Brüssel lehnt Habecks Pläne zum Bau neuer Gaskraftwerke ab

Die EU-Kommission hat den deutschen Plänen schnellen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 einen herben Dämpfer verabreicht. Die EU will keine Genehmigung für den Bau neuer Gaskraftwerke in Deutschland erteilen, zumindest nicht so wie es sich Wirtschaftsminister Habeck vorstellt (Handelsblatt: 27.06.23) . Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich beim Tag der Industrie noch optimistisch und sagte, dass nur noch die Genehmigung der EU-Kommission für den Bau neuer Gaskraftwerke fehle. Es klang, als ob es nur eine Formalität sei.


EU-Kommission stellt Energiewende auf den Prüfstand: Große Bedenken beim Ausbau von Gaskraftwerken

Informationen aus Verhandlungskreisen zeigen, dass die Lage anders ist, als es sich die Regierung vorstellt. Die EU-Kommission hat große Bedenken hinsichtlich der Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums, Anreize für den Bau von Gaskraftwerken mit einer installierten Leistung von 25 Gigawatt (GW) zu schaffen. Interne Vermerke belegen dies. Die EU-Kommission scheint nicht bereit zu sein, den deutschen Vorstellungen eine beihilferechtliche Genehmigung zu erteilen.

EU-Kommission stellt Energiewende auf den Prüfstand: Große Bedenken beim Ausbau von Gaskraftwerken. Gaskraftwerke als Backup in Gefahr
EU-Kommission stellt Energiewende auf den Prüfstand: Große Bedenken beim Ausbau von Gaskraftwerken. Gaskraftwerke als Backup in Gefahr
Bild: Dirk Vorderstraße, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Die neuen Gaskraftwerke sind entscheidend für das Gelingen der Energiewende und den Ausstieg aus der Kohle bis 2030. Die neuen Anlagen müssen in Betrieb sein, wenn das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Moderne Gaskraftwerke dienen als Backup für Phasen, in denen erneuerbare Energien nicht verfügbar sind. Sie sind damit das Rückgrat der deutschen Energiewende.

Sie übernehmen die Funktion der Kohlekraftwerke als „gesicherte Leistung“. Die mit Erdgas betriebenen Gaskraftwerke sollen nach den Vorstellungen von Wirtschaftsminister Habeck später mit grünem Wasserstoff betrieben werden.


Deutschlands ehrgeiziges Ziel: 25 GW aus Gaskraftwerken bis 2030 – Investoren sollen belohnt werden

Die Erreichung von 25 GW ist eine große Herausforderung. Wenn man bedenkt, dass ein einzelnes Gaskraftwerk eine Leistung von 500 Megawatt (MW) hat, wären 50 neue Kraftwerke erforderlich, um das Ziel von 25 GW zu erreichen. Das ist sehr ehrgeizig. Da Planung, Genehmigung und Bau eines Kraftwerks sechs bis sieben Jahre dauern, muss die große Bauphase spätestens 2024 beginnen.

Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hat angekündigt, dass noch Ende dieses Jahres die ersten Auktionen stattfinden sollen. Investoren, die ein Kraftwerk bauen, sollen dafür eine finanzielle Belohnung erhalten.

Eine Prämie ist allerdings notwendig, da die neuen Gaskraftwerke voraussichtlich immer seltener Strom erzeugen. Die potenziellen Betreiber befürchten, dass sie ihre Investitionen nicht zurückverdienen können, wenn ihre Kraftwerke nur wenige Stunden im Jahr in Betrieb sind. Deshalb will Habeck bereits die Bereitstellung der Kraftwerkskapazität honorieren.

Streit um Energiewende: EU-Kommission fordert Reformen und klare Bedingungen für den Bau neuer Kraftwerke

Die EU-Kommission besteht auf Technologieoffenheit und grenzüberschreitenden Lösungen. Sie vertritt die Ansicht, dass die von Deutschland geplanten Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit den europäischen Regeln für Kapazitätsmechanismen entsprechen müssen. Dies bedeutet, dass das auszuschreibende Volumen der gesicherten Leistung genau bestimmt werden muss. Darüber hinaus bedarf es einer grundlegenden Reform des Strommarktdesigns und der Öffnung der Ausschreibung für alle geeigneten Technologien, auch grenzüberschreitend.

Es besteht eine tiefe Kluft zwischen den Vorstellungen der Kommission und denen des Bundeswirtschaftsministeriums, das eine schnelle und unkomplizierte Lösung bevorzugt. Ein Insider aus der Branche sagt, dass das Wirtschaftsministerium „langsam mit der Realität im Bereich der Beihilfegesetze konfrontiert wird“.

Die Branche ist zunehmend verunsichert und fordert seit Wochen klare Bedingungen für den Bau neuer Kraftwerke. Kerstin Andreae, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), hat kürzlich betont, dass ein Investitionsrahmen schnell erforderlich ist.


Streit um Vergütung: Gaskraftwerke als Backup in Gefahr

Es ist offensichtlich, dass ein Kraftwerk, das als Backup für Zeiten mit geringer Sonnen- und Windenergie dient, aufgrund der geringen Betriebsstunden und einer Vergütung pro erzeugter Kilowattstunde für Investoren nicht rechnet.

Brancheninsider berichten von Meinungsverschiedenheiten zwischen Brüssel und Berlin zu dieser Frage. Die Kommission besteht darauf, den erzeugten Strom zu vergüten, während das Ministerium die Bereitstellung von Kraftwerkskapazität fördern möchte. Offiziell heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dass intensive Gespräche mit der Kommission stattfinden, die auf allen Ebenen konstruktiv verlaufen. Gelingt es Habeck nicht, die EU-Kommission zu überzeugen, kann die Regierung den Kohleausstieg ad acta legen, denn diese müssten dann weiterhin als „gesicherte Leistung“ in Betrieb bleiben. Damit kann man aber auch die gesamte Energiewende als gescheitert bezeichnen, denn es war ja das ursprüngliche Ziel ohne Kohle auszukommen.

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