In der deutschen Wirtschaft herrscht mittlerweile pure Panik. Aufgrund der explodierenden Gas- und Strompreise können viele Betriebe nicht mehr wirtschaftlich produzieren. Da im nächsten Jahr die Preise noch weiter steigen dürften, gehen sowohl die betroffenen Unternehmen, als auch ihre Branchenverbände davon aus, dass die Produktion in Deutschland dauerhaft unrentabel bleiben wird. Deshalb erwartet des Münchner Ifo-Institut, dass die Entwicklung der Energiepreise vermehrt zu Investitionen im Ausland führen wird (sueddeutsche: 07.10.22). Die Deindustrialisierung in Deutschland hat bereits begonnen.
Ifo-Institut erwartet vor Deindustrialisierung Deutschlands
Laut Ifo-Ökonom Oliver Falck ist derer Kostenanteil für Energie auf den ersten Blick gar nicht so hoch. In der Automobilbranche liegt der Anteil der Energiekosten bezogen auf den Bruttoproduktionswert bei 0,5 Prozent, im Maschinenbau bei 0,8 Prozent und in der Chemie bei 3,1 Prozent. „Trotzdem kann ein starker Preisanstieg bei der Energie die Wettbewerbsfähigkeit gerade von denjenigen Branchen beeinträchtigen, die im harten internationalen Wettbewerb stehen und ohnehin schon wettbewerbsbedingt relativ geringe Umsatzmargen realisieren“, sagt Falck. Deshalb erwartet er „vorübergehende Produktionseinstellungen und die Verlagerung besonders energieintensiver Produktionsschritte ins Ausland.“
Da die energieintensive Produktion, laut Falck, sehr kapitalintensiv bzw. teuer wäre, seien Verlagerungen nicht ohne weiteres möglich. „Wir werden aber bei Neuinvestitionen wahrscheinlich Verlagerungen ins Ausland sehen“, sagt der Ökonom. Ein Sprecher des Maschinenbau-Verbands VDMA sagte: „Allein wegen der Energiepreise werden die Unternehmen eine solch wichtige Entscheidung nicht treffen, aber stark steigende Energiepreise können natürlich im Einzelfall das Zünglein an der Waage sein.“
Immer mehr Verbände warnen vor Abwanderung der Industrie
Die Stimmen, die vor einer Abwanderung der Industrie aus Deutschland warnen, werden immer lauter. Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Peter Adrian, warnt vor zahlreichen Insolvenzen in den kommenden Monaten. „Wenn die Energiepreise nicht deutlich sinken, gehen spätestens in sechs Monaten bei Zehntausenden Betrieben hierzulande die Lichter aus“, so Adrian gegenüber der „Rheinischen Post“. Der damit verbundene Wohlstandsverlust könnte ein bis heute unbegreifliches Ausmaß annehmen. Deutsche Firmen können mit Energiepreisen, die mittlerweile zehnmal so hoch sind wie in den USA, am Weltmarkt nicht mehr konkurrieren
BASF drosselt Produktion aufgrund gestiegener Energiekosten
Allein der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen hatte in seinen europäischen Werken im 2. Quartal 800 Millionen Euro höhere Energiekosten als ein Jahr zuvor. Gegenüber dem zweiten Quartal im Jahr 2020 betragen die Mehrkosten für die Energieversorgung sogar eine Milliarde Euro.
Durch die Folgen der hohen Energiekosten sind die innerdeutschen Lieferketten bereits massiv gestört. „Uns liegen zahlreiche Rückmeldungen von Mitgliedsverbänden vor, die von Produktionsdrosselungen der Mitgliedsbetriebe aufgrund der massiv gestiegenen Energiepreise berichten“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt.
Die BASF hat bereits die Produktion vieler Grundstoffe reduziert. Darunter auch die Produktion von Ammoniak und von Acetylen. Ein BASF-Sprecher begründet die Drosselung damit, dass die Folgeprodukte für den Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig hergestellt werden können.
Der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, kommentiert die Sachlage so: „Die Kosten für Strom, Öl und Gas machen in der chemischen Industrie rund 12 Prozent der Produktionskosten aus. In der Grundstoffchemie ist der Anteil mit rund 16 Prozent noch höher. Bei einzelnen Chemikalien, zum Beispiel Ammoniak oder Chlor, liegt der Anteil sogar bei mehr als 70 Prozent. Im dritten Quartal lagen die Energiekosten der Chemie fast 150 Prozent über dem Vorjahresniveau“. Damit haben sich die Energiekosten für die Branche innerhalb von zwei mehr als vervierfacht.
Vielen Unternehmen werden neue Stromverträge verweigert
Die betroffenen Unternehmen sehen die aktuelle Lage allerdings noch viel kritischer als die Ökonomen. Denn vielen mittelständischen Unternehmen macht nicht nur der gestiegene Gaspreis zu schaffen, sondern auch der Strompreis. So hätten viele Unternehmen ihren Strom jahrelang am Spotmarkt eingekauft, weil dort die Preise günstiger waren als bei langfristige Lieferverträge. Am Spotmarkt haben sich die Preise mittlerweile vervielfacht. Doch selbst Unternehmen mit langfristigen Lieferverträgen bekommen jetzt massive Probleme, denn viele dieser Verträge laufen zum Jahresende aus. Bei einem Neuabschluss stehen ihnen drastische Preissteigerungen bevor. Wenn sie überhaupt noch einen Vertrag von ihrem Stromanbieter bekommen, denn vielen Unternehmen wird ein neuer Stromvertrag einfach verweigert.
Die Deindustrialisierung in Deutschland hat begonnen. Wenn die Politik nicht rechtzeitig einschreitet, werden wir einen massiven Wohlstandsverlust erleiden.
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