Das Milliardenrisiko hinter Habecks Wasserstoffnetz

Robert Habeck präsentierte im November 2024 das sogenannte Wasserstoffnetz als wegweisendes Infrastrukturprojekt. Mit großen Worten lobte er Dimension, Größe und Finanzierungsform. Doch hinter dem ambitionierten Vorhaben verbirgt sich ein riskantes Konstrukt, das nicht nur enorme Summen verschlingt, sondern auch weitgehend der parlamentarischen Kontrolle entzogen ist. Die Steuerzahler stehen für ein Milliardenprojekt ein, dessen Überwachung lückenhaft bleibt (wiwo: 23.03.25).


Teures Pionierprojekt mit unklaren Aussichten

Der Plan sieht vor, ein bundesweites Wasserstoffnetz mit rund 9000 Kilometern Länge zu errichten. Etwa 4000 Kilometer müssen neu gebaut, der Rest aus alten Gasleitungen umgerüstet werden. Die Kosten belaufen sich auf etwa 19 Milliarden Euro. Unternehmen wie Gascade wollen bis Ende 2025 erste Leitungen umrüsten. Bis 2032 soll das Netz vollständig einsatzbereit sein.

Habecks Wasserstoffnetz: Ein riskantes 24-Milliarden-Euro-Projekt, das weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle geplant wurde
Habecks Wasserstoffnetz: Ein riskantes 24-Milliarden-Euro-Projekt, das weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle geplant wurde

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für eine klimafreundliche Industrie. Stahlwerke, Chemieunternehmen und Glashütten sollen so CO₂-arm arbeiten. Doch die Herausforderung liegt in der Finanzierung: Die Transportinfrastruktur verursacht hohe Kosten, ohne dass bereits ein funktionierender Markt existiert. Deshalb entwarf das Wirtschaftsministerium ein komplexes Finanzmodell, das privaten Netzausbau ermöglichen und gleichzeitig Investitionsanreize setzen soll.

Finanzakrobatik mit Haftungsfolge

Die zentrale Rolle übernimmt die bundeseigene Förderbank KfW. Netzbetreiber wie Gascade, Nowega oder Open Grid Europe erhalten in den ersten Jahren Kredite, um die Differenz zwischen Baukosten und gedeckelten Netzentgelten auszugleichen. Ab 2025 sollen Rückzahlungen beginnen – sofern die Entgelte die Kosten übersteigen.

Das Finanzierungsinstrument mit dem Titel „Amortisationskonto“ gilt als juristisch ausgeklügelt, aber wenig transparent. Die KfW stellt bis zu 24 Milliarden Euro zur Verfügung, die bis 2055 zurückfließen sollen. Der Haken: Der Staat haftet für rund 76 Prozent der Summe. Ohne diese Bürgschaft hätte die KfW den Kredit nicht gewähren dürfen. Laut BaFin wäre die gesetzlich zulässige Kreditgrenze sonst überschritten.

Umgehung demokratischer Kontrollinstanzen

Trotz der gewaltigen Summe informierte Habeck den Haushaltsausschuss des Bundestags nicht. Andreas Mattfeldt, CDU, äußerte sich kritisch: „Mein Eindruck ist, dass der Minister im Fall der Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes einen Weg gesucht und gefunden hat, um eine erhebliche Summe an der parlamentarischen Kontrolle über den Bundeshaushalt vorbeizuschmuggeln.“ Die Verträge binden auch zukünftige Regierungen. Erst ab 2038 gibt es die Option, das Projekt zu beenden – sollte sich zeigen, dass das Wasserstoffnetz sich wirtschaftlich nicht trägt.

Die Förderbank handelte nicht aus eigener Initiative, sondern auf Weisung des Ministeriums. Juristisch gilt dies als „Zuweisungsgeschäft“ nach dem KfW-Gesetz – formal zulässig, in dieser Dimension jedoch ungewöhnlich. Statt Einzelkrediten an die elf Netzbetreiber zahlt die KfW das Geld an eine Zweckgesellschaft, die wiederum den Gasnetzbetreibern gehört. Dadurch entfällt die Möglichkeit, Risiken einzeln zu bewerten oder Mittelverwendung detailliert zu kontrollieren.


Schwache Sicherheiten, hohe Ausfallgefahr

Ob die Zweckgesellschaft über ausreichende Sicherheiten verfügt, bleibt fraglich. Die Netzbetreiber besitzen laut Bilanzdaten lediglich Vermögenswerte im Bereich von sechs bis sieben Milliarden Euro – deutlich weniger als die Kreditsumme. Eine verbindliche Absicherung durch Gesellschafter bleibt unbestätigt. Die KfW verweist auf das Bankgeheimnis, während Unternehmen wie Thyssengas sich zu den Sicherheiten nicht äußern möchten.

Die Mittel fließen in jährlichen Tranchen, deren Höhe sich an den laufenden Mehrkosten orientiert. Die Bundesnetzagentur soll die Angaben der Unternehmen prüfen – jedoch nicht im Voraus, sondern erst nachträglich. Zwar versichert die Behörde, über Erfahrungen mit Kostenkontrollen zu verfügen. Gleichzeitig räumt sie ein, dass das Personal aktuell nicht ausreicht und aufgestockt werden muss.

Kontrolle durch Bundesrechnungshof als letztes Korrektiv

In der jetzigen Konstruktion besteht wenig Anreiz für Netzbetreiber, wirtschaftlich zu handeln. Wer effizient arbeitet, erhält weniger Geld von der KfW. Kontrolliert die Netzagentur die Angaben nicht genau, drohen Milliardenverluste. Deshalb untersucht inzwischen der Bundesrechnungshof das gesamte Modell zur Finanzierung des Wasserstoffnetzes.

Der Zeitpunkt spielt Habeck in die Karten: Bis erste Ergebnisse der Prüfung vorliegen, wird er das Amt längst abgegeben haben. Die Verantwortung für das Milliardenrisiko bleibt – und sie liegt beim Steuerzahler.

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