Am 22. April stand die Schweiz vor einer erheblichen Energiekrise, ausgelöst durch gravierende Fehleinschätzungen der Wetterlage. Die Prognosen hatten stabiles, sonniges Wetter vorhergesagt, doch plötzlich führte ein unerwarteter Wintereinbruch dazu, dass die Solarmodule unter einer dicken Schneedecke lagen und in kurzer Zeit keinen Strom mehr produzierten. Dies führte zu einer drastischen Reduzierung der Solarstromproduktion. Als Folge kam es zu einem signifikanten Defizit im Stromnetz. Swissgrid musste schnell handeln, um das Stromnetz zu stabilisieren, was zu enormen Kosten von schätzungsweise 30 Millionen Franken führte. Ein Stromsystem ist ein empfindliches Konstrukt, in dem Angebot und Nachfrage stets ausgeglichen sein müssen. Bei einer Ungleichgewicht kann es zur Netzstörung kommen, die im Extremfall in einem Blackout resultieren könnte. „Ich kann mich nicht daran erinnern, schon einmal ein ähnlich großes Defizit beobachtet zu haben“, teilte Nicolas Schledermann von Ompex mit (nzz: 30.04.24).
Hohe Kosten für kurzfristigen Stromzukauf
In solch kritischen Momenten ist Swissgrid gefragt, die fehlende Energie am Markt zu beschaffen und so ein Gleichgewicht herzustellen. Dabei nehmen die Netzbetreiber oft Speicherkraftwerke in Betrieb, die kurzzeitig Strom erzeugen können – ein lukratives Geschäft für die Betreiber.
Die Preise für Strom schossen mit der veränderten Wetterlage in die Höhe: „In der Spitze wurden 12’000 Euro für eine Megawattstunde bezahlt“, berichtet Schledermann. Zum Vergleich: Normalerweise kostet eine Megawattstunde Strom etwa 70 Euro. Die Stromversorger geben diese Kosten an die Konsumenten weiter. Swissgrid äußerte sich zur Situation: „Die Situation war nicht besorgniserregend“, da genügend Regelleistung im System verfügbar war.
Ursachen und Folgen der Stromkrise
Die defizitäre Situation entstand, weil Versorger und Produzenten ihre geplanten Einspeisungen und den Bedarf an Swissgrid melden müssen. Eine kurzfristige Abweichung von diesen Plänen erfordert schnelle Anpassungen. Am Tag war die Abweichung aufgrund der falsch eingesetzten Wetterlage enorm. Nach warmen Tagen führte ein plötzlicher Wintereinbruch dazu, dass Solarmodule mit Schnee bedeckt waren. Die Solarstromproduktion fiel fast auf null.
Die in der Schweiz installierte Solarleistung übersteigt 6 Gigawatt. Fehler in den Prognosen wirken sich daher stark aus. „Diese Situation wird sich mit dem vorgesehenen Zubau an neuen Erneuerbaren weiter akzentuieren“, warnt Swissgrid. Die Qualität der Wettervorhersagen und die darauf basierenden Energieprognosen müssen verbessert werden, um solche Krisen in Zukunft zu vermeiden.
Schledermann von Ompex bemängelt die Prognosemethoden: „Die Solarproduktion wird heute per Daumenregel vorausgesagt“. Der Ausbau der Photovoltaik intensiviert die Problematik ungenauer Vorhersagen.
Notwendigkeit von Systemreformen
Aus dem Vorfall lassen sich wichtige Lehren ziehen. Es bedarf einerseits genauerer Prognosen für Solaranlagen, andererseits eines schnelleren Ausbaus der Übertragungssysteme. Swissgrid kritisiert langwierige Bewilligungsverfahren, die den Netzausbau verzögern.
Zudem wird ein besserer Markt für Regelenergie benötigt. Die Teilnahme an europäischen Plattformen könnte hierbei helfen, doch politische Hürden bestehen. Schledermann schlägt vor, das Preissystem stärker marktorientiert zu gestalten. Wer zu wenig Energie bereitstellt, zahlt hohe Preise, während Überschüsse kaum vergütet werden. Ein gerechteres System könnte die Effizienz steigern und die Kosten für die Allgemeinheit reduzieren.
Swissgrid hat eine Reform angekündigt, um auf solche Herausforderungen besser reagieren zu können. Die jüngsten Ereignisse haben die Dringlichkeit einer Überarbeitung des Systems unterstrichen.
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