Europa zahlt Milliarden für russisches LNG

Die Europäische Union hat in diesem Jahr ihre Abhängigkeit von russischer Energie reduziert. Kohleimporte wurden verboten und auch ein Ölembargo wird zum Jahresende im Kraft treten. Aber ein Produkt boomt und es ist unwahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit einem EU-Boykott ausgesetzt sein wird. Denn die Flüssigerdgasimporte aus Russland sind in einem Jahr um etwa 40 % gestiegen, um das ausbleibende Gas über die Pipelines aus Russland zu ersetzen. Obwohl die EU schwere Sanktionen gegen den Kreml verhängt hat, um ihm die Finanzierung des Krieges in der Ukraine zu erschweren, hat die EU von Januar bis September eine Rekordsumme von 12,5 Milliarden Euro für russisches LNG ausgegeben und damit fünfmal mehr als ein Jahr zuvor (Bloomberg: 20.11.22).


Russland liefert mehr LNG nach Europa als Katar

Die steigende Nachfrage aus Ländern wie Frankreich und Belgien hat dazu beigetragen, Russland in diesem Jahr zum zweitgrößten LNG-Lieferanten für Nordwesteuropa zu machen. Damit liegen die russischen Lieferungen weit hinter den USA, aber vor Katar. Das zeigen entsprechende Verfolgungen von Schiffsbewegungen und Hafendaten, an denen die Fracht gelöscht wird.

Russland liefert mehr LNG nach Europa als Katar. Russisches Gas kommt nach wie vor nach Europa, nur teurer als über die Pipelines
Russland liefert mehr LNG nach Europa als Katar. Russisches Gas kommt nach wie vor nach Europa, nur teurer als über die Pipelines
Bild: AB Klaipėdos Nafta, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Füllung der Gasspeicher war nur mit russischem Gas möglich

Vor dem Einmarsch in die Ukraine im Februar war Pipelinegas aus Russland in Europa die größte Energiequelle. Mit dem Lieferstopp über die Pipelines ist Europa gezwungen, mehr LNG aus der ganzen Welt zu importieren, auch aus Russland. Ohne das Flüssiggas aus Russland hätte man die Speicher bis zum Winter nicht rechtzeitig auffüllen können.

„Russisches LNG muss weiter fließen“, sagte Anne-Sophie Corbeau, Forscherin am Center on Global Energy Policy der Columbia University. „Das brauchen wir für die globale LNG-Bilanz: Sie ist ohnehin schon knapp genug. Ich denke, dass die meisten europäischen Länder in der Tat gerne die Augen davor verschließen.“


Nur Großbritannien und die baltischen Staaten boykottieren russisches LNG

Unter den europäischen Nationen haben nur das Vereinigte Königreich und die baltischen Staaten den Kauf von russischem LNG eingestellt. Im Gegensatz dazu wurde russisches Öl von Käufern in der gesamten Region weitgehend gemieden, und ein EU-Verbot soll am 5. Dezember in Kraft treten.

Ein vollständiges Embargo für russisches Gas wurde angesichts der Knappheit des weltweiten Angebots und des Potenzials für einen noch engeren Markt im nächsten Jahr nie ernsthaft in Betracht gezogen. Die EU hat sich jedoch bemüht, alternative Versorgungsmöglichkeiten zu finden. Im März versprach die EU, in diesem Jahr fast zwei Drittel seiner Gasimporte aus Russland zu ersetzen, wobei die meisten neuen Mengen in Form von weltweitem LNG kommen.

Schiffsverfolgungsdaten zeigen, dass immer mehr russisches LNG in Europa landet

Russisches Gas macht jetzt weniger als 10 % der Gasimporte in Europa aus, doch der Anteil von LNG beträgt dabei fast der Hälfte. Schiffsverfolgungsdaten zeigen, dass von Großbritannien abgelehntes russisches LNG an belgische Häfen geliefert wurde. Von Januar bis Oktober haben sich die Lieferungen mehr als verdoppelt. Frankreichs LNG Importe aus Russland sind sogar um 60 % gestiegen.

Sprecher der EU bestätigt, dass es keinen europäischen Boykott für russisches Gas gibt

„Wir haben nie Arbeiten an einem Verbot von russischem Gas angekündigt, und das hat sich nicht geändert“, sagte Eric Mamer, der Chefsprecher der Europäischen Kommission, bei einem Briefing am 25. November.

Die meisten globalen LNG-Lieferungen sind an langfristige Verträge gebunden, wobei die Verkäufer oft große multinationale Unternehmen sind, die weitgehend frei von staatlicher Kontrolle sind.


Französische TotalEnergies SE nach wie vor in Russland tätig

Die französische TotalEnergies SE beispielsweise ist mit 20 % an Yamal LNG, Russlands größter Produktionsanlage, beteiligt. Während das Unternehmen neue Investitionen in Russland gestoppt und einige Vermögenswerte im Land verkauft hat, hat es sich verpflichtet, in Jamal zu bleiben, um zur Sicherung der europäischen Gasversorgung beizutragen, solange die Sanktionen dies zulassen. Total besitzt auch 19 % der russischen Novatek PJSC, die das Projekt kontrolliert.

„Unter den derzeitigen Bedingungen kann es keine „guten“ und „schlechten“ LNG-Projekte geben“, sagte Leonid Mikhelson, Chief Executive Officer von Novatek, im Oktober. Das Unternehmen baut auch Kapazitäten aus, wobei die Entwicklung des gigantischen Arctic LNG 2 bereits im nächsten Jahr beginnt.

In Russland entstehen neue Anlagen zur Verflüssigung von Erdgas

Der staatliche Energieriese Gazprom PJSC, hauptsächlich ein Lieferant von Pipelinegas nach Europa, hat ebenfalls damit begonnen, LNG in die Region zu liefern. Obwohl sein riesiges Sachalin-2-Projekt im Fernen Osten Russlands im Allgemeinen sein Gas nach Asien versendet, hat eine neue, kleinere Anlage an der russischen Ostseeküste ihre ersten Lieferungen nach Griechenland geschickt.

Russisches Gas kommt nach wie vor nach Europa, nur teurer als über die Pipelines

Anfang dieses Jahres verbot Moskau Lieferungen von Flüssiggas an eine ehemalige Gazprom-Tochter, die von Deutschland beschlagnahmt wurde. Einige Käufer haben auch befürchtet, dass die Regierung Zahlungen in Rubel für LNG verlangen könnte, wie sie es im Frühjahr für Leitungsgas tat, aber bisher gibt es keine solche Entscheidung. Russisches LNG fließt nach wie vor nach Europa, nur zu einem höheren Preis als das Pipelinegas.

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