Viele Unternehmen verlagern wegen hoher Bürokratie und Energiekosten die Produktion ins Ausland. Ein neuer Bericht von Deloitte und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigt die Problematik und mögliche Lösungsansätze.
Unternehmen unter Druck
Der Motorsägenspezialist Stihl pausiert Pläne für ein neues Werk, während Miele Arbeitsplätze nach Polen verlagert. Autozulieferer und andere Industriebetriebe stehen ebenfalls unter Druck. „Doch ist die Lage jetzt noch ernster“, erklärt Jürgen Sandau von Deloitte. Unternehmen zweifeln zunehmend daran, die strukturellen Probleme in Deutschland kurzfristig lösen zu können.
Eine Studie von Deloitte und dem BDI offenbart, dass fast jedes zweite Unternehmen befürchtet, die Deindustrialisierung Deutschlands könne nicht mehr aufgehalten werden. 49 Prozent der befragten Firmen haben bereits Teile der Produktion verlagert und planen dies auch weiterhin. (Deloitte, Supply Chain Pulse Check 2024)
Probleme der Lieferketten und ihre Auswirkungen
Wolfgang Niedermark vom BDI betont, dass Deutschland an Attraktivität verliert. Politischer Stillstand hindert notwendige Investitionen. Zu Bürokratie und hohen Energiekosten kommen nachhaltige Lieferkettenkosten hinzu, die die Margen weiter belasten.
Deloitte befragte 128 Unternehmen, darunter große und mittelständische Betriebe. Diese Ergebnisse sind ein Warnsignal. Ein weiteres Problem ist die politisch instabile Lage in Deutschland, was 68 Prozent der Unternehmen so sehen.
Schlechte Aussichten
Vor kurzem verlegte Miele 700 Arbeitsplätze nach Polen. Valeo, ein Autozulieferer, kündigte ähnliche Schritte an, trotz einer leichten Erholung der Konjunktur und gesunkener Energiepreise in Deutschland. Angelique Renkhoff-Mücke von Warem beschreibt die Situation als besorgniserregend und ohne Perspektive.
Seit der letzten Befragung vor einem halben Jahr hat sich die Stimmung unter den Unternehmen weiter verschlechtert. Lieferkettensorgen nehmen zu, besonders im Hinblick auf Umwelt- und Sozialstandards, die ab einer bestimmten Unternehmensgröße eingehalten werden müssen. Auch das verschärfte EU-Lieferkettengesetz trägt zur Unsicherheit bei.
Coronazeiten und der Ukrainekrieg haben die Fragilität der Lieferketten gezeigt. Unternehmen benötigen zusätzliche Standbeine. In den nächsten zwei bis drei Jahren rechnen 34 Prozent der Firmen mit einer Verschärfung der Lieferkettenproblematik.
Kosten von Redundanzen
Deloitte-Partner Sandau betont die Notwendigkeit eines Plan B in der Lieferkette, was jedoch zusätzliche Kosten verursacht. Diese Mittel fehlen dann für Zukunftsinvestitionen. Geopolitische Unsicherheiten erhöhen den Druck auf die Unternehmen, alternative Standorte zu finden.
77 Prozent der Unternehmen befürchten, dass Deutschland sowohl an Attraktivität als auch an politischer Stabilität verliert. Risiken gibt es viele: 75 Prozent beklagen gestiegene regulatorische Anforderungen, 72 Prozent die Energiepolitik, gefolgt von Fachkräftemangel und gestiegenen Rohstoffpreisen. Zwei Drittel fürchten eine Eskalation des Taiwankonflikts, auch Cybersicherheit bereitet Sorgen.
Lösungsansätze der Unternehmen
Trotz der düsteren Lage sehen die Unternehmen Möglichkeiten zur Problembewältigung. 86 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass mehr Investitionen und Innovationen am Standort Deutschland notwendig sind, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Digitalisierung und Automatisierung können den Fachkräftemangel mildern und Kosten senken.
Hoffnung setzen viele Firmen auf die Kreislaufwirtschaft. Dadurch könnte die Abhängigkeit von Rohstofflieferungen verringert werden. 43 Prozent glauben, dass Zirkularität das Potenzial hat, Rohstoffkosten zu senken und Produktionsverlagerungen zu verhindern.
Experten und Unternehmen sind überzeugt, dass sich die deutsche Wirtschaft trotz der Herausforderungen im globalen Wettbewerb behaupten kann. „Wir waren schon einmal das Schlusslicht in Europa“, erinnert Sandau, „und durch Reformen, die uns wehgetan haben, sind wir da wieder rausgekommen.“
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