Deutsche Weltraum-Unternehmen leiden unter fehlenden staatlichen Aufträgen

Immer mehr deutsche Weltraum-Unternehmen stecken in ernsten Schwierigkeiten. Neben dem Mangel an Risikokapital fehlen auch dringend benötigte staatliche Aufträge, die durch die angespannte Haushaltslage zunehmend ausbleiben. Matthias Wachter vom Bundesverband Deutscher Industrie (BDI) spricht sogar vom „Tal des Todes“, in das viele Unternehmen geraten sind (handelsblatt: 09.11.24).


Finanzierungsengpässe und gescheiterte Projekte

Ende Juni 2024 schickte Declan Ganley, Chef von Rivada Space, eine alarmierende E-Mail an die Belegschaft. Darin kündigte er erneut verspätete Gehaltszahlungen an. „Ähnliche Verzögerungen in der Vergangenheit“ räumte Ganley offen ein und versprach eine Entschädigungszahlung. Mitarbeiter des Weltraum-Unternehmens mussten bereits mehrmals auf ihre Gehälter warten, wie aus internen Schreiben hervorgeht.

Das Tal des Todes: Deutsche Weltraum-Unternehmen kämpfen mit fehlenden staatlichen Aufträgen und Finanzierungslücken
Das Tal des Todes: Deutsche Weltraum-Unternehmen kämpfen mit fehlenden staatlichen Aufträgen und Finanzierungslücken

Doch Rivada Space ist nicht das einzige betroffene Start-up. Vor wenigen Wochen meldete das Münchener Unternehmen Unio Konkurs an. Dieses hatte ebenfalls auf eine Hochgeschwindigkeits-Internetversorgung aus dem All gesetzt, vergleichbar mit den Plänen von Rivada Space. Matthias Wachter beschreibt die Situation der Branche als äußerst bedenklich. Rund ein Dutzend der 150 deutschen Newspace-Start-ups steckt in massiven Krisen.

Fehlendes Risikokapital und sinkende Aufträge

Größere Projekte mit strategischer Bedeutung scheitern zunehmend an der fehlenden Finanzierung. Rivada Space beispielsweise plant eine milliardenschwere Satellitenkonstellation, die speziell Unternehmen und Regierungen mit Internet versorgen soll. Die Kosten allein für die erste Phase betragen 2,4 Milliarden Dollar. Projekte dieser Art, wie etwa das Starlink-Netzwerk von SpaceX, sind bereits gut finanziert – Rivada jedoch bleibt im Wettlauf um Kapital weit zurück.

Die angespannte Lage betrifft auch große Akteure wie Airbus und OHB. Beide kämpfen mit einem schwächelnden Satellitengeschäft und internen Problemen. Das zieht die gesamte Branche mit nach unten. Die deutsche Regierung trägt mit ihrer Haushaltslage dazu bei: Das nationale Raumfahrtbudget sinkt von 334 auf 292 Millionen Euro bis 2025. Hinzu kommt, dass die Bundeswehr als potenzieller Auftraggeber bisher kaum Aufträge an heimische Unternehmen vergibt, sondern ihre Satellitenstarts weltweit ausschreibt. Ein EU-Beschluss zur geplanten Internet-Satellitenkonstellation steht ebenfalls aus, und es bleibt unklar, ob junge Unternehmen eingebunden werden.

Rivada Space kämpft um Glaubwürdigkeit

Obwohl das Weltraum-Unternehmen Rivada Space große Investoren wie Peter Thiel an Bord hat und Verträge mit über 13 Milliarden Dollar Volumen abgeschlossen sein sollen, sind Gehaltsverzögerungen weiterhin ein Thema. Ein Sprecher betonte, dass „alle Gehälter vollständig ausgezahlt“ seien, allerdings erfolgten die Zahlungen oft spät. Ursache sei, dass „noch keine Umsätze generiert“ werden und das Unternehmen auf Investorengelder aus den USA angewiesen sei. Auch Zulieferer müssen teils lange auf ihre Zahlungen warten. Vier Lieferanten bestätigten dem Handelsblatt, dass sie mehrfach vertröstet wurden. Rivada Space drückt sein Bedauern über diese Verzögerungen aus.

Ein markantes Beispiel ist der Münchener Cybersecurity-Anbieter Niun Veritatis. Geschäftsführer Gilbert Linter musste fast 15.000 Euro einklagen, bevor das Geld überwiesen wurde. Rivada Space zeigt sich jedoch unerschütterlich und stellt weiterhin Personal ein. Eurospace-Forschungsdirektor Pierre Lionnet beobachtet, dass die Belegschaft von 52 Mitarbeitern im Jahr 2023 auf 132 Angestellte angewachsen ist.


Die Zeit drängt für Rivada

Eine besonders kritische Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Terran Orbital. Die US-Firma sollte für 2,4 Milliarden Dollar Satelliten für Rivada herstellen. Die Frequenzen im Ka-Band, die für das Projekt entscheidend sind, müssen bis Mitte 2026 genutzt werden. Schafft Rivada es nicht, 288 Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen, verliert das Unternehmen die Rechte an diesen Frequenzen. Terran Orbital stufte die erhaltenen Zahlungen von Rivada in einer Pflichtmitteilung als „nicht substanziell für die Liquidität“ ein. Im August 2024 prüfte Terran Orbital sogar den Verkauf an Lockheed Martin oder ein Konkursverfahren.

Die Übernahme durch Lockheed Martin fand schließlich zu einem deutlich niedrigeren Preis statt. Im Februar lag das Angebot bei 600 Millionen Dollar, im August 2024 wurde Terran Orbital jedoch nur noch für 450 Millionen Dollar verkauft.

Misstrauen wächst

Pierre Lionnet bleibt skeptisch. Rivada liefert kaum Informationen über eingesammeltes Kapital oder anstehende Raketenstarts. Trotz der Übernahme durch Lockheed Martin bezweifelt der Analyst, dass die geplanten Starts 2026 noch realistisch sind. Raketenstarts sind schwer zu buchen, und die Satellitenproduktion braucht viel Zeit. „Mit meinen 30 Jahren als Branchenbeobachter kann ich sagen: Das ist nicht zu schaffen“, warnt Lionnet.

Die Herausforderungen für Rivada Space sind enorm. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob das Weltraum-Unternehmen seinen ambitionierten Zeitplan einhalten kann oder ob die Newspace-Branche weiter an Boden verliert.

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