Die neuen digitalen Funkgeräte der Bundeswehr können nicht mit den Netzen des Katastrophenschutzes und der inneren Sicherheit kommunizieren. Diese schwerwiegende Inkompatibilität sorgt für heftige Kritik und birgt ernsthafte Risiken, besonders in Krisensituationen. Hinzu kommt, dass die Einführung der neuen Technologie um ganze zwei Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan liegt. Ursprünglich hätten die ersten Geräte bereits im November 2022 beim Militär eintreffen sollen, doch der Start verzögerte sich erheblich. Die Bundesregierung führt „höhere Gewalt“ durch die Corona-Pandemie und „Verzögerungen in Lieferketten“ als Gründe für diese Verzögerung an. Trotz eines Budgets von 254 Millionen Euro bleibt die Schnittstelle zur zivilen Verteidigung weiterhin unvollständig (golem: 10.11.24).
Verzögerte Umsetzung und Technikanbieter
Die Umstellung auf das neue Funksystem stellt eine komplexe Herausforderung dar. Das Verteidigungsministerium hat sich für Funkgeräte des US-Konzerns Motorola Solutions entschieden, die das alte Tetrapol-System ersetzen sollen. Neben Motorola Solutions sind auch SMAG Mobile Antenna Masts GmbH, Drehtainer und Elnic als Lieferanten beteiligt.
Die neue Technik soll nicht nur herkömmliche Tetra-Funkkommunikation ermöglichen, sondern auch LTE- und Satellitenverbindungen für flexiblere Einsätze bereitstellen. Dennoch bleibt die fehlende Anbindung an die Katastrophenschutznetze ein ungelöstes Problem, das erhebliche Auswirkungen auf die Funktionalität des Systems haben könnte.
Dringlichkeit und scharfe Kritik
Die Zeit drängt, da das alte Tetrapol-System nur noch bis Ende 2026 verwendet werden kann. Besonders brisant ist die Situation für die geplante Brigade in Litauen, die spätestens ab 2027 vollständig auf die neuen Funkgeräte angewiesen sein wird. Reinhard Brandl, Verteidigungsexperte der CSU, betont die Dringlichkeit einer Lösung. Er nennt die aktuelle Situation „einen Treppenwitz der Geschichte“ und hält es für untragbar, dass eine für die Sicherheit essenzielle Technologie ohne funktionierende Verbindung zu zivilen Strukturen eingeführt wird. Für ihn sind weitere Verzögerungen schlicht nicht akzeptabel.
Forderung nach zusätzlichen Frequenzen
Trotz der Verzögerungen und der anhaltenden Kritik fordert die Bundeswehr zusätzliche Frequenzen. Das Militär beansprucht 25 Prozent des TV-UHF-Bandes (470 bis 694 MHz) für die dauerhafte Nutzung. Die bisherigen Nato-Frequenzen zwischen 225 und 400 MHz reichen nicht mehr aus, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Die Forderung umfasst fünf Funkkanäle mit jeweils 8 MHz Bandbreite, die „unmittelbar“ bereitgestellt werden sollen. Doch diese Ansprüche auf Frequenzen könnten ernste Folgen für die ziviltechnische Nutzung haben, da dieser Bereich bisher für Antennenfernsehen (DVB-T2) und die Eventtechnik reserviert ist.
Auswirkungen auf zivile Frequenznutzer
Die angestrebte Frequenznutzung betrifft vorrangig den Bereich des DVB-T2-Antennenfernsehens sowie Eventtechnologien, die auf drahtlose Mikrofone und In-Ear-Monitore angewiesen sind. Veranstaltungsorganisatoren und Sendeanstalten könnten erhebliche Störungen erfahren, sollte die Bundeswehr Zugriff auf diese Frequenzen erhalten. Daher ist ein Kompromiss zwischen militärischen Anforderungen und zivilem Bedarf dringend erforderlich, um Nutzungskonflikte und Störungen zu vermeiden. Ein offener Dialog bleibt entscheidend, um eine Lösung zu finden, die die Balance zwischen der Sicherheit der Bevölkerung und den Anforderungen der Bundeswehr gewährleistet.
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