Die Regierung will den Ausbau von Windkraftanlagen massiv beschleunigen. Doch diese haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Nach rund 20 Jahren Betrieb müssen viele Windräder abgebaut werden, da entweder ihre Betriebserlaubnis ausläuft, oder sich der Betrieb nach Auslauf der staatlichen Subventionen für die Betreiber nicht mehr rentiert. Alleine im Jahr 2021 wurden rund 6.000 Anlagen mit einer installierten Leistung von knapp 4.500 Megawatt (MW) vom Netz genommen. Dabei gibt es bis heute noch kein praktikables Recyclingkonzept für die Rotoren aus Verbundfasermaterial und der Schrottberg wächst von Jahr zu Jahr. Mit dem wachsenden Ausbau erneuerbarer Energien wächst auch das Schrottproblem (focus: 08.02.23).
Der Ausbau der Windenergie
Windenergie ist ein wesentlicher Faktor für den Übergang hin zu einer klimafreundlichen Energieversorgung und stellt in Deutschland den größten Anteil an erneuerbarer Stromerzeugung dar. Aktuell sind landesweit etwa 30.000 Anlagen in Betrieb, die eine Kapazität von 58 Gigawatt aufweisen. Bis 2030 soll diese Kapazität mehr als verdoppelt werden.
Um den Wind möglichst effektiv zu nutzen, wurden die Windenergieanlagen in den letzten Jahren immer größer. Die Rotorblätter können bis zu 50 Meter lang sein und wiegen über 25 Tonnen.
Laut Dieter Stapf vom Karlsruher Institut für Technologie bewegt sich die Spitze der Flügel manchmal mit Geschwindigkeiten bis zu 400 Kilometern pro Stunde. Kleinere Windkraftanlagen erreichen sogar halbe Schallgeschwindigkeiten. Dies, zusammen mit Wettereinflüssen wie Regen, Schnee, Hagel oder Salzwasser auf See, beeinträchtigen das Material dauerhaft. Infolge der hohen Belastungen ist die Lebensdauer von Windkraftanlagen begrenzt.
Frühzeitiges Ende für viele Windräder aufgrund auslaufenden staatlichen Subventionen
Viele Windräder werden nach 20 Jahren, obwohl ihre Lebensdauer bis zu 30 Jahre betragen könnte, abgeschaltet. Das liegt am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2000, das nur 20 Jahre lang Einspeisevergütungen für Anlagenbetreiber garantiert. Ohne die Unterstützung wird der Betrieb vieler älterer Windräder unrentabel, da die Kosten für Wartung und Reparatur mit zunehmendem Alter steigen.
Laut Berechnungen des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard wurden im Jahr 2021 rund 6.000 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von knapp 4.500 Megawatt (MW) stillgelegt. Diese Anlagen fielen nach 20-jähriger Laufzeit aus der EEG-Subvention. In den kommenden Jahren werden jährlich weitere Windräder mit einer installierten Leistung von 2.000 bis 3.000 MW aus der EEG-Vergütung fallen.
Windradmüll-Krise in Deutschland: Keine Lösung in Sicht für steigende Abfallmenge
Nach dem Bundes-Immissionsgesetz ist es verboten, stillgelegte Windräder einfach in der Landschaft stehenzulassen. Daher müssen die Betreiber diese zurückbauen. In Deutschland fallen jährlich bereits etwa 10.000 Tonnen Windradmüll an. Laut Angaben des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologien wird diese Abfallmenge bis 2045 voraussichtlich viermal so hoch sein. Die Frage, wohin mit den Rotoren und Masten, stellt die Branche vor große Herausforderungen beim Recycling.
Bisher fehlen verbindliche Regelungen für die Entsorgung oder nachhaltige Wiederverwertung der Materialien aus stillgelegten Windkraftanlagen. Es ist nicht festgelegt, ob beispielsweise die Fundamente vollständig oder nur oberflächlich entfernt werden sollen. Das Umweltbundesamt betont, dass die Verantwortung hierbei beim Betreiber liegt, da die große Vielfalt an Anlagen und Standorten individuelle Rückbaupläne erfordern.
Windkraft: Recycling-Behauptungen entpuppen sich als Scheinlösung
Obwohl viele Betreiber behaupten, dass bei der Demontage eines Windrads bis zu 90 % der Materialien recycelt werden können, ist diese Bilanz bei näherer Betrachtung eher trübe. Zwar können Materialien wie Beton, Stahl und Kupfer aus dem Mast recycelt werden, jedoch ist nur das Recycling von Metallen wirtschaftlich rentabel.
Obwohl Altbeton in der Baubranche wiederverwendet wird, ist die Verarbeitung zu Recyclingbeton sehr energieaufwendig. In Deutschland gibt es auch keine etablierten Verfahren zur Wiederverwendung der Seltenen Erden, die in den Generatoren-Magneten verbaut sind.
Windkraft-Rotorblätter: Mehr Recycling-Fantasie statt Realität
Das Entsorgen der Rotorblätter stellt eine noch größere Herausforderung dar. Diese bestehen aus Glas oder Carbonfaser, die mit Kunstharz verklebt und daher schwer in Einzelteile zerlegbar sind. Beim Zertrennen werden auch gefährliche Faserstäube freigesetzt. In Deutschland ist es seit 2005 verboten, diese Art von Kunststoff auf Mülldeponien zu entsorgen. Deshalb werden die alten Flügel bisher als Brennstoff in Zementöfen verwendet, was zwar den Einsatz von Schweröl ersetzt, aber bei der Verbrennung sehr viel CO₂ und giftige Gase freisetzt. Daher kann hier von einem echten Recycling nicht die Rede sein. Dazu kommt, dass der hohe Glasfaseranteil zur „Verglasung“ der Öfen führt, was deren Wirkungsgrad drastisch reduzierten kann.
Nach einer Studie des Umweltbundesamtes werden jedes Jahr in diesem Jahrzehnt durchschnittlich 20.000 Tonnen schwer zu recycelnder Rotorblattabfälle bei dem Rückbau von Windenergieanlagen produziert. Die Zahl steigt tendenziell. Die Experten befürchten, dass die Rotorblätter unzureichend entsorgt werden oder für eine Scheinentsorgung ins Ausland, wie in die USA, ausgeführt werden, wo bereits mehrere Deponien für ausgemusterte Rotorblätter existieren.
Windkraft-Recycling: Eine Herausforderung für Unternehmen und Branche
Der Druck auf die Entwicklung von Recyclingverfahren für ausgemusterte Windräder wächst aufgrund der beschleunigten Energiewende. Obwohl derzeit nur wenige Unternehmen in diesem Bereich tätig sind, dürfte die lukrative Nische in Kürze Start-ups anziehen. Ein Beispiel dafür ist der Bremer Entsorgungsdienstleister Neocomp, der an Lösungen für eine umweltfreundliche Zerkleinerung und Verarbeitung von verklebten Kunststoffen arbeitet.
Auch die Anlagenbauer sind gefordert. Der Nachhaltigkeitsanspruch muss bereits bei der Konstruktion der Windräder ein fester Bestandteil sein, um die Recyclingfähigkeit der Anlagen zu verbessern.
Schrottberg wird in Zukunft weiter steigen
Mehrere Windenergieanlagenbauer, darunter Vestas aus Dänemark und Siemens Gamesa aus Spanien, haben bereits ihre Nachhaltigkeitsziele bekannt gegeben. Sie wollen bis 2040 „abfallfreie“ Windenergieanlagen mit recycelbaren Rotorblättern bauen. Bis dahin müssen bei den geplanten Ausbauzielen der Regierung mehr als 30.000 Windkraftanlage zurückgebaut werden und der Schrottbergberg wird weiter stetig ansteigen.
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