Die Autovermietungsbranche steht vor erheblichen Herausforderungen. Elektroautos erweisen sich für sie als teurer und unpraktischer als Verbrennerfahrzeuge. Große Autovermieter wie Sixt und Hertz hatten zuvor Deals mit Herstellern wie Tesla und BYD abgeschlossen. Jetzt stehen sie vor kostspieligen Fehlschlägen. Jens Hilgerloh, Chef der Starcar-Gruppe, erläuterte die Gründe hinter diesem Desaster und die Verzweiflung der Automobilhersteller (elektroauto-news: 10.06.24).
Sixt in der Krise: Millionenverlust trotz steigender Umsätze – Elektroautos als Problem
Anfang März 2024 war die Stimmung bei Sixt noch positiv. Das Unternehmen verzeichnete im ersten Quartal fast elf Prozent höhere Vermieterlöse. Dies lag vermutlich an den Streiks bei Lufthansa und Deutscher Bahn. Trotz dieser Umsatzzuwächse meldete Sixt Anfang Mai einen Verlust von 23,1 Millionen Euro. Dies entspricht einem Minus von über 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Hauptverantwortlich für diesen Verlust sind die fallenden Fahrzeugrestwerte, besonders im Bereich der Elektroautos, erklärte Sixt-Finanzvorstand Kai Andrejewski. Sixt und andere Autovermieter seien in eine „Elektrofalle“ getappt. Jens Hilgerloh von der Starcar-Gruppe betont zudem, dass Elektroautos für die Autovermietung nicht praktikabel seien. Für sein Unternehmen sei ein E-Auto aktuell mindestens 50 Prozent teurer als ein vergleichbarer Verbrenner. Diese Einschätzung wird von den Erfahrungen anderer großer Vermieter geteilt.
Hertz hatte angekündigt, bis zu 100.000 Fahrzeuge von Tesla und bis zu 65.000 von Polestar zu kaufen. Auch Sixt plante 2022, bis zu 100.000 BYD-Modelle in ihre Flotte zu integrieren. Doch damals konnten Volkswagen, BMW und Mercedes nicht die benötigten Mengen liefern. Mittlerweile hat sich die Situation umgekehrt: Die Hersteller könnten mehr und schneller liefern als gewünscht, aber Kunden meiden die Elektroautos der Vermieter, sodass keine weiteren E-Autos mehr aufgenommen werden sollen. Bei Starcar ist die Situation ähnlich: Aktuell ist dort nur rund jedes zwanzigste Auto elektrisch.
Elektromobilität in der Krise: Warum Autovermieter den E-Autos den Rücken kehren
Der Aufschwung der Elektromobilität stockt, nicht zuletzt, weil die Förderungen sukzessive gestrichen wurden. Im Juli 2023 lag der Marktanteil von Elektroautos noch bei 20 Prozent, im April 2024 waren es nur noch 12,2 Prozent. Und das, obwohl immer mehr Elektromodelle auf den Markt kommen und auch verfügbar sind. Für die Autohersteller ist der Markt mit Vermietern und Carsharinganbietern wichtig, da diese fast elf Prozent aller Neuzulassungen in Deutschland ausmachen und so helfen, die Werke besser auszulasten.
Manche Hersteller versuchen nun, Autovermieter dazu zu zwingen, einen Teil ihrer Bestellungen auf Elektroautos umzustellen, oft ohne die übliche Rücknahmevereinbarung. Folglich müsste bei einer Fahrzeugbestellung ein gewisser Anteil elektrisch sein, so wollen es die Konzerne. Hilgerloh lehnt dies ab, da er das Risiko nicht eingehen möchte, selbst wenn ihnen die Autos mit hohen Rabatten angeboten würden. Hertz musste infolge der gescheiterten Elektroauto-Offensive Abschreibungen in Höhe von 245 Millionen Dollar hinnehmen. Stephen Scherr, der Anfang 2022 als CEO antrat, um Hertz mit großen Deals mit Tesla und Polestar zu einem Elektroauto-Vorreiter zu machen, trat im März dieses Jahres zurück. Hertz hat inzwischen seine Elektroauto-Bestellungen massiv reduziert, viele Fahrzeuge verkauft und stattdessen Verbrenner bestellt.
Sixt stoppt Tesla-Bestellungen: Warum Elektroautos für Vermieter zum Problem werden
Sixt plant für 2024 noch einen operativen Gewinn von 350 bis 450 Millionen Euro, indem Co-CEO Alexander Sixt den Anteil an Elektroautos in der Flotte massiv gesenkt und die Bestellung weiterer Teslas zeitweise komplett gestoppt hat. Tesla-Chef Elon Musk lehnt Rückkaufvereinbarungen zu fixen Konditionen ab, sodass Vermieter sehen müssen, wie sie die Elektroautos weiter vermarkten. Hilgerloh betont im Gespräch auch, dass gebrauchte E-Autos schwer zu verkaufen seien, da es wenig Nachfrage gibt.
Zudem sei der Umgang mit Elektroautos für die Vermieter komplizierter. Das Tanken eines Verbrenners dauert nur etwa eine Viertelstunde, während das Aufladen eines E-Autos drei bis sechs Stunden in Anspruch nehmen kann, wenn keine Schnellladestation verfügbar ist. Dies stellt eine Herausforderung dar, besonders an Mietstationen mit 150 bis 250 Autos, wo täglich zwischen 30 und 50 „Check-outs“ stattfinden, erklärt Hilgerloh. Die Ladeinfrastruktur reicht nicht aus, um diese Menge an Fahrzeugen effizient zu bewältigen, da Vermieter ihre Standorte oft nur mieten und die Eigentümer wegen zu hoher Investitionen nicht in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren möchten.
„Elektroautos sind seit dem Wegfall der Subventionen in der Anschaffung viel teurer. Der Strom ist teuer. Die Ersatzteile, insbesondere die Batterien, sind auch wahnsinnig teuer“, so der Starcar-Chef weiter. Kunden, die E-Autos mieten, tun dies aus Überzeugung, müssen aber bereit sein, höhere Kosten zu tragen. Auch wenn die Hersteller diesen Umstand längst erkannt haben und nach Lösungen fragen, bleibt die Antwort meist klar: Die Vermieter sehen für Elektroautos derzeit keine praktikablen und rentablen Lösungen.
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