Wie wir bereits in unserem Artikel „Die Anfänge der Elektrifizierung Deutschlands“ geschrieben haben, wurde der elektrische Strom anfangs nur für die Beleuchtung benötigt. Dabei hatte jede einzelne dieser Beleuchtungseinrichtungen einen eigenen Generator, dessen Antrieb entweder durch eine Dampfmaschine oder einen stationären Gasmotor erfolgte. 1888 patentierte Nikola Tesla den ersten Elektromotor für Wechselstrom. Damit war es auch möglich, Maschinen, die zuvor durch Wasserkraft oder mit Dampfmaschinen angetrieben wurden, elektrisch anzutreiben. Allerdings musste man den Strom dafür nach wie vor lokal erzeugen. Verbundnetze wie wir sie heute kennen gab es damals noch nicht.
Der Elektromotor löst Antrieb über Transmissionsriemen ab
Damit war es auch möglich, Maschinen, die zuvor durch Wasserkraft oder mit Dampfmaschinen angetrieben wurden, elektrisch anzutreiben. Mit dem Elektromotor war es möglich, Pumpen, Sägen, Mühlen, Webmaschinen und vieles mehr einzeln ohne die störanfällige Transmissionsriemen anzutreiben. Nachdem es 1891 gelang hochgespannten Drehstrom zwischen Frankfurt am Main und Lauffen bei Heilbronn über eine Strecke von 176 Kilometer zu transportieren, setzte sich in Deutschland der Wechselstrom durch. Mit dem Wechselstrom wuchs auch der Wirkungsradius der Kraftwerke deutlich an, der zuvor auf wenige Kilometer begrenzt war. Jetzt konnte man die Kraftwerke direkt an den Rohstoffquellen wie Braunkohlegruben, Stauseen oder Flüsse bauen. Westinghouse und Tesla bauten am Niagara 1895 das erste Großkraftwerk der Welt. Nur drei Jahre später nimmt in Rheinfelden an der Grenze zur Schweiz das größte Wasserkraftwerk in Europa den Betrieb auf.
Erfindung der Dampfturbine macht Kraftwerke leistungsfähiger
Große Kohlekraftwerke entstanden, deren Antrieb anfänglich mit Dampfmaschinen erfolgte. Allerdings lag der Wirkungsgrad dabei bei gerade einmal zehn Prozent. Mit der Erfindung der Dampfturbine war es um die Jahrhundertwende möglich, den Wasserdampf weitaus effizienter zu nutzen. Die ersten einsetzbaren Dampfturbinen entwickelten 1883 der Schwede Carl Gustav Patrik de Laval und 1834 der Engländer Charles Parsons. Mit der Dampfturbine erhöhte sich der Wirkungsgrad gegenüber der Dampfmaschine von 10 auf 30 Prozent. Durch den drastisch gestiegenen Wirkungsgrad werden dann auch die Kohlekraftwerke immer größer und leistungsfähiger.
Kraftwerke schießen wie Pilze aus dem Boden
Mit der Erfindung des Elektromotors steigt auch der Strombedarf. Deshalb schießen die Elektrizitätswerke wie Pilze aus dem Boden. Im Jahr 1900 gibt es bereits 652 Kraftwerke. Im Jahr 1913 gibt es dann schon 4.040 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2.100 MW. Ab den 1920er-Jahren kommt die Elektrizität dann auch großflächig auf dem Land an. Mit entsprechenden Hochspannungsleitungen kann man den Strom über immer größere Distanzen transportieren. Die Stromnetze werden immer größer, sind allerdings immer noch eigenständig und an einzelne Kraftwerke gebunden.
1924 entsteht das erste Verbundnetz
Im Jahr 1924 gelang es, mit einer Leitung zwischen Pulheim in Nordrhein-Westfalen und zwei Wasserkraftwerken im Schwarzwald und in Österreich, erstmals mehrere Teilnetze zum ersten Verbundnetz zu verbinden. Dieses erste Verbundnetz, in das mehrere Kraftwerke gleichzeitig einspeisen konnten, hatte eine Länge von insgesamt 600 Kilometern. Damit war der Weg frei, um weitere Verbundnetze zu schaffen, die letztendlich bis zum europäischen Stromverbund ausgebaut wurden.
In der Reihe um die Geschichte des Stroms sind bisher folgende Artikel erschienen:
Wer hat den elektrischen Strom erfunden?
Die Anfänge der Elektrifizierung Deutschlands
Der Stromkrieg um Gleichstrom und Wechselstrom