Die Digitalisierung des Schienennetzes stagniert – nur zwei Prozent der Strecken modernisiert

Die Digitalisierung des deutschen Schienennetzes kommt kaum voran. Laut dem Verband der Bahnindustrie sind bislang weniger als zwei Prozent der Strecken mit digitaler Technik ausgestattet. Verbandschef Andre Rodenbeck kritisierte bei der Vorstellung der Jahresbilanz, dass die vorhandenen Möglichkeiten ungenutzt bleiben. Zwar verfüge die Branche über das nötige Know-how, doch politische Blockaden und strukturelle Defizite bremsen den Fortschritt (bahnblog: 13.05.25).


Digitale Modernisierung bleibt Ausnahme

Trotz moderner Technologien dominieren vielerorts veraltete Anlagen das Bild. Zahlreiche Stellwerke stammen noch aus der Kaiserzeit und erfordern manuelle Bedienung. Rodenbeck verwies darauf, dass mehr als die Hälfte des Personals lediglich 20 Prozent der Stellwerkseinheiten betreue. Eine durchgängige Digitalisierung könnte hier nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch den Personalbedarf senken.

Die Digitalisierung des Schienennetzes stockt massiv – bislang sind nur zwei Prozent der Infrastruktur modernisiert
Die Digitalisierung des Schienennetzes stockt massiv – bislang sind nur zwei Prozent der Infrastruktur modernisiert

Ein weiterer zentraler Baustein ist das europäische Zugsicherungssystem ETCS. Es ermöglicht eine digitale Kommunikation zwischen Zügen und erlaubt dadurch eine dichtere Taktung. Die Kapazität des Schienennetzes ließe sich so deutlich erhöhen. Allerdings müssten sowohl die Infrastruktur als auch die Fahrzeuge mit entsprechender Technik ausgerüstet werden.

Fehlende Planungssicherheit hemmt Umsetzung

Ein langfristiger Finanzierungsrahmen fehlt bislang. Ohne Planungssicherheit lassen sich Kapazitäten weder aufbauen noch halten. Die Bahnindustrie fordert daher verlässliche Zusagen, um Investitionen nachhaltig zu sichern. Zusätzlich erschwert ein hoher bürokratischer Aufwand die Umsetzung. Selbst bereitgestellte Mittel fließen häufig zu langsam ab.

Die Branche profitierte 2024 zwar von einem deutlichen Mittelzuwachs für Infrastrukturprojekte. Dennoch reicht dies nicht aus, um der Digitalisierung echten Schub zu verleihen. Genehmigungsverfahren bleiben kompliziert und kosten Zeit, obwohl digitale Lösungen längst einsatzbereit sind.

Infrastruktursparte wächst, Fahrzeugbau stagniert

Mit einem Umsatz von rund 15 Milliarden Euro erzielte die Bahnindustrie im Jahr 2024 einen Rekordwert. Haupttreiber war die Infrastruktursparte, deren Erlöse um 12,5 Prozent zulegten. Der digitale Ausbau spielt dabei eine zentrale Rolle. Technik für Leit- und Sicherungssysteme sowie automatisierte Steuerung erfreut sich wachsender Nachfrage.

Anders sieht es im Fahrzeugbau aus. Die Nachfrage im Inland bleibt schwach. Als Grund nennt Rodenbeck die finanzielle Lage vieler Verkehrsverbünde, die Neuanschaffungen verzögern. Ohne neue Fahrzeuge aber lässt sich das System ETCS nicht vollumfänglich nutzen – die Digitalisierung bleibt Stückwerk.


Strukturreformen als Voraussetzung für Fortschritt

Die Industrie mahnt strukturelle Reformen an. Ein Zusammenspiel aus politischer Strategie, effizienter Verwaltung und industrieller Leistungsfähigkeit gilt als entscheidend. Technik und Know-how stehen bereit – allein die Rahmenbedingungen hinken hinterher.

Ein grundlegender Kurswechsel erscheint unumgänglich. Ohne klare Zuständigkeiten, schnelle Verfahren und durchdachte Finanzierung droht die Digitalisierung des Schienennetzes zum Dauerprojekt zu verkommen. Deutschland könne sich diesen Stillstand nicht länger leisten – weder wirtschaftlich noch verkehrspolitisch.

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