Die Bundesregierung strebt bis 2035 die vollständige Energieversorgung aus Sonne und Wind an. Eine bisher wenig beachtete Studie stellt jedoch die Umsetzbarkeit dieses Plans infrage. Sie widerlegt die Hoffnung auf deutlich billigere Energie (welt: 12.11.23).
Die Wahrheit über Energie-Studien: Politische Bestätigung oder unabhängige Analyse
In der Energiewirtschaft gibt es zwei Arten von Studien: Eine Art bestätigt politische Wünsche und wirkt beruhigend. Diese Studien werden oft im Auftrag der Regierung oder von finanzstarken Umweltorganisationen erstellt.
Die Institute, die solche Studien durchführen, sind häufig von staatlichen Aufträgen und den Geldern der Umweltorganisationen abhängig. IDie Autoren verstecken Unsicherheiten im Kleingedruckten. Dadurch wird die gewünschte Botschaft über die Vorteile der ökologischen Energiewende in die Zusammenfassung gebracht.
Es gibt auch andere Studien, die von unabhängigen Experten erstellt werden, ohne staatliche Aufträge, sondern als Grundlage für Beratungsdienste. Die Ergebnisse solcher Studien bleiben oft unbekannt. Das liegt daran, dass sie ohne die mediale Unterstützung der Regierung und Umweltorganisationen kaum verbreitet werden können.
Eine dieser Studien ist die Analyse „Zukunft des deutschen Strommarktes“ der Berliner Beratungsfirma e.venture. Bisher haben nur Fachzeitschriften wie die „Zeitung für kommunale Wirtschaft“ (ZfK) über die Berechnungen berichtet. Diese Berechnungen sollten eigentlich viel Aufmerksamkeit erregen.
Energiewende-Mythen: Expertenanalyse widerlegt Regierungsversprechen
Der Autor der Studie, Florian Haslauer, ein anerkannter Experte in der Energiewirtschaft, widerlegt zusammen mit seinem Team detaillierte Aussagen der Regierung zur Energiewende. Das auf der Website des Unternehmens e-vc.org frei verfügbare Dokument trägt die Überschrift „Auswirkungen eines dekarbonisierten Stromsystems auf Versorgungssicherheit, Investitionserfordernisse und Marktdesign“.
Die Versprechungen der Energiewende, günstigen Strom zu liefern, halten der Analyse nicht stand. Das Ergebnis ist ernüchternd und hat politische Bedeutung.
Haslauer stellt das Regierungsziel, Deutschland bis 2035 vollständig mit Strom aus Sonne und Wind zu versorgen, infrage. Selbst unter optimistischen Annahmen zum Ausbau erneuerbarer Energien reicht es nicht aus. Dies gilt auch unter Berücksichtigung aller üblichen Speicher- und Flexibilitätsoptionen, mit denen Energiemarkt-Modellierer arbeiten.
Warum Sonne und Wind allein nicht ausreichen
In der e.venture-Studie steht: „Trotz des starken Ausbaus der erneuerbaren Energien und der bilanziellen Deckung des Jahresstromverbrauchs durch diese Energien ist eine bedarfsgerechte, sichere Stromversorgung ausschließlich durch Photovoltaik und Wind nicht gewährleistet.“
Das Problem ist bekannt: Sonne und Wind + folgen dem unbeständigen Wetter, sodass sie nur selten den Netzbedarf genau decken. Planer der Energiewende setzen hier auf „Flexibilität“.
Wenn die Nachfrage nach Strom nicht mit dem Angebot von Wind- und Solaranlagen übereinstimmt, wird das sogenannte „demand-side-management“ aktiviert. Dies bedeutet, dass Industriebetriebe ihre Produktion gegen Entgelt herunterfahren und Kühlhäuser für einige Stunden ihre Kältemaschinen abschalten.
Auch Privatpersonen sollen die Möglichkeit haben, das Aufladen von Batterien für Elektroautos und Wärmepumpen nachts zu verschieben, wie von den Netzbetreibern vorgesehen. Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur bereiten derzeit die Grundlage für solche Maßnahmen in der Novelle des Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes vor.
Stromnetz im Ungleichgewicht: Die Kluft zwischen Regierungsplänen und Realität der Energiewende
Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass solche Flexibilitäten im mehrstelligen Gigawattbereich verfügbar sein werden, um den schwankenden Ökostrom aus Wind und Sonne auszugleichen. Allerdings zweifeln Berechnungen von Florian Haslauer daran.
Haslauer kommt zu dem Schluss, dass „etwa 1600 Stunden im Jahr eine Abschaltung der erneuerbaren Energien zu erwarten ist, da alle anderen Möglichkeiten zur Verwertung der Strommengen ausgeschöpft sind“. Dies würde bedeuten, dass dies in fast jeder fünften Stunde des Jahres der Fall ist.
Die Bundesregierung schlägt vor, nur wenige Gaskraftwerke vorzuhalten, die selten einspringen müssen und mit teurem, klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können. Es ist die Rede von neuen Gaskraftwerken mit 21 Gigawatt Kapazität, die bis 2030 gebaut werden sollen. Haslauer und sein Team gehen jedoch davon aus, dass über 1800 Stunden pro Jahr signifikante Einsatzzeiten für flexible Kraftwerke benötigt werden, was einem Fünftel des Jahres entspricht.
Energiewende: Droht teurer Strom? Die unberücksichtigten Herausforderungen und Kosten
Die Wasserstoffmengen, die für einen solchen Betrieb von Backup-Kraftwerken erforderlich wären, sind bisher nicht berücksichtigt. Darüber hinaus werden 21 Gigawatt Gaskraft nicht ausreichen. Selbst wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien wie geplant erfolgt, prognostizieren Haslauer und sein Team bis 2040 einen Bedarf von 75 Gigawatt flexiblen Gaskraftwerken, um die Schwankungen von Wind und Sonne auszugleichen. Dies entspräche nahezu der gesamten Spitzenlast im aktuellen Stromnetz, die als Backup-Kapazität vorgehalten werden müsste.
Die Tatsache, dass Wind und Sonne keine Kosten verursachen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Wenn Haslauers Berechnungen stimmen, hat die Aussicht auf günstigen Strom keine Grundlage.
Das Fazit seiner Studie lautet: „Die Strompreise werden im Jahresdurchschnitt 2040 bei 120 Euro pro Megawattstunde liegen, was etwa dem Zweieinhalbfachen des Vorkrisenniveaus entspricht.“
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