Deutschlands Energiewende setzt auf grünen Wasserstoff. Als Schlüsseltechnologie soll er Erdgas ersetzen – vor allem in Industrie und Schwerlastverkehr. Doch eine neue Studie offenbart gravierende Fehlkalkulationen. Der bislang favorisierte Wasserstoff aus Afrika kostet erheblich mehr als angenommen und birgt hohe Risiken. Forschende der TU München, der ETH Zürich und der University of Oxford zeigen: Die bisherigen Erwartungen an Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit sind kaum haltbar (spiegel: 02.06.25).
Wasserstoff aus Afrika wirtschaftlich kaum tragfähig
Von rund 10.000 untersuchten Standorten auf dem afrikanischen Kontinent eignen sich lediglich zwei Prozent für den Export nach Europa.

Technische Herausforderungen treffen dort auf politische Instabilität. „Grünen Wasserstoff in Afrika für den Export nach Europa zu produzieren, ist deutlich teurer als angenommen“, erklärt Stephanie Hirmer von der University of Oxford. Die bisher genutzten Modelle unterschätzen die Risiken, besonders in Ländern mit schwacher Infrastruktur und unsicheren Investitionsbedingungen.
Transport und Umwandlung treiben die Kosten
Grüner Wasserstoff entsteht durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom aus Wind- und Solarkraft. Für den Export muss das Gas in Trägerstoffe wie Ammoniak umgewandelt, verschifft und in Europa wieder rückverwandelt werden. Dieser Prozess verursacht enorme Verluste und Zusatzkosten. Selbst Länder mit günstiger Stromerzeugung – etwa Namibia – benötigen klare Lieferverträge. Ohne garantierte Preise und Mengen bleibt Wasserstoff aus Afrika kaum wettbewerbsfähig.
Finanzierungsmodelle blenden reale Risiken aus
Viele Investitionspläne basieren auf pauschalen Annahmen. „Die gängigen Modelle für Grüner-Wasserstoff-Anlagen nutzen meist pauschale Finanzierungskosten“, warnt Florian Egli von der TU München. In der Praxis unterscheiden sich jedoch Kreditbedingungen, Wechselkursrisiken und politische Stabilität massiv von Land zu Land. Ohne differenzierte Bewertung lassen sich keine belastbaren Geschäftsmodelle entwickeln.
Wasserstoffprojekte ohne Nutzen für die Bevölkerung
Die Studie kritisiert nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Defizite. Großprojekte drohen an der lokalen Bevölkerung vorbei zu entstehen. „Wenn der momentane Hype nicht mit sinnvollen politischen Maßnahmen unterfüttert wird, riskieren wir Projekte, die am Schluss weder kostengünstig sind noch einen Mehrwert für die Bevölkerung vor Ort schaffen“, warnt Studienautorin Hirmer. Ohne sozialen Rückhalt könnten Infrastrukturprojekte scheitern oder Widerstand hervorrufen.
Importstrategie mit unsicherer Grundlage
Laut Wasserstoffstrategie der Bundesregierung liegt der Bedarf bis 2030 bei rund 130 Terawattstunden. Mindestens 50 bis 70 Prozent dieser Menge sollen aus dem Ausland kommen – häufig ins Auge gefasst: Wasserstoff aus Afrika. Doch die neue Studie zeigt, dass viele Annahmen auf unrealistischen Grundlagen basieren. Nach 2030 dürfte der Bedarf weiter steigen, doch die Importabhängigkeit könnte sich als riskanter Engpass erweisen.
Fazit: Illusionen gefährden Versorgungssicherheit
Afrika bietet theoretisch große Potenziale, doch hohe Kosten, politische Risiken und fehlende soziale Einbindung dämpfen die Erwartungen. Wer auf Wasserstoff aus Afrika setzt, muss realistisch kalkulieren und differenziert bewerten. Eine sichere Versorgung braucht mehr als ambitionierte Ziele – sie verlangt belastbare Partnerschaften, transparente Kosten und tragfähige Konzepte. Nur so lässt sich der Wasserstoffhochlauf erfolgreich gestalten.
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