Die Nachfrage nach Strom steigt dramatisch und verdreifacht sich für einen Durchschnittshaushalt. Die Verteilnetze sind nicht in der Lage, diesen Anstieg der Nachfrage zu bewältigen. Daher sollen Smart Meter Gateways helfen, die Netze vor Überlastung zu schüztzen (FAZ: 30.03.23).
Stromknappheit droht: Steigende Nachfrage nach Elektroautos und Heizung bedroht Stromversorgung in Deutschland
Die meisten Deutschen haben in der Vergangenheit kaum Stromausfälle erlebt. Obwohl die Energiepolitik Veränderungen erfahren hat, bliebt die Stromversorgung bisher zuverlässig und Stromausfälle traten eher selten auf.
Doch in naher Zukunft steigt die Nachfrage nach Strom dramatisch an, da immer mehr Strom für das Heizen und Laden von Elektroautos erforderlich ist. Dies hat zur Folge, dass Stadtwerke in der Lage sein könnten, die Verbraucher zu drosseln, was bereits im Energiewirtschaftsgesetz vorgesehen ist. Die Bundesnetzagentur arbeitet an einer Verordnung, um den Spielraum für die Energieversorger zu definieren. Deshalb zieht sie die Möglichkeit zur „Steuerung von Verbrauchseinrichtungen und Netzanschlüssen“ in Betracht, um den steigenden Strombedarf zu bewältigen. Der Zentralverband der Elektro- und Digitalindustrie prognostiziert, dass der durchschnittliche Haushalt von 3500 auf 10.500 Kilowattstunden im Jahr ansteigen wird. Obwohl die Geräte wie Leuchten, Kühlschränke und Fernseher immer energieeffizienter werden, wird der Stromverbrauch insgesamt dennoch steigen.
Smart Meter Gateway als Lösung für die Überlastung der Stromnetze in den Gemeinden
Die Verteilnetze in den Gemeinden sind nicht in der Lage, mit dem Anstieg der Nachfrage nach Strom umzugehen. Insbesondere die Kabel, die zwischen den Ortsnetztrafos und den Häusern verlaufen, sind nicht für solche hohen Stromlasten ausgelegt, und die zusätzliche Belastung durch Photovoltaikanlagen auf den Dächern verschärft das Problem auf der Niederspannungsebene. Es scheint unwahrscheinlich, dass klamme Kommunen alle Straßen aufbaggern und mehr Kupfer verlegen können, insbesondere angesichts des Verbots neuer fossiler Heizungen und Verbrennerautos, die wenig Zeit für die notwendigen Veränderungen lassen.
In dieser Situation setzt die Politik ihre Hoffnung auf ein kleines Gerät, das bis Ende des Jahrzehnts in 15 Millionen Haushalten installiert sein soll: das Smart Meter Gateway. Dies ist eine Kommunikationseinheit, die den Stromzähler im Haus direkt mit dem Netzbetreiber und Stromversorger verbindet. Das „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“, das voraussichtlich im April zur Verabschiedung kommen soll, wird den Einbau des Gateways ab 2025 wieder verpflichtend machen. Betroffen sind Verbraucher, die mindestens 6000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen, was so ziemlich jeden betrifft, der eine Wallbox oder eine Wärmepumpe installiert hat. Obwohl dies seit 2016 bereits galt, dauerte es mehrere Jahre, bis ausreichend viele Anbieter den Zertifizierungsprozess der Bundesanstalt für Sicherheit in der Informationstechnik durchlaufen hatten. Kurz darauf kippte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen die Einbaupflicht wieder.
Wie das Smart Meter Gateway die Stromversorgung sicherer machen soll
Laut Ingo Schönberg, dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden des Mannheimer Unternehmens PPC, ist das Smart Meter Gateway der Schlüssel dazu, jeden Haushalt zuverlässig mit Strom zu versorgen. Das Gateway verbindet den Stromzähler im Haus mit dem Netzbetreiber und Stromversorger und ermöglicht es, die Stromzufuhr zu steuern. Durch eine gestaffelte Stromzufuhr über die Nacht können Elektroautos und Wärmepumpen effizienter geladen bzw. betrieben werden, wodurch eine zuverlässige Stromversorgung gewährleistet wird. Pilotprojekte des Versorgers ENBW in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass die Ladeleistung in der zweiten Nachthälfte ohne diese Technik oft auf null sinkt.
Damit die dynamische Nachfragesteuerung funktioniert, ist es notwendig, dass genügend Haushalte ihren Stromverbrauch an den Netzbetreiber melden. Ohne eine ausreichende Anzahl an Meldungen kann der Betreiber lediglich erkennen, dass eine Überlastung droht, sofern der Ortstrafo mit entsprechender Messtechnik ausgestattet ist. In diesem Fall wird die „statische Steuerung“ angewendet, wie von der Bundesnetzagentur beschrieben. Die steuerbaren Verbraucher wie Wallboxen und Wärmepumpen werden dann gleichzeitig auf eine maximale Leistungsaufnahme von 3,7 Kilowatt heruntergeregelt, um eine Überlastung zu vermeiden.
Sind genügend Smart Meter Gateways für den deutschlandweiten Roll-out verfügbar?
Allgemein wird anerkannt, dass nur ein Smart Meter Gateway eine automatische Verhandlung der Zeiten ermöglicht, zu denen volle Leistung zur Verfügung steht. Allerdings stellt sich die Frage, ob genügend Geräte schnell genug und in ausreichender Anzahl verfügbar sind. Die meisten Geräte stammen von mittelständischen Anbietern wie PPC oder EMH, die kryptische Kürzel tragen. In Bezug auf den deutschlandweiten Roll-out sind jedoch alle zertifizierten Systeme massenmarkttauglich, sagt Schönberg und bezieht auch seine Wettbewerber mit ein. Produktionskapazität und Bauteile seien ausreichend gesichert, und das Handwerk sei größtenteils bereits geschult.
Für einen Elektroprofi ist die Installation des Smart Meter Gateways tatsächlich eine Angelegenheit von wenigen Minuten, vorausgesetzt der Schaltschrank ist auf dem neuesten Stand der Technik und ein digitaler Stromzähler ist vorhanden. Wenn jemand bereits ein Energiemanagementsystem im Haus hat, vor allem jemand mit einer eigenen Solaranlage, kann es direkt mit dem Gateway verbunden werden. Die Wallbox und Wärmepumpe können auch direkt verkabelt werden. Die Protokolle für den Datenaustausch sind standardisiert und die Sicherheit entspricht mindestens der von Onlinebanking. Der Netzbetreiber kann anschließend über die Stromrechnung höchstens 20 Euro Nutzungsgebühr pro Jahr abrechnen.
Um die Smart-Meter effektiv nutzen zu können und nicht nur als unerwünschte Drosselung zu erleben, wären jedoch noch einige Voraussetzungen zu erfüllen. In einer idealen Welt könnte der Verbraucher zwischen verschiedenen Optionen wählen, ähnlich wie bei einem Mobilfunkvertrag, oder auch kurzfristig per App zusätzliche Leistung kaufen, wie es bei zusätzlichem Datenvolumen üblich ist. Solche Visionen bleiben jedoch vorerst für die meisten Stromkunden Phantasien. Zum einen haben die meisten Menschen Verträge, bei denen der Preis pro Kilowattstunde konstant ist. Zum anderen lassen es die auf dem Smart Meter Gateway installierten Softwareprogramme nicht zu, dass vieles möglich ist, was eigentlich denkbar wäre.
Können dynamische Stromtarife ausreichen, um das Stromnetz vor Überlastung zu schützen?
Peter Heuell, der Vorsitzende des Fachverbands Energietechnik im ZVEI, betont, dass dynamische Stromtarife allein kein Allheilmittel sind. Der Strompreis bildet sich an der Börse durch Angebot und Nachfrage, aber das allein reicht nicht aus, um das Stromnetz stabil zu halten. Im Norden Deutschlands mag viel Windstrom verfügbar sein, während das Netz im Süden aufgrund von Überlastung in einem Straßenzug zusammenbrechen kann, wenn alle gleichzeitig ihr Elektroauto laden wollen. Heuell, selbst Geschäftsführer eines zertifizierten Smart-Meter-Anbieters, setzt auf Anreize zur Flexibilisierung des Verbrauchs und nur im Notfall auf Drosselung. Ohne die gesetzlichen Vorgaben würden wir in einem Henne-Ei-Problem stecken bleiben. Die aktuelle Planung für intelligente Messsysteme kann jedoch das Ziel erreichen, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen und die Stabilität der Stromversorgung aufrechtzuerhalten.
Jedoch müssen wir uns auch mit Kernkraft und Kohle beschäftigen. Die Verteilnetze würden auch bei der Erzeugung des gesamten Stroms in thermischen Kraftwerken vor dem Zusammenbruch stehen. Doch durch die Abschaltung der Atom- und der Kohlekraftwerke würde laut einer aktuellen McKinsey-Studie dazu führen, dass eine Abdeckung von Nachfragespitzen in Deutschland nicht mehr möglich ist. Die Autoren beziffern das deutschlandweite Defizit auf bis zu 30 Gigawatt, was der Leistung von rund 30 Großkraftwerken entspricht. Dann helfen nur noch Importe aus dem europäischen Ausland – oder eben eine zeitweise Drosselung der maximalen Leistung.