Stahlindustrie in Duisburg: Krise bedroht deutschlandweit 55.000 Jobs

Die Stahlproduktion hat in Duisburg eine große Tradition seit dem 19. Jahrhundert. Derzeit werden hier jährlich 13 Millionen Tonnen Rohstahl verarbeitet, aus denen 2.000 verschiedene Spezialstähle entstehen. Damit ist Duisburg der größte Stahlstandort in Europa, der allein in der Region mehrere Tausend Arbeitsplätze sichert. Doch die Branche liefert auch zu, weshalb an ihr in Deutschland Zehntausende Jobs hängen. Nun steht die Stahlindustrie in Duisburg vor dem Abgrund, sie kämpft vor allem mit den hohen Energiepreisen und auch einem grassierenden Fachkräftemangel. Es droht ein Jobabbau, der in weiten Teilen der einheimischen Wirtschaft eine Kettenreaktion auslösen könnte. (telepolis, 20.03.2025)


Krise der deutschen Stahlindustrie

Deutschlands Stahlindustrie – seit über 150 Jahren ein harter Kern des Wirtschaftserfolges – kriselt schon länger. Duisburg ist wegen seiner schieren Dimension der hier ansässigen Stahlproduzenten das Epizentrum der negativen Entwicklung. Immerhin produzieren diese in ihren Werken entlang des Rheins knapp die Hälfte des einheimischen Stahls. Rund 19.000 Beschäftigte hat die Stahlbranche in Duisburg, die meisten arbeiten bei ThyssenKrupp Steel. Vom dortigen Werksgelände kommen täglich etwa 30.000 Tonnen Roheisen. Nach Zahlen des IW Köln musste der internationale Konzern aber seit 2019 fast 11 % seiner Arbeitsplätze abbauen.

Duisburgs Stahlindustrie steht vor dem Aus: Hohe Energiepreise und Fachkräftemangel bedrohen tausende Jobs – mit gravierenden Folgen für ganz Deutschland.
Duisburgs Stahlindustrie steht vor dem Aus: Hohe Energiepreise und Fachkräftemangel bedrohen tausende Jobs – mit gravierenden Folgen für ganz Deutschland.

Größtes Problem: Energiepreise in Deutschland

Neben den allgemeinen typisch deutschen Problemen der Bürokratie und des Fachkräftemangels leiden die Stahlhersteller vor allem an den hierzulande viel zu hohen Energiepreisen. Deutschland ist ein weltweit preislicher Spitzenreiter beim Strom: Anfang 2025 ist er nur noch in der atlantischen Bermudaregion teurer als bei uns. Vor allem deutsche Industriekunden mit hohen Verbrauchsmengen werden in Relation zu anderen Staaten viel zu sehr belastet. Das verteuert die einheimische Stahlproduktion, die daher international immer schlechter konkurrieren kann und über einen Auftragsrückgang klagt. In jüngster Zeit spitzt sich die Krise zu, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen:

  • Der Wert aller Bestellungen sank im dritten Quartal 2024 um 9,4 % gegenüber dem Vorquartal (Q2 2024).
  • Der Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum lag bei 9,7 %.
  • Das führte zu einem im Quartalsvergleich schrumpfenden Auftragsbestand um 4,9 %.
  • Die Stahlhersteller, die ihre Werke auslasten wollen, fuhren die Produktion um 0,7 % gegenüber dem zweiten Quartal 2024 zurück. Die Umsatzverluste fielen allerdings höher aus (siehe weiter unten).

Deutschlands Stahlindustrie unter Druck: Energiepolitik offenbart Wettbewerbsnachteile

Die Energiepreise, welche die Stahlbranche so stark belasten, sind infolge des Ukraine-Krieges europaweit gestiegen. Doch andere Länder haben offenkundig geschickter als Deutschland darauf reagiert – mit einer klugen Einkaufspolitik, Industriesubventionen (die auch hierzulande diskutiert, aber nicht eingeführt werden) sowie mit politischen Schachzügen der Regierungen in Ungarn, der Slowakei und sogar Österreich: Diese Länder lassen sich ihre günstigen Gaslieferungen aus Russland nicht verbieten. Das mag umstritten sein, schützt aber die jeweilige Industrie und private Verbraucher im Land. Deutschland ist deshalb besonders von der Energiekrise betroffen, weil unsere Stahlindustrie der Teil der Metallerzeugung und -bearbeitung ist, der den meisten Strom und andere Energieformen benötigt.

Die Auswirkungen lassen sich wiederum durch Zahlen belegen: Anfang 2022, vor Beginn des Krieges, lag das Niveau der deutschen Stahlproduktion 5,2 % über dem gegenwärtigen Stand. Natürlich steuern Konzerne wie ThyssenKrupp Steel gegen, sie sparen an anderer Stelle und bieten ihren Industriekunden immer noch Stahl zu halbwegs vertretbaren Preisen an. Doch das stößt an Grenzen, wie die sinkenden Umsätze der deutschen Stahlindustrie belegen. Der Rückgang vom zweiten zum dritten Quartal 2024 betrug 1,8 %. Nun bleibt als letzte Sparmaßnahme nur noch ein deutliches Schrumpfen der Produktion. Das bedeutet Entlassungen, die in den kommenden Jahren nach den Statements mehrerer Stahlunternehmen zunehmen werden.


Folgen für andere Branchen

Die Duisburger Stahlkrise ist ein Problem, das weit über den Standort und die Branche hinausreicht. Eine neue Studie von IW Consult belegt, welche gravierenden Folgen der anhaltende Stellenabbau in Duisburg für die deutsche Gesamtwirtschaft hat. Die Wissenschaftler rechneten verschiedene Szenarien durch und kamen zu alarmierenden Ergebnissen: Wenn 11.000 Jobs bei den Stahlherstellern in Duisburg wegfallen, gefährdet das mittelfristig bis zu 55.000 Arbeitsplätze in ganz Deutschland. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte dadurch um 5,6 Milliarden Euro sinken. Besonders abhängig vom Duisburger Stahl sind die deutschen Automobil- und Maschinenbauer. Sie würden in der Folge teureren Stahl aus dem Ausland importieren. Die Wertschöpfung in der Automobilindustrie könnte um 1,3 Milliarden Euro schrumpfen. In den Branchen Metall- und Maschinenbau wären es 820 Millionen und 730 Millionen Euro.

Grüner Stahl aus Duisburg?

Eine grüne Stahlproduktion auf Wasserstoffbasis ist derzeit die größte Hoffnung für die Duisburger Hersteller und ihre Belegschaften. Hierfür muss aber die deutsche Politik dringend die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Darauf weist die Studienautorin Benita Zink hin. Gleichzeitig soll die Gesamtwirtschaft widerstandsfähiger und vielseitiger werden. Die Duisburger Region benötigt daher neue, zukunftsträchtige Industrien. Nur so wird unsere Wirtschaft krisenfester.

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