichtigen chinesischen Abbaugeländes für Seltene Erden quantifiziert. Sie stellten fest, dass die Belastung die in Deutschland zulässigen Grenzwerte deutlich überschreitet. Besonders stark betroffen sind die Beschäftigten im Tagebau und die Bewohner des Minendistrikts von Bayan Obo, wo jährlich 55.000 Tonnen Seltene Erden gefördert werden (FAZ: 08.10.2023).
Die Forscher berechneten auch den „radioaktiven Fußabdruck“ eines Drei-Megawatt-Windrads. Während des Betriebs in Deutschland ist die Umweltbelastung minimal, da das verbaute Neodym keine Radionuklide mehr enthält. Dennoch bleibt die Strahlenexposition bei der Gewinnung von Seltenen Erden ein Problem. Windenergie verursacht dabei nur ein Zehntel der Belastung im Vergleich zur Kohleverstromung, jedoch ist die Materialproduktion und -verarbeitung genauso belastend wie die Kohleverstromung.
Die Herausforderungen der Energiewende
Kritiker werfen den europäischen Staaten vor, dass die Umwelt- und Gesundheitsrisiken bei der Produktion von Ökostrom nach China exportiert werden. Eine mögliche Lösung wäre der Abbau von Seltenen Erden in Europa, zum Beispiel in Schweden. Dies würde jedoch in den Anfangsjahren erhebliche Subventionen erfordern, da die europäische Förderung nicht wirtschaftlich konkurrenzfähig ist.
Unknown Fields hat einen ungewöhnlichen Plan für den radioaktiven Ton. „Wir nutzen diesen radioaktiven Ton, um eine Serie von Keramikgefäßen zu schaffen, die nach traditionellen Ming-Vasen modelliert sind“, erklärt Young. „Jedes Gefäß ist so proportioniert, dass es die Menge an Giftmüll darstellt, die bei der Gewinnung der seltenen Erden für ein bestimmtes technisches Gerät anfällt.“ Diese Idee soll den Einfluss der Konsumgüter auf die Umwelt verdeutlichen, selbst wenn diese Umwelt unsichtbar und tausende Kilometer entfernt ist.
Die Auswirkungen des seltenen Erden-Bergbaus werfen ein neues Licht auf die täglich genutzten Gadgets. Technologiefirmen drängen ständig zu Upgrades, zu neuen Tablets oder Telefonen. Doch alles beginnt in einem Ort wie Baotou, mit einem schrecklichen giftigen See, der sich bis zum Horizont erstreckt.
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