Autohersteller und ihre Zulieferer verwenden ihre Gewinne aus dem traditionellen Geschäft mit Verbrennungsmotoren, um die Entwicklung neuer Elektroauto-Modelle zu finanzieren. Dieser Bereich wird jedoch immer weiter reduziert, was bei den Beschäftigten Sorgen um ihre Arbeitsplätze hervorruft (rnd: 10.07.23).
Erleichterung bei Beschäftigten – Bosch schließt betriebsbedingte Kündigungen bis 2027 aus
In der Autoindustrie sorgte eine wichtige Ankündigung in der letzten Woche für große Aufmerksamkeit: Das Unternehmen Bosch, genauer gesagt die Zuliefersparte des internationalen Technologie- und Dienstleistungsunternehmens, gab eine Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und den Arbeitnehmervertretungen bekannt, die die Zukunft von 80.000 Mitarbeitern in Deutschland betrifft. Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis Ende 2027 ausgeschlossen werden.
Diese Vereinbarung kommt den Mitarbeitern zugute, die im herkömmlichen Bereich der Verbrennungsmotoren tätig sind. Sowohl bei den Autoherstellern als auch bei den Zulieferern laufen seit langem Transformationsprozesse, die Ängste vor Arbeitsplatzverlusten verstärken. Insbesondere der Übergang zur Elektromobilität wird viele Arbeitsplätze kosten.
Elektroautos und ihre Antriebsstränge bestehen aus deutlich weniger Teilen im Vergleich zur Verbrennungstechnologie. Zudem gewinnt die Entwicklung von Software für elektronische Vernetzung und Fahrassistenzsysteme an Bedeutung. Spezialisten für diese Bereiche werden eher neu eingestellt, während Umschulungen für Verbrennungsmotoren-Fachkräfte selten sind. Der VW-Konzern bemüht sich zumindest bei der Umstrukturierung seiner Werke darum. Darüber hinaus werden aus Kostengründen vermehrt neue Produktionsstandorte in Osteuropa geplant. Dies hat bereits zu erheblicher Unruhe in der Belegschaft von Bosch geführt. Die Zulieferersparte ist der größte Bereich des Unternehmenriesen und hat im letzten Jahr fast 60 Prozent des Umsatzes von insgesamt 88 Milliarden Euro erwirtschaftet. Weltweit sind über die Hälfte der rund 420.000 Mitarbeiter in diesem Bereich tätig.
Umsätze steigen, aber hohe Kosten bedrohen die Rentabilität
Für Bosch-Chef Stefan Hartung dürfte es nun zumindest für die kommenden Jahre beruhigend sein, dass Ruhe einkehrt. In einem Zeitungsinterview mit der Welt am Sonntag betonte er kürzlich, dass das Ziel der Transformation darin besteht, sie sozial verträglich zu gestalten. Laut Hartung sind weltweit 1,4 Milliarden Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs, und die gesamte Autoindustrie hat derzeit eine Produktionskapazität von knapp unter 90 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Um das Ausmaß des Wandels zu verdeutlichen, führte er an: „Selbst wenn wir ab morgen nur noch vollelektrische Fahrzeuge bauen würden – was allein schon wegen fehlender Batteriekapazitäten nicht möglich ist – bräuchten wir mindestens 15 Jahre, um alle auszutauschen“ (Welt: 12.07.23).
Nach den Schwierigkeiten mit den Lieferketten und der Chipkrise infolge der Corona-Pandemie laufen die Geschäfte in der Branche wieder. Die 100 größten Autozulieferer weltweit konnten ihre Umsätze dank Preiserhöhungen und einer höheren Fahrzeugproduktion deutlich steigern. Laut einer Studie der auf den Automobilsektor spezialisierten Unternehmensberatung Berylls erhöhten sie im vergangenen Jahr ihren Umsatz gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 16 Prozent auf 1064 Milliarden Euro.
Höhere Kosten für Material und Energie verringerten jedoch die Rentabilität auf durchschnittlich 5,6 Prozent – die Gewinnmargen waren nur während des Höhepunkts der Pandemie geringer. Es gab jedoch starke regionale Unterschiede. Laut der Studie hatte Europa unter den hohen Energiekosten zu leiden, während chinesische Unternehmen kaum davon betroffen waren. Dieser Effekt zeigte sich besonders deutlich in Deutschland.
Deutsche Zulieferer verlieren Marktanteil gegenüber chinesischer Konkurrenz – Pessimismus prägt die Zukunftsaussichten der Branche
Die deutschen Zulieferer Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental sind weiterhin führend auf der Liste der Top-100-Zulieferer, zusammen mit dem japanischen Unternehmen Denso. Auch Mahle, Schaeffler, Brose, Eberspächer, Dräxlmaier und ThyssenKrupp gehören zu den Großen aus Deutschland. Allerdings „verzeichnen koreanische und chinesische Zulieferer außergewöhnlich starke Zuwächse, während der Marktanteil deutscher und japanischer Unternehmen weiterhin zurückgeht“, so die Branchenexperten.
Die Konkurrenz aus China wird immer stärker. In den kommenden Jahren dürften sich die Umsatz- und Margenverschiebungen zugunsten chinesischer Zulieferer fortsetzen, erklärt Alexander Timmer, Partner bei Berylls. „Die fortschreitende Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeuge sind maßgebliche Treiber dafür.“ Möglicherweise blickt die Branche auch deshalb so pessimistisch in die Zukunft wie schon lange nicht mehr. Derzeit profitieren die Hersteller noch von hohen Auftragsbeständen, die sich aufgrund fehlender Bauteile im letzten Jahr aufgestaut hatten und nun allmählich schwinden. Neue Aufträge bleiben aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage kaum eingehen. Laut dem deutschen Autohersteller-Branchenverband VDA wurden im Juni 20 Prozent weniger Bestellungen registriert als im Vorjahr. Seit Jahresbeginn ist die Anzahl der Inlandsaufträge um 27 Prozent gesunken.
Alarmierende Geschäftsaussichten: Autohersteller und Zulieferer in großer Unsicherheit
Die Geschäftsaussichten werden äußerst negativ eingeschätzt. Laut einer Umfrage des Münchener Ifo-Instituts, die letzte Woche veröffentlicht wurde, beurteilen deutsche Autohersteller ihre Geschäftsaussichten so negativ wie seit der internationalen Finanzkrise nicht mehr. Der entsprechende Indikator ist bereits zum fünften Mal in Folge gesunken.„Die Autobauer sind sehr unsicher, ähnlich wie zu Beginn des Ukraine-Kriegs oder als im Herbst das Risiko einer Gasrationierung für die Industrie deutlich anstieg“, sagte Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Es ist kein Wunder, dass es laut der Umfrage den Zulieferern derzeit ebenfalls an Zuversicht mangelt.
Lesen Sie auch:
- Massiver Stellenabbau bei Bosch
- Zulieferer warnen – deutsche Automobilindustrie ist nicht mehr wettbewerbsfähig
- Bosch investiert 1,5 Milliarden Dollar in neue Chipfabrik in Kalifornien
- Deindustrialisierung in Deutschland: Autoindustrie leidet unter Energiekrise