Die Franzosen müssen diesen Winter mit sechs bis zehn geplanten Stromabschaltungen rechnen. Xavier Piechaczyk, Chef des französischen Stromnetzbetreibers RTE schwört die Franzosen in einem Radiointerview auf geplante Stromausfälle im kommenden Winter ein. Viele Mieter, gerade im Großraum Paris, müssten sich darauf einstellen, mehrere Stunden im Dunkeln zu sitzen und selbst ihre elektrischen Öffner für die Haustür nicht nutzen zu können (Zeit: 01.12.22)
Frankreich plant rollierende Stromabschaltungen
Mittlerweile sei klar, dass Frankreich sechs- bis zehnmal in einigen Regionen den Strom abschalten muss, um einen Blackout im ganzen Land zu verhindern. Frankreich hat ein erhebliches Problem mit seiner Stromversorgung. Nach wie vor kann gut die Hälfte der 56 französischen Atomkraftwerke keinen Strom produzieren. Der Grund dafür sind entweder technische Defekte oder lange Wartungsarbeiten.
Präfekturen sollen Bewohner auf Stromabschaltungen vorbereiten
Die Regierung in Paris hat jetzt entsprechende Anweisungen an die Präfekturen verschickt, wie diese die Bewohner der Wohnviertel auf die geplanten Stromabschaltungen vorbereiten sollen. Laut RTE-Chef Piechaczyk werden bei jeder einzelnen Abschaltung einige Millionen Menschen betroffen sein. Diese Abschaltungen seien allerdings auf eine maximale Zeitdauer von zwei Stunden begrenzt. Die Präfekturen wurden jetzt aufgefordert, Gebiete zu benennen, in denen eine Stromabschaltung die geringsten Probleme bereitet. Von vorneherein sollen Krankenhäuser, Polizeistationen und Feuerwehren von den Abschaltungen ausgenommen werden. Piechaczyk geht davon aus, dass von den geplanten Stromabschaltungen rund 60 Prozent aller Menschen in Frankreich betroffen sein werden. Landesweit seien rund 4.000 Personen von elektrisch betriebenen medizinischen Geräten, wie zum Beispiel Dialysegeräten, abhängig. Diese Personen würden gesondert benachrichtigt und mit entsprechender Notfallausrüstung ausgestattet werden.
Die Stromabschaltungen finden rollierend statt. Dabei werden viele kleineren Gebiete gleichzeitig vom Netz genommen. In den entsprechenden Gebieten werden zu diesen Zeiten die Schulen geschlossen und die Züge und Metrolinien der Region stundenweise gestrichen. Das Autofahren bleibt zwar grundsätzlich erlaubt, allerdings sind in den Abschaltphasen auch die Verkehrsampeln und die Straßenbeleuchtungen betroffen. „Aber voraussichtlich wird jede Region nur einmal in diesem Winter betroffen sein“, sagte Piechaczyk.
Strom-Wetterbericht zeigt den Franzosen, in welcher Region Strom knapp wird
Seit Kurzem strahlt Frankreich über die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehsender einen Strom-Wetterbericht aus. Dort wird bekannt gegeben, in welchen Regionen aktuell der Strom knapp wird. Zusätzlich können sich die Franzosen eine App herunterladen, die sie stündlich über den vorhandenen und den benötigten Strom aufklärt. Das Groteske dabei: Diese App funktioniert bei Stromausfall nicht.
Regierung will wenigstens Notfallnummer in den betroffenen Gebieten aufrechterhalten
Laut Regierung arbeite man zurzeit noch daran, dass in den betroffenen Gebieten wenigstens die Notfallnummer 112 noch funktioniert, denn Internet, Festnetztelefon und Mobilfunktelefone funktionieren in den betroffenen Gebieten bei einer Stromabschaltung nicht mehr. Christel Heydemann, Generaldirektorin des größten französischen Telefonanbieters Orange, im Pariser Senat bereits: „Es ist illusorisch zu glauben, dass wir im Falle eines Stromausfalls unseren Service aufrechterhalten können.“ Ohne Strom für die benötigten Antennen könne auch die Notstromnummer nicht funktionieren. Heydemann geht sogar davon aus, dass es auch in Regionen mit Strom zu Ausfällen in der Telefonkommunikation kommen könnte. Eine entsprechende Situation sei noch nicht durchgespielt worden und deshalb sei auch nicht vorhersehbar, wie das gesamte Netz darauf reagiere.
Frankreich ist auf Stromimporte von seinen Nachbarländern angewiesen
Frankreich hat weltweit die größte Abhängigkeit von Atomkraft. Gut die Hälfte aller Franzosen heizt sogar mit Strom. Laut RTE-Chef Piechaczyk sollen im Januar voraussichtlich wieder 65 Prozent des üblicherweise produzierten AKW-Stroms zur Verfügung stehen. Ohne Stromimporte aus den Nachbarländern wäre Frankreich aktuell nicht in der Lage, seinen Strombedarf zu decken. „Wir haben das ganze Jahr über Strom importiert und werden jetzt im Winter von allen umliegenden Ländern massiv Strom einkaufen – aus Deutschland, Großbritannien, Italien, den Beneluxländern und Spanien“, sagte RTE-Chef Piechaczyk. Doch Strom ist mittlerweile in ganz Europa knapp.
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