Brisanter Brief: Habecks Hoffen auf französischen Atomstrom

Ein bislang unveröffentlichter Brief von Robert Habeck sorgt im Untersuchungsausschuss zur Energiekrise 2022 für Diskussionen. Der grüne Wirtschaftsminister wandte sich im Sommer 2022 an Frankreichs Energieministerin Agnès Pannier-Runacher. Er wollte wissen, wann die französischen Kernkraftwerke wieder ausreichend Strom liefern könnten – eine zentrale Frage, um den deutschen Atomausstieg zu vollenden. Diese Enthüllung zeigt, wie eng die deutsche Energiepolitik mit Frankreichs Atomkraft verbunden war (cicero: 27.11.24).


Untersuchungsausschuss enthüllt neue Details

Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Energiekrise beleuchtet zunehmend die Rolle von Habecks Wirtschaftsministerium. Während zu Beginn die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke und die Rolle des Umweltministeriums im Fokus standen, wird nun auch Habecks direkter Einfluss geprüft. Kommende Zeugenaussagen der damaligen Chefs großer Kraftwerksbetreiber – Markus Krebber (RWE), Frank Mastiaux (ehemals EnBW) und Guido Knott (Preussen-Elektra) – könnten weitere Einblicke liefern. Kernfrage bleibt, ob die Betreiber tatsächlich den 2011 beschlossenen Atomausstieg stützten oder bereit waren, die Laufzeiten zu verlängern.

Neue Enthüllung im Untersuchungsausschuss: Bettelte Robert Habeck in einem Brief an Agnès Pannier-Runacher nach Atomstrom aus Frankreich?
Neue Enthüllung im Untersuchungsausschuss: Bettelte Robert Habeck in einem Brief an Agnès Pannier-Runacher nach Atomstrom aus Frankreich?
Photo by Emin Sansar / ANADOLU / Anadolu via AFP

Der Ausschuss wurde initiiert, nachdem durch Recherchen des Magazins Cicero atompolitische Manipulationen offengelegt wurden. Brisant ist vor allem ein vertraulicher Brief Habecks an Pannier-Runacher. Dieser zeigt, dass Deutschland trotz gegenteiliger Aussagen öffentlich auf französischen Atomstrom hoffte.

Ein Brief, der vieles erklärt

Im Brief, datiert auf den 8. August 2022, fragt Habeck direkt, ob die französische Regierung ihr Ziel erreiche, bis Januar 2023 mindestens 50 Gigawatt Kernkraftleistung ans Netz zu bringen. Für die Stabilität des deutschen Stromnetzes im Winter war diese Information entscheidend. Zu diesem Zeitpunkt führten die deutschen Übertragungsnetzbetreiber unter der Aufsicht von Habecks Staatssekretär Patrick Graichen einen Stresstest durch. Dieser prüfte, ob das Stromnetz trotz Gasmangel und Atomausstieg sicher bleibt.

Frankreichs Stromversorgung war stark beeinträchtigt. Viele Reaktoren wurden aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen vom Netz genommen. Für Deutschland, das im europäischen Verbundnetz eng mit Frankreich verbunden ist, hatte dies erhebliche Folgen. Während Frankreich früher häufig Strom aus Deutschland bezog, kehrte sich diese Abhängigkeit durch den deutschen Atomausstieg um.

Habecks Idee einer „Einsatzreserve“

Nach dem Stresstest präsentierte Habeck die Idee, zwei Kernkraftwerke als „Einsatzreserve“ bereitzuhalten. Doch diese Planung erwies sich als kompliziert und sicherheitstechnisch riskant. Die Übertragungsnetzbetreiber hatten empfohlen, alle drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke über den Winter laufen zu lassen. Habeck hingegen wollte diese Entscheidung von der Entwicklung der französischen Stromproduktion abhängig machen. In einer Pressekonferenz erklärte er offen, dass ein Streckbetrieb möglich wäre, falls Frankreichs Atomstrom nicht wie geplant verfügbar ist.

Der französische Briefwechsel zeigt jedoch, dass die Sicherheit der deutschen Stromversorgung in Teilen von den Fortschritten bei französischen Kernkraftwerken abhing. Pannier-Runacher betonte, dass das Wartungsprogramm ohne Verzögerungen abgeschlossen werden müsse, um die Kapazitätsziele zu erreichen. Eine Garantie gab es nicht, was die Unsicherheiten in der deutschen Energiepolitik verstärkte.


Kanzlerentscheid beendet die Debatte

Letztlich entschied Olaf Scholz per Kanzleranweisung, alle drei Kernkraftwerke bis April 2023 im Streckbetrieb zu belassen. Diese Entscheidung stellte den Konflikt zwischen ideologischen Zielen der Grünen und den realen Herausforderungen der Energieversorgung klar dar. Mitglieder der SPD im Ausschuss deckten zudem auf, dass Habecks Vorschlag einer „Einsatzreserve“ sicherheitstechnisch problematisch gewesen wäre.

Der Untersuchungsausschuss zeigt deutlich, wie politische Überzeugungen und pragmatische Zwänge in der Energiekrise aufeinanderprallten. Der Brief an Frankreich unterstreicht, dass Habeck bereit war, auf französischen Atomstrom zu setzen, um den deutschen Atomausstieg abzusichern. Für die Grünen war dies ein riskanter Balanceakt, um ihr politisches Erbe zu retten.

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