EU-China Handelskonflikt: Drohende Eskalation und ihre Folgen

Seitdem die Europäische Union (EU) angekündigt hat, eine Untersuchung in Bezug auf den Wettbewerb mit China hinsichtlich Marktverzerrungen durch Subventionen für Elektrofahrzeuge durchzuführen, steigen die Bedenken hinsichtlich eines möglichen Handelskonflikts mit der Volksrepublik. Insbesondere deutsche Autohersteller sind besorgt über mögliche Gegenmaßnahmen, wie in einem Bericht der „Financial Times“ gestern erwähnt wurde. Aber wie realistisch ist eine Eskalation? Welche Folgen könnten sich ergeben? Und aus welchem Grund werden Strafzölle überhaupt in Betracht gezogen? (Tagesschau, 20.09.2023)


Chinas Aufstieg im Elektroautomarkt alarmiert die EU – Untersuchung wegen möglicher Marktverzerrungen

„China hat seine Wettbewerbsfähigkeit durch strategische Industriepolitik gestärkt und dringt mit Elektrofahrzeugen aggressiv in die Weltmärkte ein, insbesondere in den europäischen Markt, da der amerikanische Markt aufgrund von Zöllen weitgehend abgeschottet ist“, erklärte Jürgen Matthes, ein Experte für Handelspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, in einem Gespräch mit tagesschau.de. Seit 2020 verzeichnet Deutschland einen deutlichen Anstieg der Importe von chinesischen Elektroautos und der Zulassungszahlen, was zu einem Zeitpunkt geschah, als die deutsche Autoindustrie bereits aufgrund der Energiewende erheblichem Druck ausgesetzt war.

„Die Europäische Kommission befürchtet aufgrund der stark steigenden Importe aus China einen Wettbewerbsnachteil für die europäische Elektroauto-Produktion“, sagte Vincent Stamer, ein Handelsexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Offenbar gebe es „ausreichend Hinweise darauf, dass China den fairen Wettbewerb verletzt“. Dies wäre der Fall, wenn chinesische Fahrzeuge zu Dumpingpreisen verkauft oder gezielt subventioniert würden, was gemäß den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) unzulässig ist.

„Genau das muss nun untersucht werden“, fügte Matthes hinzu. Die Unterscheidung zwischen natürlicher Wettbewerbsfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Faktoren und künstlicher Wettbewerbsfähigkeit durch staatliche Förderung in China sei jedoch aufgrund der Komplexität des Subventionssystems eine Herausforderung. „Ob dies erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten“, sagte der Volkswirt. Dennoch sei allein die Zustimmung der Bundesregierung und die öffentliche Ankündigung der Untersuchung durch Ursula von der Leyen beachtenswert.

Chinas Elektroautoaufstieg und der drohende Handelskonflikt mit der EU: Welche Folgen erwarten uns? Lesen Sie, wie die Untersuchung von Marktverzerrungen und mögliche Strafzölle die globale Wirtschaft beeinflussen könnten.

EU prüft mögliche Strafzölle auf chinesische Elektroautos – Auswirkungen und Unsicherheiten

„In der vergangenen Woche äußerte sich die EU-Kommissionspräsidentin deutlich und erklärte, dass die massiven staatlichen Subventionen die Preise dieser Fahrzeuge künstlich niedrig halten, was unseren Markt verfälscht“, betonte sie. Dies sei inakzeptabel. Nach Angaben der Kommission sollen chinesische Elektroautos normalerweise etwa 20 Prozent günstiger sein als Modelle, die in der EU produziert werden. Die Prüfung in Brüssel wird voraussichtlich im kommenden Sommer abgeschlossen sein. „Da dieses Thema politisch sehr bedeutend ist, besteht die Möglichkeit, dass letztendlich tatsächlich Strafzölle auf chinesische Autos erhoben werden“, erklärte der IW-Experte Matthes.

Falls dies eintreten sollte, könnte dies „kurzfristig den europäischen Herstellern im Wettbewerb helfen“, so Stamer vom IfW. Für Verbraucher könnte dies jedoch Nachteile mit sich bringen: Die Preise für Elektroautos aus China könnten steigen und der Wettbewerbsdruck auf europäische Hersteller könnte nachlassen. Eine weitere Konsequenz der Strafzölle könnten mögliche Gegenmaßnahmen sein. „Es bleibt abzuwarten, wie China darauf reagiert“, bemerkte Matthes. Die Regierung in Peking habe ihre Unzufriedenheit bereits gezeigt. Das chinesische Außenministerium bezeichnete den Plan der EU als „klaren Protektionismus“ und warnte davor, dass dies sich „negativ auf die wirtschaftlichen und handelsbezogenen Beziehungen zwischen China und der EU auswirken wird“.


Chinas Bereitschaft zur Eskalation im Handelskonflikt bereitet Sorgen für die deutsche Autoindustrie

„China hat im Handelskonflikt mit den USA bereits gezeigt, dass es keine Scheu vor einer Eskalation hat“, betonte Stamer in einem Interview mit tagesschau.de. Mögliche Reaktionen könnten zusätzliche Zölle auf europäische Produkte oder die Beschränkung des Exports wichtiger Elektronikkomponenten für die Automobilproduktion sein. Dies würde besonders die deutsche Autoindustrie schwer treffen, die rund 20 Prozent des chinesischen Marktes dominiert. Im vergangenen Jahr verkaufte BMW beispielsweise ein Drittel seiner Autos in China, Mercedes verzeichnete 37 Prozent und Volkswagen sogar 40 Prozent. Volkswagen liefert mehr Fahrzeuge auf dem größten Automarkt der Welt aus als jedes andere Unternehmen. Ein Teil dieser deutschen Autos wird nach China exportiert. Gleichzeitig unterhält die Autoindustrie erhebliche lokale Produktionsstätten, die China als potenzielle Zielscheibe dienen könnten.

Die Subventionsuntersuchung allein wird nach Kritik des Verbands der Automobilindustrie (VDA) nicht ausreichen, um die Herausforderungen im Wettbewerb anzugehen. Stattdessen fordert der VDA die Politik auf, bessere Rahmenbedingungen sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa zu schaffen. Die Branche äußert zudem Bedenken darüber, dass die Entscheidung der EU-Kommission unter dem Einfluss Frankreichs getroffen wurde, was sich negativ auf die deutsche Wirtschaft auswirken könnte. Ein Manager eines Zulieferers in der Automobilindustrie äußerte in einem Interview mit der „Financial Times“, dass die Deutschen von dieser Situation weit stärker betroffen sein würden als die Franzosen.

Experte warnt vor Risiken für deutsche Autohersteller und Rohstoffabhängigkeit in China-Konflikt

Matthes äußerte eine andere Meinung und sagte: „Die Sorge, dass die deutschen Autohersteller in China vor Herausforderungen stehen könnten, halte ich für unwahrscheinlich.“ Er erklärte, da die Autokonzerne vermehrt in China produzieren, um den heimischen Markt zu bedienen, würden Maßnahmen, die ihren Verkauf einschränken, hauptsächlich chinesische Arbeitsplätze beeinträchtigen. „Wenn Hindernisse für Unternehmen aufgestellt werden, schadet China in erster Linie sich selbst“, so der Experte vom IW.

Eine weitere Möglichkeit, um der europäischen Wirtschaft zu schaden, seien laut Matthes Exportbeschränkungen für bestimmte Rohstoffe, ähnlich wie sie bereits im Halbleiterstreit mit den USA eingeführt wurden. Seit August müssen Exporteure spezielle Genehmigungen erhalten, um die für die Halbleiter-, Telekommunikations- und Elektrofahrzeugindustrie wichtigen Metalle Germanium und Gallium an ausländische Kunden zu liefern. Eine EU-Studie ergab, dass weltweit 94 Prozent des Galliums und 83 Prozent des Germaniums aus China stammen. Die EU selbst importiert 71 Prozent des Galliums und 45 Prozent des Germaniums aus China. Matthes merkte an, dass die Genehmigungen bisher offenbar meistens erteilt wurden, aber „im Falle von EU-Strafzöllen könnte China als Vergeltungsmittel beginnen, sie restriktiver zu vergeben und somit den Zugang zu diesen Rohstoffen zu beschränken.“ Darüber hinaus könnten seltene Erden und wichtige Batterierohstoffe wie Lithium in die Liste der Genehmigungspflichten aufgenommen werden. „Die europäische Industrie ist stark von vielen Rohstoffen aus China abhängig, insbesondere in neuen Technologien und im Bereich der Energiewende“, betonte der Experte. Dies stelle eine erhebliche Bedrohung dar.


Experten warnen vor Verlusten in einem möglichen EU-China-Handelskrieg

IfW-Experte Stamer ist der Ansicht, dass sowohl die EU als auch China in einem Handelskrieg verlieren würden. Dieser Ansicht schließt sich auch Matthes an und betont: „Aktuell wirbt China aktiv um europäische Investitionen im eigenen Land, da die eigene Wirtschaft Probleme hat.“ Eine Eskalation würde dem Image Chinas nicht unbedingt helfen und könnte Unternehmen dazu veranlassen, sich vorsichtiger in China zu engagieren. Auch Verbraucher könnten dadurch abgeschreckt werden, was sich negativ auf die geplante Einführung chinesischer Elektroautos in Deutschland auswirken würde.

IfW-Forscher Stamer schlägt vor, dass eine Lösung im Handelsstreit zwischen der EU und China, ähnlich wie vor zehn Jahren im Streit um Solarzellen, gefunden werden könnte. Im Jahr 2013 hatten europäische Hersteller chinesischen Konkurrenten vorgeworfen, ihre Produkte zu Dumpingpreisen in Europa zu verkaufen, was zur Verhängung von 11,8 Prozent Strafzöllen auf chinesische Solarmodule durch Brüssel führte. Stamer berichtet, dass damals chinesische Produzenten die Strafzölle umgehen konnten, wenn sie freiwillig Mindestpreise akzeptierten, nach wochenlangen Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und Peking. Matthes merkt an, dass die Hauptursache dafür, dass die Strafzölle nicht verlängert wurden, die Drohungen Chinas mit schmerzhaften Vergeltungsmaßnahmen für die EU waren. Letztendlich führte dieser Kompromiss dazu, dass „unsere Solarindustrie in Schwierigkeiten geriet“ und die chinesische Solarindustrie heute den Weltmarkt beherrscht. Dieser Fehler sollte nicht wiederholt werden.

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