Chrysler steht vor einem historischen Jubiläum – und gleichzeitig am Abgrund. Im Juni 2025 jährt sich die Firmengründung zum 100. Mal. Doch anstelle eines rauschenden Festes herrscht Krisenstimmung. Der Autobauer, einst ein Symbol für Stärke und Innovation, kämpft mit massiven Absatzrückgängen. Gerade einmal 120.000 Fahrzeuge wechselten im vergangenen Jahr den Besitzer – ein harter Kontrast zu den 2,8 Millionen Einheiten aus den Glanzzeiten (t-online: 25.03.25).
Ein Markenname mit schwerer Vergangenheit
Die Geschichte des Unternehmens ist geprägt von wiederkehrenden Turbulenzen. Fusionen und wirtschaftliche Rückschläge ziehen sich wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte. Die weltweite Finanzkrise 2008 ließ Chrysler fast kollabieren. Nur durch Insolvenzverfahren und umfangreiche Staatshilfen blieb die Marke am Leben. Auch die spektakuläre Fusion mit Daimler brachte nicht die erhofften Synergien, sondern Millionenverluste. Der Zusammenschluss mit Fiat mündete schließlich in der Gründung des heutigen Stellantis-Konzerns.

Trotz dieser Neuausrichtungen konnte Chrysler keine nachhaltige Erholung erzielen. Der Minivan Pacifica – eingeführt im Jahr 2016 – bleibt das letzte nennenswerte Modell im Portfolio. Pläne zur Elektrifizierung existieren zwar, konkrete Fortschritte jedoch kaum. Stellantis kündigte 2021 an, Chrysler bis 2028 vollständig auf Elektromobilität auszurichten. Doch bislang fehlen greifbare Resultate.
Warnsignale aus der Konzernzentrale
Auch Stellantis selbst rutscht zunehmend in die Krise. Im ersten Halbjahr 2024 sank der Nettogewinn um fast die Hälfte auf 5,6 Milliarden Euro. Der Konzernumsatz schrumpfte um 14 Prozent. Besonders dramatisch entwickelte sich das Geschäft in Nordamerika – dem bedeutendsten Markt der Gruppe. Hier brach der Gewinn im dritten Quartal um 20 Prozent ein. In einem offenen Brief forderten Händler aus den USA eine Kurskorrektur. Sie warfen dem Management mangelnde Transparenz und schlechte Kommunikation vor.
Konzernchef Carlos Tavares ließ intern keinen Zweifel aufkommen: „Wenn sie es nicht schaffen, angemessene Werte zu erwirtschaften, werden Entscheidungen getroffen.“ Die ersten Konsequenzen folgten schnell. Tavares selbst verliert seinen Posten, während Stellantis das Markenportfolio strafft. Chrysler zählt zu den Marken, deren Zukunft nun auf dem Prüfstand steht – gemeinsam mit weiteren einst glanzvollen Namen.
Große Vergangenheit, unsichere Zukunft
Der Niedergang trifft eine Ikone der Automobilgeschichte. Gegründet von Walter P. Chrysler im Jahr 1925, stieg das Unternehmen rasch zu einem der drei größten US-Autobauer auf. Mit Modellen wie dem Chrysler Six und durch Übernahmen von Marken wie Dodge und Imperial konnte die Marke über Jahrzehnte Erfolge feiern. In den 1950er Jahren galt Chrysler als Inbegriff technischer Innovation. Der Chrysler Airflow setzte neue Maßstäbe im Fahrzeugdesign und gilt als Vorreiter der aerodynamischen Bauweise.
Doch die Ölkrise der 1970er Jahre und zunehmender Wettbewerbsdruck schwächten die Marktposition. Die vielbeachtete Fusion mit Daimler-Benz 1998 mündete in Enttäuschung. Nach dem Rückzug der Deutschen folgten Übernahmen, Umstrukturierungen und ein schleichender Bedeutungsverlust.
Ein Unternehmen vor dem letzten Kapitel
Heute steht Chrysler sinnbildlich für einen Konzern ohne klare Vision. Der Rückstand bei Elektromobilität, die magere Modellpalette und das fehlende Innovationsmomentum erschweren eine Wende. Händler und Marktanalysten zweifeln an der Überlebensfähigkeit der Marke. Auch innerhalb der Stellantis-Gruppe erscheinen andere Marken zukunftsfähiger. Mit 14 Marken im Portfolio sucht der Konzern nach Straffung und Effizienz. Chrysler droht dabei durch das Raster zu fallen.
Ein Unternehmen, das sich über Jahrzehnte immer wieder neu erfunden hat, steht nun möglicherweise vor dem letzten Kapitel seiner Geschichte. Ob zum Jubiläum ein Neuanfang gelingt oder das Ende einer Ära besiegelt wird, bleibt offen. Doch die Zeichen stehen nicht auf Aufbruch, sondern auf Abschied.
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