IEA-Chef warnt Europa, sich auf eine vollständige Abschaltung der russischen Gasexporte vorzubereiten

Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt davor, dass Europa sich unverzüglich auf den vollständigen Ausfall der russischen Gasexporte vorbereiten muss. Zudem fordert die Agentur die Regierungen auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Nachfrage zu senken. Außerdem empfiehlt der IEA-Chef dringend, alternde Kernkraftwerke in Betrieb zu halten.


Fatih Birol ist der Leiter der IEA und er hat deutliche Worte an die Länder Europas. Seiner Meinung nach ist Russlands Entscheidung, die Gaslieferungen an europäische Länder zu reduzieren, nur die Vorstufe vor dem kompletten Gasexport-Stop. Moskau versucht laut Birol den Gasexport als ein „Druckmittel“ für den Krieg mit der Ukraine zu misbrauchen.

„Europa sollte für den Fall vorbereitet sein, dass russisches Gas vollständig abgeschnitten wird“. So Birol in einem Interview mit der Financial Times.

„Je näher wir dem Winter kommen, desto mehr verstehen wir die Absichten Russlands“, sagte er. „Ich glaube, dass die Kürzungen darauf abzielen, zu vermeiden, dass Europa die Speicher füllt, und Russlands Einfluss in den Wintermonaten zu erhöhen“.

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IEA warnte schon früh vor der Verwendung von Gasexporten als Druckmittel im Ukrainekrieg

Die Finanzierung der IEA erfolgt in erster Linie durch die OECD-Mitglieder. Die IEA war im vergangenen Jahr eine der ersten offiziellen Stellen, die Russland öffentlich beschuldigte, die Gaslieferungen nach Europa zu manipulieren.

Birol sagte, dass die von den europäischen Ländern in dieser Woche ergriffenen Notfallmaßnahmen zur Verringerung der Gasnachfrage, wie z. B. das Anheizen alter Kohlekraftwerke, angesichts des Ausmaßes der Krise gerechtfertigt seien, trotz der Bedenken über die steigenden Kohlenstoffemissionen.

IEA-Chef warnt Europa, sich auf eine Abschaltung der russischen Gasexporte vorzubereiten. Er empfiehlt Atomkraftwerke am Netz zu lassen
Fatih Birol, IEA-Vorsitzender
Shoshone 15:51, 30. Nov. 2008 (CET), Public domain, via Wikimedia Commons

Er sagte, der Anstieg der Kohleverstromung sei „vorübergehend“ und werde dazu beitragen, die Gasversorgung für die Heizung im Winter zu erhalten. Alle zusätzlichen CO₂-Emissionen aus der Verbrennung hochgradig umweltschädlicher Kohle würden durch eine Beschleunigung der europäischen Pläne zur Verringerung der Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen und zum Aufbau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten ausgeglichen, fügte er hinzu.

Lauf IEA Chef gehen die aktuellen Maßnahmen der Länder nicht weit genug

Birol warnte jedoch, dass die bisher von den europäischen Regierungen ergriffenen Maßnahmen wahrscheinlich nicht weit genug gingen. Die Länder müssten jetzt alles, um die Vorräte zu erhalten, damit die Lager vor den Wintermonaten gefüllt werden könnten.

„Ich glaube, dass es mehr und tiefgreifendere Nachfragemaßnahmen [durch die Regierungen in Europa] geben wird, wenn der Winter näher rückt“, so Birol. Er fügte hinzu, dass eine Rationierung der Gaslieferungen eine reale Möglichkeit bleibe, sollte Russland die Exporte weiter kürzen.


Viele Länder der EU rufen bereits erste Stufen der Notfallpläne aus

Nach Deutschland, Österreich und den Niederlanden kündigten am Dienstag auch Schweden und Dänemark die erste Stufe von Notfallplänen an. Aber keiner dieser nationalen Pläne sieht Rationierungen vor, um die Gasversorgung aufrechtzuerhalten.

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Nach Angaben des Beratungsunternehmens ICIS hat Europa seine Abhängigkeit von russischem Gas seit der Invasion in der Ukraine von zuvor rund 40 Prozent auf etwa 20 Prozent reduziert. Dabei hat Europa aber bereits die meisten Möglichkeiten zur Diversifizierung der Lieferungen ausgeschöpft, z. B. Flüssiggas aus dem Meer.

IEA Chef empfiehlt Atomkraftwerke am Netz zu lassen

Der IEA-Chef sagte, die Länder sollten versuchen, die Abschaltung von Kernkraftwerken, die zur Stilllegung vorgesehen sind, hinauszuzögern. Dadurch können man die Menge des für die Stromerzeugung verbrauchten Gases begrenzen.

Deutschland ist wegen seiner Entscheidung, die letzten Kernkraftwerke während der Energiekrise weiter stillzulegen, immer wieder kritisiert worden. Birol nannte zwar kein einzelnes Land, sagte aber, dass alle Länder in Betracht ziehen sollten, „die Stilllegung [von Kernkraftwerken] zu verschieben, solange die Sicherheitsbedingungen gegeben sind.“

Berlin hat angedeutet, dass es die technischen und sicherheitstechnischen Hürden für den Weiterbetrieb der Anlagen für zu hochhält.

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Länder sollen in erneuerbare Energien investieren und nicht in Öl, Kohle und Gas

Birol äußerte sich im Vorfeld der Veröffentlichung eines neuen IEA-Investitionsberichts am Mittwoch, in dem gewarnt wird, dass die Regierungen noch nicht genug tun, um Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern, um die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen einzudämmen. Es wird erwartet, dass die gesamten Energieinvestitionen in diesem Jahr um 8 Prozent auf 2,4 Mrd. Dollar steigen werden, wobei das Wachstum auf erneuerbare Energien und höhere Kosten zurückzuführen ist.

Letztes Jahr erklärte die IEA, dass die Welt nicht in neue Öl- und Gasfelder investieren müsse, wenn die Regierungen ihre Netto-Null-Ziele bis 2050 erreichen wollten.

Birol sagte, dass die Welt weiterhin mit gefährlichen Schwankungen bei den Öl- und Gaspreisen konfrontiert sein wird, wenn keine Maßnahmen zur deutlichen Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe ergriffen werden. „Wenn die Regierungen nicht das Ruder in die Hand nehmen und umfangreiche Mittel für eine saubere Energiewende mobilisieren, werden wir mit extremen Schwankungen der Energiepreise zu kämpfen haben“, sagte er.

Zwar gebe es einige positive Anzeichen für wachsende Investitionen in sauberere Energieformen, die zum Teil auf den Wunsch Europas zurückzuführen seien, seine Abhängigkeit von russischer Energie zu überwinden, doch sei das Bild weltweit bestenfalls gemischt, sagte er.


Entwicklungsländer sind immer noch stark abhängig von fossilen Brennstoffen

In den Entwicklungsländern, mit Ausnahme Chinas, sind die Investitionen in erneuerbare Energien seit 2015 real nicht mehr gestiegen. Birol sagte auch, dass Entwicklungsländer, die von der Produktion fossiler Brennstoffe abhängig sind, den Gewinn aus den höheren Preisen nutzen müssen, um ihre Wirtschaft zu diversifizieren.

„Die relative Schwäche der Investitionen in saubere Energien in weiten Teilen der Entwicklungsländer ist einer der beunruhigendsten Trends“, so der IEA-Bericht.

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