Nach dem ersatzlosen Wegfall der Verordnung über abschaltbare Lasten (AblaV), steigt in der Industrie die Sorge vor abrupten Stromabschaltungen in diesem Winter. „Die Stromversorgung ist unter Stress und ihre Stabilität zunehmend in Gefahr – besonders jetzt im Winter“, sagte Franziska Erdle, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Metalle, der Welt. „Das ist leider keine Überraschung, sondern war zu befürchten“ (Welt: 26.11.22).
Verordnung über abschaltbare Lasten ersatzlos außer Kraft
Die Verordnung lief im Juli dieses Jahres ersatzlos aus, weil die EU-Kommission in dem Instrument eine Wettbewerbsverzerrung sah. „Wir halten es für falsch, dass die Bundesregierung das Instrument wissentlich aus der Hand gegeben hat“, sagt Erdle. Die Verordnung regelte vertraglich Stromabschaltungen zwischen Industriebetrieben und Stromnetzbetreibern bei Stromknappheit. Alleine im vergangenen Jahr kam es laut des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) zu 61 Stromabschaltungen, um die Netzstabilität zu sichern. Auch beim Stresstest zur Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke haben die Netzbetreiber der Bundesregierung im September dringend empfohlen, das entfallene vertragliche Lastmanagement wieder zu ermöglichen. Dies ist allerdings bis heute nicht geschehen. Die Netzbetreiber haben deshalb nur noch die Möglichkeit, Stromabschaltungen auf Basis des Paragraphen 13.2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vorzunehmen. Dies würde dann aber alle Stromverbraucher ohne jede Vorbereitung treffen.
Netzbetreiber können Strom ohne Vorwarnung abschalten
„Mit der Abschaltverordnung ist das einzige Marktinstrument zum Abwurf industrieller Verbrauchslast weggefallen, das den Unternehmen eine gewisse Vorlaufzeit gewährt hatte, die Produktionsprozesse rechtzeitig auf den Wegfall der Stromzufuhr vorzubereiten“, kritisiert der Referent für Energiepolitik im Verband der Chemischen Industrie (VCI), Heinrich Nachtsheim. „Wenn die Regelungslücke nicht bald durch möglichst freiwillige Maßnahmen mit ausreichend Vorlaufzeitzeit geschlossen wird, droht in diesem Winter eine sehr abrupte Abschaltkaskade nach Paragraph 13.2 Energiewirtschaftsgesetz, wenn es im Netzbetrieb hart auf hart kommen sollte.“ Damit drohe laut Nachtsheim auch den Industriebetrieben ein plötzlicher Abbruch der laufenden Produktion. Solche Abschaltungen ohne jede Vorwarnung könnten in den Betrieben zu erheblichen Schäden an den Produktionsanlagen führen.
Kein Ersatz vorgesehen
Die Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) war eine Verordnung über kurzfristige Stromunterbrechungen bei Industriebetrieben. Der Lastabwurf erfolgte freiwillig, gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung. Die Verordnung sollte die Versorgungssicherheit erhöhen. Die Kosten wurden und werden noch bis Ende 2022 auf den Strompreis umgelegt, den die Verbraucher zahlen. Die Verordnung trat am 01. Juli 2022 außer Kraft und wurde bis heute nicht verlängert.
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