Das Bundeswirtschaftsministerium hat bei der Planung von Flüssiggas-Terminals in Deutschland eine wichtige Zahl falsch verwendet. Die falsche Annahme der Importmengen von Flüssiggas durch Kapazitäten in unseren Nachbarländern führt zu einer Überbewertung des Bedarfs an Deutschlands erforderlicher Infrastruktur (t-online: 04.01.23).
Der Fokus liegt auf der Kapazität der LNG-Terminals von Deutschlands Nachbarländern. Insgesamt verfügen Polen, die Niederlande, Belgien und Frankreich über acht Terminals, die aufgrund ihrer geografischen Nähe „für die Versorgung Deutschlands heute schon eine wichtige Rolle“ spielen, wie das von Robert Habeck geleitete Ministerium schreibt. Obwohl diese Terminals zusammen eine Regasifizierungskapazität von rund 40 Milliarden Kubikmetern pro Jahr bieten, hat Deutschland einen Gasbedarf von circa 95 Milliarden Kubikmetern pro Jahr.
Niederlande, Polen, Belgien und Frankreich haben höhere Kapazitäten als angenommen
Das Ministerium hat möglicherweise auf Vorjahresangaben zurückgegriffen, die jedoch nicht korrekt sind. Eine Analyse der täglichen Zahlen der europäischen Gasnetzbetreiber (AGSI) zeigt, dass die Terminals in den genannten Nachbarländern im vergangenen Jahr fast 70 Milliarden Kubikmeter Gas eingespeist haben. Die Maximalkapazität beträgt sogar mindestens 96 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, wenn man die Angaben der Betreiber zusammenrechnet. Das Wirtschaftsministerium hat nicht erklärt, wie es zu der falschen Angabe über die Kapazität der LNG-Terminals in den Nachbarländern kommen konnte. Es ist jedoch denkbar, dass sich das Ministerium bei der Zahl von 40 Milliarden Kubikmetern an den Werten der Vorjahre orientiert hat. Im Jahr 2020 wurden an den Terminals 38 Milliarden Kubikmeter Gas eingespeist, im Jahr 2021 waren es 33 Milliarden Kubikmeter.
Falsche Annahme über Kapazitäten von LNG-Terminals als Begründung für das LNG-Beschleunigungsgesetz
Das Problem mit der falschen Annahme über die Kapazitäten der LNG-Terminals ist, dass sie als Begründung für das im Mai verabschiedete LNG-Beschleunigungsgesetz herangezogen wurde. In diesem Gesetz heißt es, dass die bestehenden Terminals bei voller Auslastung „nur zu einem geringen Teil“ das russische Gas ersetzen können. Die Realität zeigt jedoch, dass die bestehenden Terminals einen Großteil des russischen Gases ersetzen können. Selbst nach dem Stopp der Lieferungen über Nord Stream im September gab es weder in Deutschland noch in den Nachbarländern einen Mangel an Gas.
Deutsche LNG-Terminals laut Studie überdimensioniert
Bereits im Dezember des vergangenen Jahres gab es Berichte, dass die Kapazitäten der geplanten deutschen LNG-Terminals überdimensioniert sind. Eine Studie hat gezeigt, dass diese Terminals viel zu große Kapazitäten haben. Wenn alle elf LNG-Terminals in Betrieb sind, könnten sie 73 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aufnehmen, was 50 Prozent mehr ist als die Menge an Gas, die vor dem Ukraine-Krieg aus Russland bezogen wurde. Das „New Climate Institute“, ein Thinktank für Umweltfragen, bezeichnete die Pläne als „massiv überdimensioniert“.
Bau von Gasanlagen steht im Widerspruch zu Klimazielen und verletzt Klimaschutzgesetz
Die Kritik betrifft den Widerspruch, den der Bau der Anlagen zu den Klimazielen darstellt und somit auch gegen das Klimaschutzgesetz verstößt. Laut Berechnungen von Klimaexperten hat der Gasverbrauch in Deutschland 2021 bereits um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abgenommen. Um jedoch die Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland den Verbrauch weiter reduzieren, bis er bis 2045 fast auf null sinkt. Das Institut erwartet, dass Nachbarländer den Gasbedarf bis zu diesem Zeitpunkt durch Importe decken werden.
Nach den bisherigen Plänen des Bundes sollen acht schwimmende LNG-Terminals und drei weitere Anlagen an Land in der Lage sein, Gas unter anderem aus Katar aufzunehmen und weiterzuleiten. Die an den Küsten stationierten Schiffe sind angemietet.
LNG-Anlagen werden laut Studie ab 2035 überflüssig
Das New Climate Institute hat jedoch errechnet, dass selbst bei sinkenden Netto-Importen eine steigende Nachfrage mit höchstens drei schwimmenden Terminals bedient werden könnte – oder einfach noch mehr Gas eingespart wird. Ab 2035 wären die LNG-Anlagen nach den Berechnungen des Instituts sogar überflüssig, selbst wenn nur noch norwegisches Gas importiert wird. Dies reicht nach Angaben des Instituts aus.
Erstmals Ankunft von Tanker mit Flüssigerdgas in Wilhelmshaven seit Eröffnung des Terminals
In der ersten Januarwoche ist erstmals seit der Eröffnung des Terminals in Wilhelmshaven ein Tanker mit Flüssigerdgas dort angekommen. Das Terminal wird von dem fast 300 Meter langen Spezialschiff „Höegh Esperanza“ betrieben, das das von anderen Tankschiffen gelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandeln und in das deutsche Gasnetz einspeisen soll.
Das Spezialschiff kann bis zu fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas in Gasform verarbeiten. Im Dezember hatte das Schiff bereits eine Ladung LNG an Bord und in das deutsche Netz eingespeist, als es in Wilhelmshaven ankam.
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