Deutschland gibt Blockade gegen Atomkraft auf – Weg frei für Einigung in der EU

Frankreich und Deutschland nähern sich energiepolitisch an. Zum ersten Mal zeigt sich Berlin offen für eine Gleichstellung von Atomkraft und erneuerbaren Energien in der EU-Gesetzgebung. Damit fällt eine Blockade, die über Jahre zentrale Entscheidungen im europäischen Energierecht gebremst hat. Die politische Neuorientierung erfolgt unter Kanzler Friedrich Merz, der im Februar die Regierung übernahm. Jahrzehntelange Differenzen zwischen Paris und Berlin scheinen damit überwunden (ft: 19.05.25).


Blockade zwischen Berlin und Paris endet

Frankreich und Deutschland galten lange als Gegner in der Atomfrage. Nun signalisiert Berlin laut Regierungsvertretern beider Länder, keine Einwände mehr gegen eine Anerkennung der Kernkraft als klimafreundlich zu erheben. „Die Deutschen zeigen sich sehr pragmatisch“, so ein ranghoher französischer Diplomat. Alle noch vorhandenen Vorbehalte in der EU-Gesetzgebung sollen entfallen. Ein deutscher Regierungsvertreter sprach von einem „tiefgreifenden politischen Kurswechsel“.

Deutschland beendet seine Blockade gegen Atomkraft und ebnet den Weg für eine gemeinsame EU-Energiepolitik mit Frankreich
Deutschland beendet seine Blockade gegen Atomkraft und ebnet den Weg für eine gemeinsame EU-Energiepolitik mit Frankreich

Gleichzeitig möchte Merz mit Paris auch über eine nukleare Abschreckung gegenüber Russland sprechen. In Berlin wachse die Bereitschaft, über eine gemeinsame Verteidigungslinie nachzudenken. „Besser spät als nie“, hieß es dazu aus deutschen Regierungskreisen.

Europa braucht neue Energie-Allianzen

Der energiepolitische Schulterschluss hat strategische Bedeutung. „Das ist eine willkommene Annäherung, die Energiefragen in der EU erleichtert“, urteilte Guntram Wolff vom Thinktank Bruegel. Auch wirtschaftliche Experten wie Lars-Hendrik Röller sehen neue Chancen für europäische Entscheidungen. „Wenn Deutschland und Frankreich sich einig sind, kommt Europa voran“, so Röller, einst Wirtschaftsberater von Angela Merkel.

Kanzler Merz will verlorenes Vertrauen wiederherstellen. Unter Olaf Scholz gerieten viele bilaterale Projekte ins Stocken. Besonders die Atompolitik hatte Berlin isoliert. Merz kritisiert den deutschen Atomausstieg von 2011, den er als „Versäumnis bei bezahlbarem Strom“ einstuft. Auch das Abschalten der letzten drei Reaktoren unter Scholz habe dem Industriestandort geschadet.

Zukunftstechnologien statt Rückkehr zur Vergangenheit

Trotz des Kurswechsels plant Merz keine Rückkehr zu klassischen Kernkraftwerken. Stattdessen fördert seine Regierung Zukunftstechnologien wie modulare Reaktoren und Kernfusion. Letztere erzeugt keinen langlebigen Atommüll und könnte künftig eine Schlüsselrolle spielen. Das neue energiepolitische Bündnis mit Paris unterstützt diese Vision.

Seit dem Anstieg der Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs wächst die Zustimmung zur Kernenergie in Europa deutlich. Die Niederlande und Belgien kehren zurück zur Atomkraft, während Österreich als letzter verbliebener Gegner auf Konfrontationskurs bleibt. Zwölf EU-Staaten fordern in einem Brief an die EU-Kommission eine Gleichbehandlung von Atom- und Ökostrom. Die Botschaft an Investoren: Atomkraft bleibt unverzichtbar.


Deutschland beendet seine energiepolitische Blockadehaltung

Ein zentrales Ergebnis betrifft die Wasserstoffstrategie. Berlin akzeptiert nun, dass Wasserstoff aus Atomstrom gleichwertig mit grünem Wasserstoff aus Wind- oder Solaranlagen behandelt wird. Präsident Macron betonte bei Merz’ Besuch am 7. Mai in Paris: „Zur Wahrung unserer Energiesouveränität fordern wir ein Ende der Diskriminierung CO₂-armer Energieformen – ob nuklear oder erneuerbar.“

Deutschland deckte zuletzt mehr als 60 Prozent seines Stromverbrauchs mit erneuerbarer Energie. Frankreich hingegen erzeugt rund 70 Prozent seines Stroms mit Kernkraft. Die frühere deutsche Blockade beruhte auch auf der Sorge, dass Frankreichs Industrie durch niedrige Strompreise im Vorteil sei. Ideologische Motive – etwa durch den Einfluss der Grünen in der Ampel-Koalition – verstärkten die Ablehnung zusätzlich.

Mit der neuen Linie endet ein energiepolitischer Dauerkonflikt, der Europa lange ausgebremst hat. Merz setzt auf Kooperation und Innovation statt auf ideologische Blockade.

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