Slowakei könnte den Stromexport in Nachbarstaaten drosseln

Die Slowakei hat die EU aufgefordert, gegen hohe Gewinne vorzugehen, die manche EU-Staaten durch den Weiterverkauf von billigem slowakischen Strom erzielen. Nun droht das Land, den Strom für den Eigenbedarf der inländischen Unternehmen und Haushalte vorzubehalten – und zwar zu weitaus niedrigeren Preisen für die slowakischen Kunden (Euractiv, 03.10.2022).


Hintergrund

Bratislava fordert eine Änderung des EU-Notfallplans für Energie. Dieser sieht eine Obergrenze für den Gaspreis vor, doch diese könnte in ihrer Ausgestaltung zu Benachteiligungen für Exporteure von günstigem Strom wie die Slowakei führen. Daher will das Land seine Stromexporte in die EU, darunter auch nach Deutschland, künftig drosseln, wenn seine Forderungen nach einer angemessenen europäischen Energiepolitik nicht berücksichtigt werden. Der slowakische Ministerpräsident Eduar Heger hatte am vergangenen Freitag (30. September 2022) gesagt, dass man eine Lösung erwarte, die alle Staaten der EU gerecht behandle und überall wirksam sei. Dazu gehöre unter anderem eine Besteuerung der unverhältnismäßigen Gewinne von Energiekonzernen auf gesamteuropäischer Ebene. Diese Gewinne müssten dann entsprechend der nationalen Verbrauchsniveaus auf die einzelnen EU-Mitgliedsländer umverteilt werden. Die EU-Kommission hatte dagegen bei ihrem letzten Treffen des Energierates im September deutlich weniger radikale Maßnahmen angekündigt.

Die Slowakei fordert eine Änderung des EU-Notfallplans. Das Land droht damit,  den Stromexport in die EU-Staaten zu drosseln
Die Slowakei fordert eine Änderung des EU-Notfallplans. Das Land droht damit, den Stromexport in die EU-Staaten zu drosseln
Bild:LMih, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Ausgestaltung der europäischen Energiepreisbremse

Am vergangenen Freitag hatte sich der EU-Ministerrat auf neue Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise geeinigt. Diese sehen im Detail vor, dass die Markterlöse für Stromerzeuger mit günstigen Technologien (erneuerbare Energien, Kernkraft, Braunkohle) auf 180 €/MWh gedeckelt werden. Diese Obergrenze soll mithin die Rentabilität der betreffenden Betreiber erhalten. Es sollen weiterhin Gewinne für Investitionen in die erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen. Jedoch soll der über den Deckel hinausgehende Betrag abgeschöpft werden, um schwächere, aber wichtige Marktakteure und die Verbraucher zu stützen. Kritik an der Maßnahme kam jedoch vom slowakischen Wirtschaftsminister Karel Hirman.

Dieser verwies darauf, dass der größte slowakische Stromerzeuger Slovenské elektrárne schon jetzt an deutsche Kunden Strom für einen deutlich niedrigeren Preis verkauft, nämlich für rund 100 €/MWh. Man habe nun festgestellt, so Ministerpräsident Heger, dass die betreffenden deutschen Unternehmen diesen Billigstrom mit riesigen Gewinnspannen weiterverkaufen. Wenn der zitierte Strompreisdeckel so kommt, würde der Gewinn immerhin noch 80 % betragen. Daher forderte Heger die anderen Mitgliedsstaaten auf, solche Übergewinne zu besteuern. Das Geld solle dann an diejenigen Länder zurückgehen, die den Strom so günstig produziert haben. Das wäre in diesem Fall die Slowakei.


Drohung aus der Slowakei

An ihre Kritik fügten Heger und Hirman eine Drohung an: Die europäischen Partner sollten bitte zur Kenntnis nehmen, dass die Slowakei sich selbst helfen werde, wenn die Hilfe der EU-Kommission ausbleibe. Man werde dann den im Land erzeugten Strom für die eigenen Betriebe und Haushalte verwenden, und zwar Preisen deutlich unter denen an der Leipziger Strombörse. Diese Drohung hat einen Pferdefuß für die Slowakei: Die EU-Kommission kann gegen Abweichler Strafmaßnahmen verhängen. Eine dieser Vergeltungsmaßnahmen könnte der Stopp der Gastransits durch das Land sein, für welche die Slowakei erhebliche Durchleitungsgebühren erhält. Das wissen Heger und Hirman natürlich. Die EU spaßt auch mit solchen Drohungen nicht, sie leitet durchaus Vertragsverletzungsverfahren gegen ihre Mitgliedsstaaten ein (zuletzt gegen Deutschland wegen der Verletzung von Umweltauflagen). Daher legte Heger im Verhandlungspoker umgehend nach:

Es gebe durchaus auch andere Möglichkeiten, so der slowakische Ministerpräsident. Der einheimischen Industrie könne man unter anderem dadurch helfen, dass endlich ungenutzte, für das Land vorgesehene EU-Mittel von bis zu vier Milliarden Euro freigegeben würden. Diese Mittel liegen brach, weil die Slowakei als Empfänger bislang die zweckgerichtete Verwendung der EU-Gelder nicht eindeutig belegen konnte. Nun könnte die slowakische Regierung versuchen, im Windschatten der jüngsten Energiekrise und angesichts der tatsächlichen Ungerechtigkeit bei den Strompreisen die strengen EU-Standards für die Mittelvergabe etwas aufzuweichen. Dagegen wehrt sich die EU-Kommission erfahrungsgemäß vehement. Es bleibt indessen abzuwarten, welchen Kompromiss die Akteure in den kommenden Wochen finden. Wenn er ausbleibt, droht Deutschland in der Tat der Verlust einer essenziellen Importmenge von dringend benötigtem Strom. Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts würde sich damit erhöhen.

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Zuletzt aktualisiert am September 25, 2024 um 11:30 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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