Chinas Windkraftindustrie hat Europa im Blick. Deutsche Hersteller von Windturbinen sind kaum gerüstet. Das erhoffte Wirtschaftswachstum durch die Energiewende in Deutschland bleibt aus. Das jüngste Branchentreffen in Husum hätte gut laufen können. Der Markt für Windräder boomt, und die Politik ist auf der Seite der Industrie. Aber nicht alles lief reibungslos. Dennis Rendschmidt vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau warnte, dass chinesische Firmen in Europa bereits Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 2,8 Gigawatt planen oder errichtet haben. Führungskräfte aus der Windenergiebranche stimmten ihm zu. Vertreten waren unter anderem Nordex, Vestas und Enercon. Jochen Eickholt von Siemens-Gamesa brachte es auf den Punkt: Alle deutschen Hersteller stecken in den roten Zahlen. Gründe sind Qualitätsschwierigkeiten, steigende Kosten und lange Genehmigungsverfahren (Welt: 15.09.23).
Asiatische Konkurrenz setzt deutsche Windkraftindustrie unter Druck
Chinesische und indische Konkurrenten planen, in den europäischen Markt einzutreten. Während deutsche Industrievertreter ihre Probleme diskutierten, verteilte die chinesische Firma Sany Re bereits Werbematerial für ihre neue Windkraftanlage 919 – und das in deutscher Sprache. Gregoir de Fouchier von Sany Europe betonte, dass sie auch eine Produktionsstätte in Europa ins Auge fassen.
Die Situation erinnert an die Krise der deutschen Solarindustrie vor zehn Jahren. Damals brach sie unter dem Druck chinesischer Hersteller zusammen. Heute sind neun von zehn Solarmodulen in Deutschland chinesischer Herkunft. Lange dachte man, der Windenergie-Sektor wäre sicher. Jetzt aber macht die asiatische Konkurrenz ernst – in einer Zeit, in der die deutschen Hersteller besonders anfällig sind.
Chinas Einfluss auf die Energiewende in Deutschland wächst
Olaf Scholz und andere Politiker hatten ein „Wirtschaftswunder“ durch die Energiewende in Deutschland vorausgesagt. Doch jetzt sind es chinesische Firmen, die im Geschäft mit erneuerbaren Energien führend sind. Sie bieten Solarzellen zu sehr niedrigen Preisen an, während deutsche Hersteller zurückstecken müssen.
Chinas Einfluss geht weiter: Sie produzieren auch Windturbinen in großen Mengen. Das macht die Turbinen günstiger. Siemens-Gamesa-Chef Eickholt warnte: „Mehr als 50 Prozent aller Windkraftanlagen weltweit installiert China. Dort entstehen Kapazitäten, die uns Skalen-Nachteile bescheren.“ Der Experte befürchtet, dass China bald den Exportmarkt dominieren könnte.
China hat bereits in europäischen Ländern wie Serbien, Rumänien und Italien Windräder installiert. Auch in Deutschland testet RWE eine Anlage des chinesischen Herstellers Goldwind. Die Mehrheit des deutschen Turbinenbauers Vensys gehört ebenfalls einem chinesischen Unternehmen.
Gefahr der Abhängigkeit von China
Bis zu 70 Prozent der Teile in deutschen Windkraftanlagen stammen bereits aus China. Das schafft eine Abhängigkeit, die riskant sein könnte, besonders in politischen Krisen. Dennis Rendschmidt von VDMA Power Systems betont, dass Deutschland diese Abhängigkeit reduzieren sollte.
Als Lösung schlägt die deutsche Windkraftindustrie vor, nur Firmen an Ausschreibungen für Windpark-Projekte teilnehmen zu lassen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Das könnten europäische Standards in Arbeitsrecht und Umweltschutz sein sowie ein bestimmter Anteil an europäischer Wertschöpfung.
Für Zuschüsse aus Deutschland könnten spezielle Anforderungen auch für US-Hersteller gelten. Dimitri Schneider von GE Wind Energy betont, dass solche Anforderungen die Kosten für Windkraft nicht in die Höhe treiben dürfen. Eine andere Möglichkeit, um weniger von China abhängig zu sein, besteht im Import aus Indien.
Bei der „Husum Wind“ Messe erhielt der indische Adani-Konzern ein Typenzertifikat für seine neue 5,2 Megawatt-Turbine. Windguard-Manager Lars Weigel erklärte bei der Übergabe: „Die Zertifizierung bestätigte Adani nicht nur höchste Qualitäts- und Sicherheitsstandards, sondern ebnet vor allem den Weg für die internationale Anerkennung des Produkts. Somit kann Adani mit der Serienproduktion beginnen.“
Adani plant zuerst, den nordamerikanischen und australischen Markt zu bedienen, bevor es nach Deutschland kommt, so COO Milind Kulkarni. Im Gegensatz zu deutschen Windrädern, bei denen 70 Prozent der Teile aus China stammen, sind bei Adani 60 Prozent der Teile indisch. Nur ein kleiner Teil kommt aus China.
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