Bundesweite Bauernproteste aus Solidarität mit niederländischen Kollegen

Nach den in den Niederlanden seit Tagen Bauern protestieren, gibt es jetzt auch erste bundesweite Bauernproteste in Deutschland. Auch hierzulande gehen die Landwirte mit ihren Traktoren auf die Straße um ihren Unmut gegen die aktuelle Politik kund zu tun. Ihrem Protest schließen sich Personen mit Umsturzfantasien an.


Protest auf Autobahnbrücken

Auf mindestens 200, möglicherweise auch bis zu 300 Autobahnbrücken protestierten am Sonntagabend (10. Juli 2022) die deutschen Landwirte. Die Zahlen stammen von der Bauernorganisation LsV Nordrhein-Westfalen („Land schafft Verbindung“). Die Proteste sollen in den kommenden Tagen ausgeweitet werden (t-online: 11.07.2022).

Bundesweite Bauernproteste aus Solidarität mit niederländischen Kollegen. Bundesweit gehen die Landwirte auf die Straße.
Bundesweite Bauernproteste aus Solidarität mit niederländischen Kollegen. Bundesweit gehen die Landwirte auf die Straße.

Initiator ist der Bundesverband LsV. Seine Mitglieder stellten ihre landwirtschaftliche Fahrzeuge teilweise dicht an dicht auf die Autobahnbrücken, auch Menschengrüppchen versammelten sich dort. Blockaden wolle man aber nach Angaben des LsV bislang nicht vornehmen. Auch waren die meisten Aktionen polizeilich angemeldet worden.

Viele der Proteste findet bislang in NRW wegen der Nachbarschaft zu den Niederlanden statt. Dorthin waren in den letzten Tagen schon nordrhein-westfälische Bauern gereist, um ihre niederländischen Kollegen bei ihrem Protest zu unterstützen. Diese wehren sich gegen Umweltauflagen, welche Ammoniakeinträge begrenzen sollen. Diese Auflagen entsprechen dem EU-Recht, waren aber von der niederländischen Regierung bislang nicht durchgesetzt worden. Dementsprechend extensiv wirtschafteten die niederländischen Bauern. Wenn sie den neuen Auflagen folgen, dürften das rund 30 Prozent ihrer Viehbetriebe nicht überstehen.


Ähnliche Entwicklung in Deutschland?

Die deutsche Landwirtschaft hat ein ähnliches Problem, wenngleich es sich nicht ganz so schwerwiegend darstellt. Gegen Deutschland läuft inzwischen ein milliardenschweres EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen Grenzwertüberschreitungen von Nitrateinträgen im Trinkwasser, die offenkundig wegen extensiver Düngung der Felder überschritten werden. Also muss auch die Bundesregierung handeln. Dagegen wehren sich nun die deutschen Landwirte.

Ein Sprecher des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes bezeichnete die Umweltgesetzgebung als teilweise überzogen. Sie könne die hiesige Agrarstruktur sehr negativ beeinflussen. Die deutschen Bauernproteste finden daher nicht nur aus Solidarität mit den Kollegen im Nachbarland statt. Man befürchtet vielmehr ähnliche Entwicklungen hierzulande, die schon im Gange sind. Am Freitag (8. Juli 2022) hatte der Bundesrat eine Verwaltungsvorschrift gebilligt, welche die Ausweisung von nitratbelasteten Gebieten vorsieht. Das wird zur Änderung der Düngeverordnung führen.

Die hiesigen Landwirten erwarten nun eine längere Phase der Rechtsunsicherheit und befürchten kalte Enteignungen oder gar Berufsverbote. Zudem glauben sie nicht, dass die Agrarwirtschaft allein für die Nitratbelastung verantwortlich ist. Die Auswirkungen einer verschärften Gesetzgebung dürften in Deutschland zwar nicht ganz so gravierend ausfallen wie in den Niederlanden, doch die Sorgen genügen, um die Bauern auf die Straßen respektive Autobahnbrücken zu bringen.


Organisation der Proteste

Die Bauern hatten sich in WhatsApp-Gruppen gegenseitig mobilisiert und den Protest gut vorbereitet. In NRW waren mancherorts niederländische Fahnen zu sehen, auch trugen die Landwirte Plakate mit Aufschriften wie „Wir für Bauern“, „Bauerntod, Hungersnot“ oder „5 vor 12 – Bauern in Not“. Die ersten Aktionen begannen schon am Sonntagnachmittag. In Sachsen war die Mobilisierung besonders groß, hier sahen Beobachter die längsten Korsos von Landmaschinen auf Autobahnbrücken.

In Sachsen wurde auch am stärksten der Protest von rechten Gruppierungen vereinnahmt, die teilweise unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. So setzte etwa die Junge Alternative Chemnitz-Erzgebirge einen Tweet ab, in dem es hieß, dass die Bauernproteste wohl bei den lokalen Widerstandsgruppen noch nicht vollständig angekommen seien, dass man aber an der Vernetzung arbeite. Auch die „Freien Sachsen“ und Identitäre beteiligen sich an den Protesten. Die „Identitäre Bewegung“ will in Sachsen nach eigenen Angaben den lokalen Widerstand tatkräftig unterstützen. Eines ihrer Banner, das sie unter Beobachtung der Bauern aufstellte, prangerte den sogenannten „Great Reset“ an, eine Verschwörungstheorie gegen vermeintliche globalistischen Pläne von Eliten.

Bei den „Freien Sachsen“ spielen Funktionäre der rechten Bewegung „Pro Chemnitz“ und der NPD eine wichtige Rolle. Sie versuchen offenkundig, die Bauernproteste zu vereinnahmen, wogegen sich Vertreter der Landwirte wehren. Nach deren Angaben haben die niederländischen Kollegen dasselbe Problem. Auch dort versuchen rechte Gruppierungen, die Demonstrationen zu unterwandern. Auf Telegram hatte sich ein Vertreter der Reichsbürgerszene stark positioniert, der für Forderungen nach einem Deutschland in den Grenzen vor 1945 bekannt ist und wohl auch zu den Köpfen des deutschen Ablegers der russischen „Nationalen Befreiungsbewegung“ gezählt wird. Diese Gruppierung ist mit „Landvolk schafft Verbindung“ vernetzt, einer Telegram-Gruppe, die wiederum mit der Corona-Protestszene kooperiert.


Gefährliche politische Gemengelage

Rechte Gruppierungen wünschen offenbar, dass sich Bauern ihren Umsturzversuchen gegen die Regierung anschließen. Verbindungen bestehen auch zur Querdenkerszene und zur Verschwörungsgruppierung QAnon. Selbst gegen die EU-Sanktionen gegen Russland könnten diese Gruppen mobil machen, weil die Landwirte von der Gasknappheit betroffen sind. In Ostdeutschland gibt es schon Probleme bei der Düngemittelversorgung.

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